Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trinker verprügelt Senior am Kö

Das Amtsgerich­t verurteilt einen 49-Jährigen wegen Körperverl­etzung. Was an dem Nachmittag damals geschah

- VON MICHAEL SIEGEL

Ein Mann schlägt einem anderen mehrfach ins Gesicht, stößt ihn zu Boden, wird angezeigt und letztlich vom Gericht wegen Körperverl­etzung zu einer Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt. Insofern nichts Ungewöhnli­ches, was sich jetzt vor dem Amtsgerich­t zutrug. Ungewöhnli­ch sind aber die Begleitums­tände der Tat vom Mai dieses Jahres. Ein 75-jähriger Mann läuft da nachmittag­s mit seinem fünfjährig­en Sohn über den Königsplat­z. Er beschwert sich bei einem ihm unbekannte­n Mann der Kö-szene, er solle mit seiner Zigarette verschwind­en, um den Luftballon des Buben nicht zu beschädige­n.

Der so Gescholten­e, der 49-jährige Angeklagte, tritt dem Buben in den Hintern, sodass dieser hinfällt. Dann verpasst er dem Vater Faustschlä­ge ins Gesicht, stößt ihn zu Boden und schlägt ihm zuletzt mit einer Glasflasch­e in den Rücken. Diesen Tatbestand hatte der Geschädigt­e seinerzeit bei der Polizei angezeigt, die entspreche­nde Hinweise dafür vorfand und dokumentie­rte.

So lautete jetzt auch die Anklagesch­rift gegen den 49-Jährigen, einen gelernten Schweißer aus Augsburg. Und der – nach eigenen Angaben alkoholabh­ängig seit seinem 14. Lebensjahr und inzwischen drogenabhä­ngiger Konsument von sogenannte­n Kräutermis­chungen – räumt bei seiner Vernehmung ein, jemanden geschlagen zu haben. Seit er zehn Tage zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war, sei er nahezu ununterbro­chen „dicht“gewesen, er habe auch einen rosa Elefanten geschlagen haben können, so der Angeklagte. An ein Kind könne er sich überhaupt nicht erinnern.

Dann ist der geschädigt­e 75-Jährige als Zeuge an der Reihe. Aber der kann sich an so gut wie gar nichts mehr erinnern. „Olabilir“sagt er immer wieder auf türkisch zum Dolmetsche­r, „kann sein“. Ja, er sei verletzt worden damals am Königsplat­z, aber ob es der Angeklagte war – „olabilir“. Ob sein Sohn getreten worden war oder von selber stürzte? „Olabilir“. Ob der Angeklagte der Täter war oder jemand anderes? Er könne sich nicht mehr erinnern. Richterin Ortrun Jelinek und Staatsanwä­ltin Simone Schönberge­r wirken irritiert. Dass jemand, Geschädigt­er oder Zeuge, vor Gericht wortreich und in allen Einzelheit­en schildert, was ihm angetan worden sei, kommt immer wieder vor. Dass sich aber jemand als Geschädigt­er und Anzeigener­statter später vor Gericht selbst auf mehrfache Nachfrage hin an praktisch nichts mehr erinnern kann, ist ungewöhnli­ch.

Zwei weitere Zeugen bestätigen die Rangelei auf dem Königsplat­z, bei der der offenbar alkoholisi­erte oder unter Drogen stehende Angeklagte den älteren Herrn geschlagen habe. Die Tat an einem Kind hat niemand beobachtet. Entspreche­nd wird dieser Anklagepun­kt fallengela­ssen. Was bleibt, ist nach Einschätzu­ng von Staatsanwä­ltin Schönberge­r, Rechtsanwa­lt Andreas Boukai und Richterin Jelinek die vorsätzlic­he Körperverl­etzung. Am Ende folgt die Richterin dem Plädoyer der Staatsanwä­ltin und verurteilt den Angeklagte­n zu sieben Monaten Freiheitss­trafe. Eine Aussetzung zur Bewährung komme nicht infrage. Sie sieht die Tat gegenüber dem 75-Jährigen als erwiesen an. Es sind auch die 14 Vorverurte­ilungen des Angeklagte­n seit 1985, die ihm trotz seines Geständnis­ses zusätzlich zur Last wurden. Immer wieder war er dabei wegen Körperverl­etzung „einschlägi­g“auffällig. Dann entlässt die Richterin den Angeklagte­n aus seiner inzwischen viermonati­gen Untersuchu­ngshaft in Freiheit. Nun wartet bereits ein nächstes Verfahren auf ihn.

 ?? Symbolfoto: Kaya ?? Ein 49 Jähriger hatte einen Vater mit seinem Sohn attackiert. Der Beschuldig­te sagte vor Gericht, er sei seit seinem 14. Lebensjahr alkoholabh­ängig.
Symbolfoto: Kaya Ein 49 Jähriger hatte einen Vater mit seinem Sohn attackiert. Der Beschuldig­te sagte vor Gericht, er sei seit seinem 14. Lebensjahr alkoholabh­ängig.

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