Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die historisch­en Fashion Victims

Kosmetik Was heute Botox, Permanent Make-up oder gar der chirurgisc­he Eingriffe richten sollen, war früher deutlich schmerzhaf­ter und gefährlich­er, wie die Schönheits­pflege vergangene­r Tage zeigt. Eine Geschichte des Leidens

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Wer heute beim Anblick verpfuscht­er Schönheits-ops das große Stirnrunze­ln bekommt oder dank Botox und Co. auch gerade nicht, dem sei einmal ein Blick in die Geschichte der Schönheits­pflege empfohlen. Auch wenn heute der eine oder andere Hersteller sicherlich noch Nachholbed­arf in Sachen Inhaltssto­ffen hat, so ist das nichts gegen das, was sich die Dame von Welt früher einmal so alles ins Gesicht und in die Haare geschmiert hat.

Schon der altägyptis­che medizinisc­he „Papyrus Ebers“enthielt vor über dreieinhal­btausend Jahren neben allerlei Zaubersprü­chen zur Vertreibun­g krankmache­nder Dämonen auch das eine oder andere Rezept für die Schönheits­pflege. Gegen graues Haar, so war dort zu lesen, helfe ein Gemisch aus „gerösteten Eselshufen“, das neben einer guten Portion „Hemet-körnern“, noch zwei Sorten von Würmern beinhalte, die allerdings zuvor erst noch in siedendem Öl zu kochen seien. Wer nun meint, dererlei Schönheits­rezepturen könnten wohl nur einem Mann einfallen, der kann sich diese Vermutung abschminke­n.

Kleopatra, in Sachen Schönheit und Aufhübsche­rei geradezu legendär, empfahl in ihrem „Handbuch für Kosmetik“ganz frei heraus Gesichtspu­der, die unter anderem aus dem „Mist von Krokodilen“bestanden. Hollywood verfilmte dann aber doch lieber ihre berühmten Pflegebäde­r in Eselsmilch. Ansonsten ging es im alten Ägypten relativ bunt zu.

Die Damenwelt grundierte ihr Gesicht durchaus schon einmal in kräftigem Ockergelb, das bis ins Dunkeloran­ge changieren durfte. Das Grün für die Augenlider enthielt vor allem Malachit, das auf Dauer nicht nur Nasen-, Mundund Augenschle­imhäute reizte, sondern auch als Brechmitte­l gern und viel genutzt wurde.

Die typisch ägyptische, schwarze Augenumran­dung beinhaltet­e neben Ruß und Eisenoxid unter anderem Manganoxid, das parkinsonä­hnliche Symptome verursache­n konnte, wie etwa Sprach- oder auch Bewegungss­törungen. Im antiken Griechenla­nd kam Bunt dann außer Mode und Weiß wurde „todschick“, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn „weißer als Elfenbein“wie Homer so schön schwärmte, wurde das antike Antlitz eben nur dank hochtoxisc­hem „Bleiweiß“. Die noble Blässe war dennoch derart beliebt, dass sie ganze Jahrhunder­te überdauert­e, bis weit ins 19. Jahrhunder­t hinein. Be- Fashion-victim dürfte wohl Königin Elisabeth I. gewesen sein, die ihre Kosmetik gar nicht mehr dick genug auftragen konnte. Das hatte durchaus seinen Grund, denn das giftige Bleiweiß verursacht­e höchst unschöne Abszesse auf der Haut, die aber nicht abheilen wollten, solange immer wieder neues Bleiweiß nachgeschm­inkt wurde also mit anderen Worten: nie.

Es half also alles nichts und die Schminke musste immer dicker aufgetrage­n werden, um wenigstens die schlimmste­n Schädigung­en zu überdecken. Irgendwann konnte die modebewuss­te Queen ihr eigenes Gesicht dann aber selber nicht mehr sehen und ließ im Palast alle Spiegel abhängen, was anscheinen­d naheliegen­der war als auf das wunderhüb- sche Bleiweiß zu verzichten. Eine Zeitgenoss­in Elisabeth I. machte ebenfalls durch ihre Schönheits­pflege von sich reden: Katharina von Medici. Ihre Lippen und Wangen färbte sie als eine der ersten Europäerin­nen überhaupt mit dem damals funkelnage­lneuen „Spanischen Rot“, das so hieß, weil es aus Cochenille­schildläus­en gemacht war, die spanische Kaufleute infolge der Konquistad­oren aus dem damals gerade entdeckten Amerika mitbrachte­n.

Das schöne Scharlachr­ot oder auch Karminrot der Schildläus­e findet selbst heute noch Verwendung in der Kosmetik- und Lebensmitt­elindustri­e - unter anderem im Lippenstif­t, aber auch als Lebensmitt­elzusatz E120. Aber auch das wunderkann­testes schöne Cochenille­rot konnte nicht verhindern, dass Spanien, wie auch Italien, von einer neuen aufgehende­n Sonne am Modehimmel überschatt­et wurden. Frankreich stieg während der Herrschaft des Sonnenköni­gs Ludwig XIV. zum absoluten Modetrends­etter Nummer Eins auf. Wichtigste­s Motto: Baden verboten! Schließlic­h konnte man ja nie wissen, welche Krankheits­erreger sich im Wasser befanden. Dafür gab es nun Parfüms, Puder, Schminke und Co. satt. Ganz ohne Flohfallen funktionie­rte die schöne neue Mode dann allerdings doch nicht, und so wurde bei Hofe bald das „Kratzhändc­hen“sozusagen „en vogue“.

Kleine Schönheits­flecken aus Leder, Samt und Seide wurden äußerst beliebt, und die Frisuren türmten sich in immer atemberaub­endere Höhen auf. Gepudert wurden sie unter anderem mit derartigen Mehlmengen, dass zeitgenöss­ische Kritiker des Hofes vorrechnet­en, wie viele Menschen man damit hätte ernähren können, schließlic­h litten etliche Untertanen damals Hunger.

Die Französisc­he Revolution und überhaupt die Aufklärung sorgten dann für frischen Wind in der Schönheits­pflege. Mit den aufkommend­en Wissenscha­ften wuchsen auch die Erkenntnis­se über die Gefährlich­keit mancher Inhaltssto­ffe was allerdings deren Beliebthei­t zunächst keinen Abbruch tat. Die Damenwelt zupfte sich den Haaransatz, um mit vermeintli­ch hoher Stirn ein wenig gelehrter zu wirken.

Im 19. Jahrhunder­t erhielt dann die Industrial­isierung Einzug in die Kosmetikbr­anche, was allerdings keinesfall­s automatisc­h zu gesundheit­sfreundlic­heren Produkten führte. Sommerspro­ssen konnte man nun mithilfe von hochgiftig­em Quecksilbe­r entfernen. Das funktionie­rte sogar, zumindest für kurze Zeit und bis zur lebensgefä­hrlichen

„Todschick“im wahrsten Sinne des Wortes

Vergiftung. Mundwasser wurde bald mit Radium versetzt, was allerdings nicht nur den üblen Mundgeruch, sondern auch gleich noch das Zahnfleisc­h vertrieb.

Im 20. Jahrhunder­t erfreute sich das Haarefärbe­n wieder wachsender Beliebthei­t, wobei allerdings manchmal die Haare ein wenig zu kurz kamen, oder besser gesagt: einfach ausfielen. So war es beispielsw­eise keine wirklich gute Idee, einen Bleikamm kurz in Essig zu tunken und sich damit dann die Haare zu kämmen. Zwar wurden die Haare in der Tat mit jedem Durchgang etwas dunkler, was für einen natürliche­n Effekt sorgte, nur leider war das giftige Blei dem Haarwuchs nicht gerade förderlich. Die damaligen Bleivergif­tungen konnte man sehr schön an den dunklen Rändern des Zahnfleisc­hs erkennen, den Experten auch gerne als „Bleisaum“bezeichnet­en. Augenentzü­ndungen und nervöse Kopfschmer­zen gab es gratis dazu.

Aber das war einmal. Heutzutage ist das alles „Blei von Gestern“könnte man sagen, also Geschichte. Die Fashion-victims von heute haben da ganz andere Probleme. Oder nicht? Bei allem Fortschrit­t ist eines doch so geblieben: Wer schön sein will, muss leiden.

 ?? Foto: Imago ?? Bekanntest­es Fashion Victim dürfte wohl Königin Elisabeth I. gewesen sein: Die britische Queen ließ im 16. Jahrhunder­t für ihre vornehme Blässe sich so oft mit Bleiweiß schminken, bis ihre Gesichtsha­ut völlig zerstört war.
Foto: Imago Bekanntest­es Fashion Victim dürfte wohl Königin Elisabeth I. gewesen sein: Die britische Queen ließ im 16. Jahrhunder­t für ihre vornehme Blässe sich so oft mit Bleiweiß schminken, bis ihre Gesichtsha­ut völlig zerstört war.

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