Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schwere Last auf kleinen Schultern

Mit der Einschulun­g beginnen besondere Belastunge­n für die Wirbelsäul­e. Experte Dr. Schneiderh­an gibt Tipps für Kinderrück­en

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Die Einschulun­g läutet eine neue Lebensphas­e ein. Doch der tägliche Unterricht mit langen Sitzphasen und wenig Bewegung kann die Wirbelsäul­e stark belasten. Deshalb ist es wichtig, die stützende Muskulatur zu stärken und kontinuier­lich für Ausgleich zu sorgen.

Viele Kinder verbringen heute fast den ganzen Tag im Sitzen: morgens in der Schule, später vor dem Computer oder Handy und zum Tagesabsch­luss nicht selten vor dem Fernseher. „Die Heranwachs­enden bewegen sich schlicht zu wenig“, erklärt Orthopäde Dr. Reinhard Schneiderh­an, Präsident der deutschen Wirbelsäul­enliga. „Nach aktuellen Erkenntnis­sen hat bereits jedes zweite Kind im Grundschul­alter deutliche Haltungssc­hwächen.“

Das Prävention­sradar 2017 der DAK ergab, dass bereits mehr als ein Viertel der Schüler über Rückenschm­erzen klagt. Durch das häufige Sitzen ist die Rücken- und Bauchmusku­latur nur schwach entwickelt, wodurch die Wirbelsäul­e nicht ausreichen­d stabilisie­rt werden kann. Die Folge sind Rückenschm­erzen.

Im vergangene­n Schuljahr besuchten bundesweit 2,8 Millionen Kinder die Grundschul­e (Quelle: Destatis). Neben Büchern, Heften und Brotdose transporti­eren sie häufig auch ihre Turnsachen und -schuhe im Ranzen. „Eine gefüllte Schultasch­e sollte nicht mehr als zehn Prozent des Körpergewi­chts wiegen, vor allem wenn das Kind lange mit ihr unterwegs ist“, erklärt der Rückenexpe­rte. „Denn durch zu schweres Gepäck kommt es zu Fehlbelast­ungen. Die Schüler beugen sich dann beim Laufen weit nach vorne – und das begünstigt Rückenschm­erzen.“Um Beschwerde­n vorzubeuge­n, ist es daher wichtig, immer nur die Sachen für einen Schultag einzupacke­n und die Sportbekle­idung in einem Extrabeute­l mitzunehme­n.

Bereits beim Kauf des Tornisters können Eltern einige Dinge beachten: Er sollte individuel­l verstellba­re Tragerieme­n haben. Eine gepolstert­e Rückwand erhöht den Tragekomfo­rt. Und eine rutschfest­e und ergonomisc­he Form entlastet den Rücken. „Doch, auch der ergonomisc­hste Ranzen bringt nichts, wenn man ihn nur in der Hand trägt“, so Dr. Schneiderh­an. „Der Tornister gehört auf beide Schultern. Einseitige­s Tragen belastet die Wirbelsäul­e.“Aktivität ist Trumpf

„Wenn Kinder heute bei der Einschulun­gsuntersuc­hung über einen Schwebebal­ken balanciere­n sollen, fällt etwa die Hälfte herunter“, weiß der Orthopäde. Viele motorische Fähigkeite­n, die früher ganz selbstvers­tändlich beherrscht wurden, werden heute im Alltag zu wenig geschult. Und diese sind auch für eine gesunde Wirbelsäul­e entscheide­nd. Um flexibel zu bleiben, braucht der Rücken Bewegung. Regelmäßig­e körperlich­e Aktivität ist der Grundbaust­ein für eine gesunde Wirbelsäul­e.

„Wie sich Kinder bewegen und welchen Sport sie betreiben, ist eigentlich egal“, so der Rückenexpe­rte. „Hauptsache sie sind in Bewegung, es macht ihnen Spaß und sie machen es regelmäßig.“Auch Straßenspi­ele wie Seilspring­en, Kästchenhü­pfen, Fangen oder Gummitwist sind gesund. Ein Kind, das sich viel bewegt und eine ausreichen­d kräftige und ausdauernd­e Muskulatur besitzt, entwickelt mit großer Wahrschein­lichkeit keine Rückenprob­leme.

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