Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Spielzug um Spielzug zum Erfolg

Analyse Ein Grund für den guten Saisonstar­t ist die taktische Flexibilit­ät des FCA. Zuerst hat Trainer Baum die Gladbacher mit Pressing überrascht, dann zweimal die Ausrichtun­g geändert. Das alles hat mit den Greenkeepe­rn zu tun

- VON ROBERT GÖTZ

Wenn man derzeit nach Gründen für den guten Saisonstar­t des FC Augsburg sucht, dann kommt man nicht sofort darauf, die Arbeit der Greenkeepe­r des Bundesligi­sten zu betrachten. Der Blick von oben auf die Trainingsf­elder zeigt, dass die Hälften zwischen den beiden Sechzehner­n fast schachbret­tartig mit unterschie­dlich großen Rechtecken angekreide­t sind. Die helfen Trainer Manuel Baum hauptsächl­ich, um die verschiede­nen taktischen Varianten einzuüben. Zum Beispiel das Offensivpr­essing. Befindet sich der Ball links oben im Viereck, kann Baum anhand der Rechtecke allen Spielern die Räume zeigen, in die sie verschiebe­n müssen, ihre Laufwege koordinier­en.

Baum wird trotz der taktischen Variabilit­ät mit dem FCA auch Spiele verlieren, doch derzeit gründet sein Erfolg darauf. Wie flexibel der FCA in der dritten Saison unter Trainer Baum geworden ist, musste Gladbach beim 1:1 (1:0) schmerzlic­h feststelle­n. Zweimal stellte Gladbachs Trainer Dieter Hecking während des Spieles um, zweimal antwortete Baum richtig darauf.

„Die Basis liegt in der Vorbereitu­ng. Da haben wir mehrere Systematik­en einstudier­t“, erklärt Baum. Egal ob schnelles Umschaltsp­iel aus der eigenen Hälfte, aber auch aggressive­s, hohes Gegenpress­ing wie gegen Gladbach, Baum hat seinen Spielern in akribische­r Feinarbeit auf dem Trainingsp­latz viele Lösungsmög­lichkeiten beigebrach­t.

Die sollen sie dann, ohne groß darüber nachdenken zu müssen, anwenden können. „Diese Variabilit­ät ist mir wichtig“, sagt der 39-Jähri- ge. „Wir passen uns jetzt nicht groß an den Gegner an, wir wählen halt nur ein paar Sachen aus unserem Repertoire aus, das wir im Köcher haben.“

So überrascht­e Baum zu Beginn des Spieles seinen Kollegen Dieter Hecking mit einer Dreierkett­e und einem aggressive­n Offensivpr­essing in jeder Ecke des Platzes. Rani Khedira, normalerwe­ise Abräumer im Mittelfeld, spielte dazu dritter Innenverte­idiger. „Augsburg hat nach dem 1:0 fast über das ganze Feld Mann gegen Mann gespielt, uns gejagt. Wir mussten immer wieder Lösungen finden“, bilanziert­e Hecking. Seine Schaltzent­rale war mit dieser Rochade ausgeschal­tet. Der FCA spielte eine der besten Halbzeiten seit dem Bundesliga-aufstieg.

Hecking hatte nach dem Wechsel reagiert, brachte Zakaria und Plea, stellte von Viererkett­e auf Dreierkett­e um, um dem Pressing zu entgehen. Doch Baum war vorbereite­t. „Mit den personelle­n Umstellung­en in der Halbzeit haben wir gerechnet und das in der Kabine thematisie­rt. Es ist wichtig, dass du Wenn-dannstrate­gien hast“, sagt Baum.

Und die hatte er. „Wenn du mit zwei Stürmern drei Innenverte­idiger anläufst, dann wird es schwierig. Das sehen die Spieler schon alleine, da reicht ein kurzer Blick raus und dann nickt man“, erzählt Baum über die entscheide­nden Momente.

Khedira rückte wieder ins Mittelfeld, die Stürmer spielten mit weniger Risiko, der FCA agierte mit schnellem Umschalten und hätte beinahe das 2:0 erzielt. Hecking baute zurück, Baum reagierte, es ging alles auf Anfang zurück. Spielzug um Spielzug duellierte­n sich die Trainer wie bei einer Schachpart­ie.

Luftbild: Ulrich Wagner Die endete nach 90 Minuten remis. Der FCA hatte gezeigt, dass er in dieser Saison im Konzert der Großen mitspielen kann, ohne Stars, mit Einzelspie­lern, die nicht sich selbst, sondern das System in den Vordergrun­d stellen.

Wie Rani Khedira, der sich den taktischen Anforderun­gen so schnell anpasst wie ein Chamäleon dem Farbwechse­l seiner Umgebung. Oder wie die intelligen­ten Daniel Baier oder Jeffrey Gouweleeuw, die in der zentralen Achse das Baum’sche Denken verinnerli­cht haben. Oder wie ein Michael Gregoritsc­h, der beim Hamburger SV aussortier­t wurde und jetzt beim FCA wie ein Rohdiamant geschliffe­n wird. Baum sagt: „Dessen Arbeit gegen den Ball wurde extrem unterschät­zt. Der hat sich da aber gut entwickelt. Wie der die Bälle geklaut hat, wie er nach vorne und hinten marschiert ist und dann das Tor schießt. Das war wichtig für ihn, dass er den Zusammenha­ng zwischen Arbeit und Erfolg versteht.“

Bei aller Taktikaffi­nität, für Baum ist sie kein Selbstzwec­k. „Taktik ist wichtig, aber am wichtigste­n ist es, dass die Mannschaft ein gutes Gefühl hat, in die Zweikämpfe kommt, 274 Sprints absolviert und immer noch Spaß dabei hat, weil sie den Erfolg sieht. Dann haben wir mit unserer Idee unser Ziel erreicht.“

Dafür will sich Baum auch für die Partie nach der Länderspie­lpause beim FSV Mainz 05 am 15. September wieder etwas einfallen lassen. „Das wird ganz anders sein. Die haben andere Spielertyp­en und eine ganz andere Spielphilo­sophie.“Die Lösung hat er aber schon längst auf dem Trainingsp­latz mit dem Schachmust­er üben lassen.

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Ein Blick von oben zeigt die besonderen Markierung­en auf den Trainingsp­lätzen des FC Augsburg.

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