Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie attraktiv ist die Annastraße?
Handel Seit der Neugestaltung der Innenstadt hat die Kundenfrequenz in der Fußgängerzone zugenommen. Doch manche Kunden und alteingesessene Händler sind mit der Situation unzufrieden. Das liegt auch an leer stehenden Geschäften
Gisela Mayo läuft durch die Annastraße, um in der Stadt Besorgungen zu erledigen. Die Augsburgerin sieht sich um. Sie vermisse hier die hochwertigen Geschäfte von früher, sagt die 63-Jährige. Zudem gebe es viele Leerstände. Die Attraktivität der Annastraße hat nachgelassen, lautet ihr Urteil. Dagegen sprechen die Besucherzahlen: Seit dem Innenstadtumbau ist die Passantenfrequenz in der Annastraße in den vergangenen Jahren gestiegen. Durchschnittlich 2116 Besucher pro Stunde wurden auf Höhe Stadtmarkt im Jahr 2017 gezählt. Trotzdem gibt es Kritik – auch von alteingesessenen Einzelhändlern.
Im aktuellen Immobilienmarktreport für den Wirtschaftsraum Augsburg heißt es, die Annastraße sei die stärkste 1-A-lage in Augsburg mit einer stabilen Passantenfrequenz auf hohem Niveau. „Eine 1-A-lage ist es hier für die Konzerne, die ihre Mietverträge machen“, sagt Anton Lotter, der gerade durch die Annastraße geht. „Aber das Angebot ist hier nicht mehr 1A. Als Einkaufsstraße ist die Annastraße nicht mehr attraktiv“, findet der Unternehmer, der hohe Mietpreise als Problem anführt. „Kleine Läden sich das nicht mehr leisten.“Laut Immobilienmarktreport lagen die Einzelhandelsmieten im Jahr 2017 bei knapp 80 Euro pro Quadratmeter bei Ladenflächen von 80 bis 120 Quadratmetern. Bei Geschäften mit einer Größe von 300 bis 500 Quadratmetern wurden im Schnitt knapp 50 Euro pro Quadratmeter erhoben. Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Miete bei kleineren Geschäften leicht, bei größeren etwas mehr gesunken.
Für Wirtschaftsreferentin
Eva Weber ist es wichtig, dass sich die Innenstadt mit breitem Branchen- und Nutzungsmix für möglichst alle Zielgruppen entwickelt. Die Annastraße stehe für die klassische Konsumlage. „Sie bietet einen Mix aus inhabergeführten und insbesondere auch überregional bekannten Geschäften, die von Innenstadtbesuchern dort erwartet werden.“Dies bestätigen die Befragungen und die Frequenzzählungen.
Mit den Beobachtungen von Hans-peter Kahn stimmen diese Zählungen nicht ganz überein. „Es heißt, dass die Passanten hier mehr werden. Aber wer vor Ort ist, hat nicht unbedingt den Eindruck“, sagt der Geschäftsführer des Restaurants Feinkost-kahn, das seit über 30 Jahren in der Annastraße zu finden ist. Kahn ist zwar mit der eigenen Lage neben dem Eingang zum Stadtmarkt zufrieden, mit der Gesamtsituation der Annastraße jedoch nicht. Ihm fehlen individuelle Geschäfte, wie es sie etwa in der Altstadt gibt. „Nur Telefonläden und Drogerien nutzen nichts. Wenn sich neue Läden hier profilieren könnten, wäre das für uns alle eine Bereicherung.“Doch um der Vielfalt eine Chance zu geben, müssten auch die Ladenmieten sinken, merkt Kahn an. Er findet den derzeitigen Leerstand ärgerlich.
Momentan sind in der Annastraße 13 Geschäfte ungenutzt. Das wohl auffälligste Beispiel ist das ehemalige Woolworth-gebäude. Bereits 2011 wurde bekannt, dass Peek & Cloppenburg von der Bahnhofstraße dorthin umziehen will. Man versprach sich davon einen Kundenkönnen magneten. Sieben Jahre sind seit der Nachricht vergangen. Durch die großen Schaufenster ist weiterhin nur gähnende Leere zu sehen. Der Auszug des Schuhhauses Leiser nebenan macht den tristen Anblick an dieser Stelle nicht besser.
Eine Änderung des Zustands scheint zumindest im einstigen Woolworth-gebäude nicht in Sicht. Vonseiten Peek & Cloppenburgs wird versichert, man plane weiterhin mit dem Standort und einem viergeschossigen Gebäude mit Verkaufsflächen. Weiter heißt es: „Bauprojekte dieser Größenordnung sind für P&C langfristig angelegt und bedürfen einer nachhaltigen und auf die Zukunft ausgerichteten Flächenkonzeption.“Mehr ist nicht zu erfahren. Solch dominante und große Leerstände können das Gefühl vermitteln, dass viele Geschäfte leer seien, räumt Wirtschaftsreferentin Eva Weber ein.
Tatsächlich aber liege der vorläufige Stand der Leerstandsquote für 2018 für Toplagen in der Fußgängerzone bei circa vier Prozent. Laut Weber begrüße man es sehr, dass für das einstige Schuhhaus Leiser eine konkrete Nachnutzung geplant ist. Die 850 Quadratmeter große Einzelhandelsfläche will ein lokal tätiger Modehändler belegen. Wer das sein wird, darüber wird noch geschwiegen. Die Umbauarbeiten aber laufen schon.
Bernhard Sieber vom alteingesessenen Familienbetrieb Juwelier Mayer bewertet das leere Woolworth-gebäude jedenfalls als katastrophal. „Das ist für die ganze Annastraße schlecht.“Der familiengeführte Juwelier ist hier seit 1971 eine Institution, ähnlich wie Feinkost Kahn. Beide stehen für die noch wenigen verbliebenen, inhabergeführten Geschäfte. Die Ketten sind in der Überzahl. Das erschwert offenbar eine gemeinsame Zusammenarbeit im Handel. „Die Ketten beteiligen sich nicht an lokalen Aktionen, um eine Stadt attraktiv zu machen. Für die Weihnachtsdekoration etwa zahlen nur wir Ortsansässigen“, berichtet Sieber. Gisela Mayo vermisst ihrerseits die Läden von früher. „Kröll und Nill, Fischer oder Attinger – das waren Geschäfte, in denen man hochwertige Sachen bekam“, erinnert sich die 63-Jährige.
Passantin Anna Janson kennt diese Geschäfte vielleicht gar nicht mehr. Die 21-Jährige ist mit dem Angebot in der Annastraße zufrieden. „Allerdings sind mein Augenoptiker und der Modeladen Tally Weijl in die City-galerie gezogen“, bedauert die junge Frau.