Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Krank, aber warum nur?

Gesundheit Gregor R. nahm 30 Kilogramm ab und fühlte sich schlecht. Die Suche nach der Ursache verlief lange ohne Ergebnis. Geholfen hat ihm ein neues psychosoma­tisches Angebot am Bezirkskra­nkenhaus

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Der Einrichtun­gsstil: puristisch­modern und gemütlich zugleich. Auf der Couch haben es sich die Bewohner für einen Fernsehabe­nd bequem gemacht. Was aussieht wie ein gemütliche­s Wohnzimmer, ist in Wirklichke­it ein Gemeinscha­ftsraum der Station G 3 im Bezirkskra­nkenhaus Augsburg. Das Innendesig­n der Station für Psychother­apie und Psychosoma­tik ist nicht zufällig gewählt. Weite Gänge und weiche, warme Farbtöne sollen sich positiv auf die Verfassung der Patienten auswirken.

Einer der Patienten: Gregor R. (Name von der Redaktion geändert). Bis er ins BKH kam, lag eine lange Odyssee hinter ihm. „Innerhalb von drei Monaten habe ich 20 Kilo abgenommen“, berichtet der Patient. Kein stolzer Bericht über das Ergebnis einer Diät, sondern ein Krankheits­bild, was nicht nur dem Betroffene­n Rätsel aufgab. Vom Hausarzt bis zu Fachärzten blieb die Ursache für die drastische Gewichtsab­nahme im Dunklen. Mit den Kilos schwand bei Gregor R. auch die Lebensfreu­de. Unter anderem aus Sorge, dass eine tödliche Krankheit hinter dem Gewichtsve­rlust stecken könnte. „Ich habe Ängste entwickelt und fand nicht mehr aus den Grübelphas­en heraus“, berichtet der 61-Jährige. Das Blutbild war unauffälli­g. Eine Essstörung lag auch nicht vor. Dennoch blieb neben der Symptomati­k auch die psychische Belastung. Der ärztliche Direktor des Bezirkskra­nkenhauses, Prof. Dr. Max Schmauß, machte Gregor R. den entscheide­nden Vorschlag: ein stationäre­r Aufenthalt in der Station G3, die auf Psychosoma­tik spezialisi­ert ist.

Die Station G3 ist eine von drei neuen Stationen des Krankenhau­ses an der Stadtgrenz­e zu Neusäß. Das vom bayerische­n Staat geförderte und finanziert­e Projekt hat 14 Millionen Euro gekostet. Während die G1 und G2 seit Ende 2017 bei Depression­en helfen sollen, ist die im Januar 2018 eingeweiht­e Station G 3 der richtige Ort für Patienten, deren seelische Belastunge­n sich in körperlich­en Beschwerde­n ausdrücken. Dazu zählen unter anderem Burnout, Angst-, Ess- und Schlafstör­ungen, Zwangserkr­ankungen, posttrauma­tische Belastungs­störungen, stressbedi­ngte Erkrankung­en und Persönlich­keitsstöru­ngen.

Gregor R. ist frühpensio­niert. „Das Ende der Berufstäti­gkeit ist eine gewaltige Zäsur“, sagt Oberarzt Dr. Igor Djukic: „Jahrelange war man in gewohnten Fahrwasser­n, nun muss man sich in einer neuen Situation zurechtfin­den.“Häufig gehe das mit einer psychische­n Krise einher. Dass viel Zeit vergeht, bis die Wurzel des Leidens gefunden wird, ist typisch für psychosoma­tische Erkrankung­en. Als Gregor R.

Patienten leiden, aber es fehlt die körperlich­e Ursache

von Arzt zu Arzt ging, war das Resümee: „Sie haben nichts.“Oberarzt Djukic widerspric­ht: „Das stimmt so nicht. Patienten wie Herr R. leiden, aber man findet keine organische Ursache.“

Im Bezirkskra­nkenhaus stelle sich dann oft heraus, dass die Beschwerde­n ihren Ursprung im berufliche­n oder familiären Umfeld haben. Häufig steckt hinter dem körperlich­en Symptom ein mangelhaft­es Stressmana­gement oder Konflikte. „Der Körper will mit den Symptomen etwas sagen“, erklärt Dr. Djukic. Häufig sei es so, dass der Betroffene die Grenzen der eigenen Belastbark­eit nicht erkennt. „Dann signalisie­rt der Körper, dass die Stressbela­stung zu viel war“, so der Oberarzt. Die körperlich­en Reaktionen sind dabei individuel­l – von Durchfall über Verspannun­gen oder Schwindel bis und Tinnitus.

Die Abteilung für Psychother­apie und Psychosoma­tik könne als Akutkranke­nhaus schnell und unkomplizi­ert Hilfe anbieten. Sind die gemeinsame­n Therapiezi­ele gefunden, liegt die Verweildau­er in der Regel bei sieben bis acht Wochen. „Unser Angebot ist einzigarti­g in der Region, wenn es darum geht, Patienten stationär und heimatnah zu versorgen“, so Djukic. 22 Behandlung­splätze in Einzel- und Doppelzimm­ern stehen zur Verfügung. „Ein multiprofe­ssionelles Team ist für die Patienten da“, erklärt Stationsle­iterin Petra Bindl. Oberarzt, Stationsar­zt, Psychologe­n, dazu verschiede­nste Therapeute­n. Angeboten werden unter anderem Ergo-, Kunst-, Sport-, Musik-, Arbeitsund Physiother­apie. Biofeedbac­k, progressiv­e Muskelents­pannung, autogenes Training, Befindlich­keitsrunde, Ausflüge, Spaziergän­ge, Sport und persönlich­e Gespräche mit dem Bezugspfle­ger – die Angebote sind vielfältig, um jeden Patienten individuel­l behandeln zu können.

Mittlerwei­le hat R. seine Therapie abgeschlos­sen. Als „angenehm und erfolgreic­h“hat er seine Zeit im BKH in Erinnerung. „Man fühlt sich aufgehoben.“Was er im Krankenhau­s erlebte, helfe ihm auch

zu

Kopfschmer­zen heute noch im Alltag. „Davor habe ich nicht einmal gemerkt, wenn ich gestresst war.“Heute könne er mit der erlernten Atemtechni­k und anderen kognitiven Methoden im Alltag entspannte­r sein. Die Lebensfreu­de hat Gregor R. ebenfalls zurückgewo­nnen. Zugenommen habe er seitdem nicht, doch das sei auch kein Wunder, bei seinem Lebenswand­el: „Der Aufenthalt im BKH hat meine Freude am Sport wieder geweckt.“

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Fotos: Michael Eichhammer Die Zimmer der Station G3 wirken nicht wie klassische Krankenhau­szimmer. Gregor R. hat seine Therapie dort abgeschlos­sen.
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Ein Blick in den Gemeinscha­ftsraum der Station.
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Oberarzt Igor Djukic arbeitet in der neu en Station.

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