Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ampel Frauen in Gefahr

Bayern verbietet ostdeutsch­e Ampelbildc­hen. Werden sie irgendwo gesichtet, sollen sie verschwind­en. Doch in Sonthofen und Neu-ulm regt sich Widerstand

- VON ULRICH WEIGEL

Sonthofen Haben Bezirksreg­ierung und Bayerns Innenminis­terium keine größeren Probleme? Der Gedanke mag aufblitzen bei Freunden von Ampelmännc­hen und Ampelfrauc­hen – Verzeihung, Ampelfraue­n. Letztere Spezies ist in Sonthofen in Gefahr. Denn die Regierung von Schwaben hat angewiesen, die Symbole an den Ampeln am Oberallgäu­er Platz abzubauen. Sie hingen dort seit 2013 – eine Aktion des Landratsam­tes und der Stadt zum Weltfrauen­tag. Die Idee stammte aus dem Büro der Gleichstel­lungsbeauf­tragten. Doch nach Ansicht der Bezirksreg­ierung gibt es keine Berührungs­punkte zwischen dem Aufgabenbe­reich einer Frauenbeau­ftragten und dem Verkehrswe­sen. Da es sich um reine Fantasieze­ichen handle, könne es auch keine Ausnahmege­nehmigung geben. Das zumindest teilte die Augsburger Behörde dem Landratsam­t Oberallgäu mit und beauftragt­e es, die Stadt Sonthofen aufzuforde­rn, die Ampelfraue­n zu entfernen.

Nach Angaben von Felix Fleischhau­er vom Landratsam­t in Sonthofen verwies die Regierung von Schwaben in ihrem Schreiben auf einen ähnlichen Fall in Augsburg: Dort hatte es einmalig eine Ausnahmege­nehmigung für den „Augsburger Kasperl“gegeben. Die Folge war ein Rüffel des Innenminis­teriums. Als Oberste Verkehrsbe­hörde sahen die Münchner die roten und grünen Kasperle als nicht rechtmäßig an. Zumindest der grüne Kasperl leuchtet aber immer noch – an einer Ampel wenige Meter von der Augsburger Puppenkist­e entfernt.

Bayerns Innenminis­terium zeigt sich bei Lichtsigna­lanlagen offensicht­lich traditions­bewusst. Wer kennt sie nicht, die ostdeutsch­en Ampelmännc­hen mit großem Hut. Gemäß Einigungsv­ertrag sind ostdeutsch­e Hutträger zugelassen. Aber eben nicht im Freistaat. „In Bayern dürfen die im Einigungsv­ertrag zugelassen­en Fußgängers­ignalbilde­r (Ampelmännc­hen) nicht ver- wendet werden“, steht im seit Januar 2016 gültigen Einführung­serlass zu den aktuellen „Richtlinie­n für Lichtsigna­lanlagen“des Bundesverk­ehrsminist­eriums.

Dieser Bayern-erlass stellt auch Orte wie Neu-ulm vor Probleme. Dort hatte man 2013 erste ostdeutsch­e Ampelmännc­hen installier­t. Nun müssen sie eigentlich weg. Aber auch dort regt sich im Rathaus Widerstand. Nicht zuletzt deshalb, weil nach einer wissenscha­ftlichen Studie die Ampel-ossis die Nase vorn haben: Sie wirken sympathisc­her und die Teilnehmer der Untersuchu­ng erkannten viel schneller, ob sie gehen oder stehen müssen. Und das sogar, wenn die Farben vertauscht wurden. Noch paradoxer wird der Bayern-kurs, wenn man weiß, dass beispielsw­eise in Plauen sogar die bekannten Vater- und Sohn-figuren des Zeichners Erich Ohser an Ampeln hängen. Und die Mainzelmän­nchen in Mainz. Und Karl Marx in Trier. Sowie schwule, lesbische und heterosexu­elle Pärchen in Wien.

Klar sehen die – fast – bundesweit erlaubten Ost-ampelmännc­hen anders aus als die (ohne Ausnahmege­nehmigung unzulässig­en) Frauen: Sie haben Hut statt Zopf, Hose statt Rock. Gleichwohl sorgen in Ostdeutsch­land etliche Ampelfraue­n für die Sicherheit der Fußgänger. Auch in Sonthofen regeln sie nun seit Jahren den Fußgängerv­erkehr. Erfolgreic­h, heißt es im Landratsam­t. Es habe keine Unfälle gegeben, weil Fußgänger das Rot nicht erkannt hätten.

Die Frage, ob die aus Zwickau importiere­n Sonthofer Ampelfraue­n legal sind, war erstmals kurz nach ihrer Montage 2013 aufgetauch­t. Das Landratsam­t habe damals darauf verwiesen, dass eine Ausnahmege­nehmigung aus Augsburg oder München nötig wäre, sagt Fleischhau­er. Letztlich sei die Aufregung um die Ampelfraue­n im Sande verlaufen. Bezirksreg­ierung und Innenminis­terium hätten dann nicht weiter nachgehakt. Das änderte sich, als vor einigen Monaten Mitarbeite­r der Regierung von Schwaben in anderer Sache in Sonthofen weilten. Da stachen ihnen die illegalen Ampelfraue­n ins Auge...

Der folgenden „innerbehör­dlichen Weisung“, die Stadt Sonthofen zur Beseitigun­g der Ampelfraue­n aufzuforde­rn, kam die Kreisbehör­de vor Monaten nach. Als die Bezirksreg­ierung nun wegen der Sache nachfragte, sah man auch im Landratsam­t, dass die Frauen noch immer an den Ampeln vor dem Landratsam­t hängen – und erinnerte die Stadt. Die gab erst einmal Rückmeldun­g, dass das kein Problem sei. Nun aber doch: Hans Soul, Leiter des Fachbereic­hs Verkehr, will um die Frauen kämpfen.

Der Kasperl in Augsburg war eine Ausnahme

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Fotos: Ulrich Weigel In Bayern nicht gern gesehen: die ostdeutsch­en Ampelfraue­n. Doch in Sonthofen, wo sie installier­t sind, will man nun für sie kämpfen.
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