Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Freiheit und Angst
Freiheit und Angst sind Gegensätze. Aber unsere gesellschaftlichen Debatten sind angstbesetzt. Da ist die Angst vor dem Verlust der freiheitlich demokratischen Ordnung, die Angst vor Überfremdung, die Angst vor rechtsradikalen Umtrieben und die Angst vor den Folgen der digitalen Revolution. Natürlich gibt es Gründe, diese Entwicklungen kritisch zu betrachten. Aber wer aus Angst um die Freiheit die Rechte der Bürger beschneiden will, schadet dieser.
Wer aus Angst die Zuwanderung von Menschen aus bestimmten Religionen verbieten will, verletzt die Religionsfreiheit, statt zu formulieren, welche Bedingungen für den Genuss dieser Freiheit gelten. Wer den politischen Gegner in die rechte Ecke stellt, verhindert den Dialog über dessen berechtigte Anliegen. Wer sich aus Angst den Entwicklungen der digitalen Revolution verweigert, vergibt die Chance, zukunftsfähige Modelle für den Umgang damit zu gestalten. Es braucht einen angstfreien Dialog, es braucht Freiheit von den eigenen Ängsten für einen sinnvollen Umgang mit den Problemen der Zeit. Als Christen sind wir zur Freiheit berufen. Freiheit hat auch religiöse Wurzeln. Die Freiheit eines Christenmenschen ist zunächst innere Freiheit, die in der Gewissheit des Glaubens gründet: Ich bin Gott recht. Ich muss mir meine Daseinsberechtigung nicht verdienen, ich muss Gott nicht beweisen, dass ich liebenswert bin, weil er mich um Jesu willen liebt, vor allem, was ich tun könnte. Die Gewissheit, Gottes Kind zu sein, macht frei von Angst um sich selbst aber auch von der Angst vor Menschen. Wer von Gott angesehen ist, der braucht keine Angst um sein Ansehen bei den Menschen haben. Diese christliche Freiheit führt zu einer Lebenshaltung, die sich berufen weiß, diese Freiheit zu nutzen, sie zum Guten einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht ist das der Dienst der Kirchen heute: durch die Verkündigung des Evangeliums Menschen diese Freiheit neu zuzusprechen, dazu zu helfen, die Freiheit wertzuschätzen.