Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie über „Chemnitz“berichten?
Debatte über die richtige Gewichtung
„Willkommen in der Zukunft“war das Motto des „Zeitungskongress 2018“. Für Diskussionen in der Medienbranche sorgte allerdings ein Blick zurück auf die jüngere Vergangenheit von Mathias Döpfner. Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger und Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE (Bild, Die Welt) beschäftigte sich am Dienstag in Berlin in einer Rede unter anderem mit der Berichterstattung über „Chemnitz“und „Köthen“: In den vergangenen Monaten seien mehrere Deutsche durch die Hand von Flüchtlingen gestorben – und darüber habe er sich „nicht immer gut informiert gefühlt. Und ich bin mir nicht sicher, ob das Prinzip Zeitung in allen Fällen seiner Verpflichtung zur Wahrheit gerecht geworden ist“, sagte er.
Medienkritisch führte er aus: „Fand in Chemnitz eine Hetzjagd auf Ausländer in der Folge der Ermordung eines 35-Jährigen durch zwei Asylbewerber statt? Oder gar ein ,Pogrom‘, wie eine bekannte Journalistin öffentlich verkündete?“Seien die „Aufwallungen in den Städten – von links wie von rechts – wirklich nicht nur so wichtig wie, sondern noch wichtiger als die Todesfälle an sich?“Am Tag nach dem möglichen Mord in Chemnitz hätten „null von zwölf überregionalen Medien“, die er sich angeschaut habe, auf der Titelseite berichtet. „Einen weiteren Tag drauf“, so Döpfner, „berichten zehn Zeitungen über den Aufmarsch zorniger Bürger und geifernder Neonazis; aber nur eine Zeitung nennt in gleicher Größe den möglichen Mord als Grund.“
Der Eichstätter Journalistik-Professor Klaus Meier reagierte darauf am Mittwoch mit einem offenen Brief auf Meedia.de: „Dass die Zeitungen zu wenig und zu wenig prominent über die Straftaten von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen Ausländern berichten würden, ist ein wesentlicher Teil der Propaganda rechtsnationaler Gruppierungen.“Die von Döpfner beschworene „Verpflichtung zur Wahrheit“bedeute „also ganz im Gegenteil, dass die Zeitungen die Realität nicht übertrieben verzerren (...) sollten“. Dass null von zwölf überregionalen Tageszeitungen über einen Totschlag in Chemnitz berichtet hätten, entspreche „absolut den journalistischen Qualitätsstandards. Die Zeitungen müssten sonst im Schnitt an jedem Tag im Jahr über einen Mord oder Totschlag auf der Titelseite berichten“. Die Diskussion wird weitergehen. (wida)