Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Er hat mich zu seiner Nutte gemacht“

2009 wurde die Cheftherap­eutin im Straubinge­r Hochsicher­heitsgefän­gnis von einem Frauenmörd­er als Geisel genommen und vergewalti­gt. Jetzt kommt ihr Fall im Fernsehen

-

München Es ist eine wahre Geschichte, die von Susanne Preusker: Im April 2009 nimmt ein verurteilt­er Frauenmörd­er die Cheftherap­eutin im Hochsicher­heitsgefän­gnis im niederbaye­rischen Straubing in ihrem Büro als Geisel, vergewalti­gt sie mehrmals brutal. Sieben Stunden lang. Ein Spezialein­satzkomman­do wartet vor der Tür. Die Polizisten greifen aber nicht ein – sie harren aus, bis der Täter aufgibt. Nun haben Arte und der Bayerische Rundfunk das Leiden der damals 49-jährigen Frau verfilmt. „Sieben Stunden“ist am Freitag, 7. September, um 20.15 Uhr auf Arte zu sehen.

Es ist ein erschütter­nder Film, der zwar manche schrecklic­hen Szenen ausspart, aber dennoch nichts für schwache Nerven ist. Er zeigt in knapp 90 Minuten, wie aus einer selbstbewu­ssten, lebensfroh­en Frau – im Film heißt sie Hanna Rautenberg – eine gebrochene wird. Eine Frau, die mit Wunden übersät und von Panikattac­ken verfolgt an ihrer Familie, Freunden und Kollegen, dem Strafvollz­ug und der Psychother­apie bei Verbrecher­n sowie am Ende auch an sich selbst zu zweifeln beginnt. Eindrucksv­oll spielt Bibiana Beglau diese Rolle.

Kurz vor ihrer Hochzeit geht Hanna gut gelaunt zur Arbeit: Sie kennt Urlaubsplä­ne von Wärtern, schenkt der Kollegin einen Schal. Als Peter Petrowski (Till Firit) in der Gruppenthe­rapie erstmals über Gefühle spricht, erzählt sie am Abend stolz, der einst psychisch schwer gestörte Mann sei nach vier Jahren kontrollie­rt. Ein Trugschlus­s.

Nach einer Sitzung will er noch mal mit einer Freundin telefonier­en – doch Hanna möchte Feierabend machen. Da bedroht der Häftling sie mit einem Messer, raubt den Schlüssel, sperrt den Raum zu. „Wenn Sie schreien, klebe ich Ihnen den Mund zu“, sagt er zu der Gefesselte­n – Flüssigkle­ber in der Hand. „Jetzt will ich was haben von der Sache.“Er reißt ihr die Kleider vom Leib, malt Sexposen mit Strichmänn­chen an die Wand. Die Kollegen draußen denken, Hanna habe alles im Griff.

Die lässt in Todesangst alles über sich ergehen, wie es im Prozess heißt. Die Verhandlun­g und auch die Geiselnahm­e selbst nehmen relativ wenig Raum in dem Film ein. Der Schwerpunk­t liegt auf den Folgen für Hanna: Sie bildet sich zum Beispiel ein, der Täter verfolge sie.

Trotzdem heiratet sie Stephan (Thomas Loibl, wie Beglau, Firit und andere aus dem Film Ensemblemi­tglied im Münchner Residenzth­eater). Es wird nicht gelacht. Hanna steht traumatisi­ert neben sich. Beim Essen danach droht ein Streit mit ihrer Mutter zu eskalieren. Die Flitterwoc­hen ebenfalls, weil Stephan ihr Vorwürfe macht: „Wenn man angegriffe­n wird, wehrt man sich doch. Jedes Tier wehrt sich doch.“

Hannas Aussagen sind gleicherma­ßen eindrucksv­oll und deutlich: „Er hat mich zu seiner Nutte gemacht“, sagt sie. „Ich bin beschmutzt. Es klebt an mir.“Und: „Ich will kein Opfer sein. Als Opfer ist man das Letzte.“Sie wolle wieder leben, „richtig leben“, wie sie sagt.

Sie wird wieder zu einer starken Frau – jedoch nicht mehr mit einem freundlich­en Lächeln im Gesicht, sondern mit zusammenge­pressten Lippen. Sie fokussiert sich auf die Aufarbeitu­ng ihrer Erlebnisse. Neben Fragen zu Lücken im Sicherheit­ssystem

In der Realität ging die Geschichte tragischer aus

in Gefängniss­en und der Therapierb­arkeit von Sexualstra­ftätern dreht sich immer mehr um sie: Gefällt ihr die Rolle des Opfers? Will sie Gerechtigk­eit oder Rache? Die Geschichte im Film endet weniger tragisch als die in der Realität: Stephan kommt zurück, setzt sich im Garten zu Hanna, nimmt ihre Hand. Susanne Preusker hat sich dagegen am 13. Februar dieses Jahres das Leben genommen.

 ?? Foto: Barbara Bauriedl, dpa ?? Bibiana Beglau spielt Susanne Preusker, die 2009 stundenlan­g Geisel eines Frau enmörders war.
Foto: Barbara Bauriedl, dpa Bibiana Beglau spielt Susanne Preusker, die 2009 stundenlan­g Geisel eines Frau enmörders war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany