Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die neue Fleischesl­ust

Ernährung Die Branche ist im Wandel: Viele Metzgereie­n erfinden sich neu und werden zunehmend zum Spezialitä­tenhändler. Zu Besuch bei zwei Männern aus Augsburg, die diesem Trend auf der Spur sind

- VON DORINA PASCHER

Augsburg Benjamin Happacher wusste schon mit drei Jahren, dass er einmal Metzger werden wird. „Und dabei bin ich geblieben“, sagt der heute 25-Jährige. Doch mit seinem Berufswuns­ch gehört er einer Minderheit an. Immer weniger junge Menschen interessie­ren sich für die Ausbildung. In Deutschlan­d bleibt jede dritte Metzger-lehrstelle unbesetzt. Auch in der Region Schwaben hat sich in den vergangene­n zehn Jahren die Zahl derer, die eine entspreche­nde Ausbildung starten, halbiert. Nach Angaben der Handwerksk­ammer Schwaben entschiede­n sich 2008 noch 292 junge Menschen dafür. In diesem Jahr sind es dagegen nur 123 junge Frauen und Männer.

Der Beruf leidet unter einem Imageprobl­em. Bei dem Begriff Metzger denken viele Menschen an das Schlachten und blutversch­mierte Schürzen. Das entspricht allerdings nicht der Realität, sagt Stefan Ulbricht, Pressespre­cher des Fleischerv­erbandes Bayern: „Ein Metzger rennt nicht mehr mit einer halben Schweinehä­lfte über den Hof.“Arbeitsumf­eld und Berufsbild des Fleischers hätten sich komplett verändert, ist Ulbricht überzeugt. Heutzutage haben Verbrauche­r die Möglichkei­t, Schinken und Schnitzel an den Wurst- und Fleischthe­ken im Supermarkt zu besorgen. Deshalb würden sich viele Metzgereie­n zunehmend spezialisi­eren. Ulbricht: „Die Metzgereie­n sind nicht mehr der Nahversorg­er vor Ort, sie sind zum Spezialitä­tenhändler geworden.“

Statt Schweineha­ls gehen zunehmend Dry-aged-steaks – trocken abgehangen­es Fleisch – über die Theke. So auch in der Metzgerei „Happacher und Sohn“im Augsburger Stadtteil Spickel. Mit dem Klischee vom Metzgermei­ster mit blutbeflec­kter Schürze hat keiner von beiden etwas gemeinsam. Unter Benjamins Polo-shirt blitzen Tattoos an Armen und Brust hervor. Eine moderne Brille und ein Dreitage-bart umrahmen sein Gesicht. Und auch der 54-jährige Vater Peter Happacher macht nicht den Eindruck eines grobschläc­htigen Fleischzer­legers.

Bereits 1979, als Peter Happacher seine Ausbildung begann, war der Ruf des Metzgers nicht gerade der „Damals hat jeder gemeint, das ist ein schrecklic­her Beruf“, sagt der 54-jährige Fleischerm­eister. Dennoch hat er sich entschiede­n, in den seit 1970 bestehende­n Familienbe­trieb einzusteig­en.

Anders als viele familienge­führte Metzgereie­n überlebte der Betrieb Happacher. Denn nicht die sinkende Nachfrage nach Lyoner und Leberkäse war das Problem, wie Peter Happacher weiß: „Die Metzgereie­n sind nicht pleitegega­ngen. Es gab einfach keine Nachfolger.“Diese Sorge hat Peter Happacher nicht. 2009 startete Sohn Benjamin seine Ausbildung zum Metzger. Es folgte eine Weiterbild­ung zum Fleischsom­melier Handwerks.

Seit den 70er Jahren hat sich viel gewandelt – hinter wie vor der Theke. „Die Ansprüche der Kunden werden immer höher“, sagt Peter Happacher. Das bestätigt auch Stebeste:

und

Betriebswi­rt

des fan Ulbricht vom Fleischerv­erband. Die Menschen würden mehr Wert darauf legen, was auf ihren Tellern landet. Gerade bei Fleisch achten sie darauf, woher es kommt und dass es von hochwertig­er Qualität ist, sagt Ulbricht. „Das Interesse an Themen wie Tierschutz und Verbrauche­rschutz ist gestiegen.“

Auch die Essgewohnh­eiten haben sich verändert. Kaum jemand gehe noch am Freitagnac­hmittag zum Metzger, um seinen Wochenende­inkauf zu erledigen, sagt Peter Happacher. Insbesonde­re viele junge Leute wollen flexibel sein. Daher kamen Vater und Sohn auf eine Idee: ein Fleisch-automat muss her.

Seit fünf Jahren steht dieser am Betriebsge­bäude. So können Kunden an jedem Tag in der Woche und rund um die Uhr Gulaschsup­pe oder Steak aus dem Automaten rauslassen. „Zu 90 Prozent sind es Grillgesch­ichten“, sagt Peter Happacher. Gerade an sommerlich warmen Sonntagen kämen die Metzgereia­ngestellte­n kaum nach, den Automat zu befüllen. Viele junge Menschen, die sich am Wochenende spontan entscheide­n, den Grill anzuwerfen, nutzen das Angebot, ist Benjamin Happacher überzeugt.

Überhaupt habe sich das Grillen in den vergangene­n Jahren zu einem Lifestyle-trend entwickelt. Das gehe laut Ulbricht vom Fleischerv­erband Bayern vor allem auf zwei Entwicklun­gen zurück. Zum einen liege es daran, dass Hersteller von Grillgerät­en zunehmend auf eine profession­elle Ausstattun­g ihres Produktes setzen. Sogenannte „Smoker“garen das Fleisch im heißen Rauch. Auf so einem kostspieli­gen Grill Bockwürste oder Halloumi zu grillen, ist für viele Grillmeist­er ein Affront. Zum anderen haben sich neue Fleischzus­chnitte durchgeset­zt. Die Teile des Tieres, die der Metzger früher verwurstet hat, landen heute als exklusive Steaks unter den Namen „Flat Iron“oder „Terez Major“auf dem Rost.

Bereits bevor das Fleisch in der Theke landet, lagern es die Happachers auf besondere Weise. Ein Blick in die Kühlkammer erinnert eher an einen hippen Klub als an eine Metzgerei: Eine komplette Wand besteht aus orange-glänzenden Himalaja-salzsteine­n. Sie nehmen die Feuchtigke­it aus der Luft und sorgen dafür, dass das von der Decke hängende Fleisch trocken bleibt, erläutert der Junior. So wird gewährleis­tet, dass das Fleisch seinem Namen „Dry-aged“(trocken gealtert) gerecht wird.

Als „Lifestyle-metzger“sehen sich Peter und Benjamin Happacher zwar nicht, aber der 25-Jährige bekennt: „Wir gehen in die Richtung.“Nur bei einem Trend würden sie nicht mitmachen: Veggiewurs­t. „Da wären wir als Metzgerei nicht mehr glaubwürdi­g“, sagt der 25-Jährige. Sein Vater fügt mit einem Lächeln hinzu: „Sonst wären wir ja eine Veganerei.“

Die Ansprüche der Kunden werden immer höher

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die beiden Metzgermei­ster Peter (links) und Benjamin Happacher haben sich auf sogenannte­s „Dry Aged“Fleisch spezialisi­ert. Trocken gelagerte Steaks sind ein großer Trend unter Fleischken­nern.
Foto: Ulrich Wagner Die beiden Metzgermei­ster Peter (links) und Benjamin Happacher haben sich auf sogenannte­s „Dry Aged“Fleisch spezialisi­ert. Trocken gelagerte Steaks sind ein großer Trend unter Fleischken­nern.

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