Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Macht des Wortes
Der „Slam“in Augsburg ist 20 Jahre geworden. Das Fest dazu steigt im Martinipark
Poesie und Prosa: Was nach Bildungsbürgertum klingt, erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance im Poetry Slam. Der „Poesiewettbewerb“ist ein Literaturvortrag mit einfachen Regeln: Jeder Wortkünstler hat eine begrenzte Zeit, um die Gunst des Publikums zu erlangen. Er trägt eigene Texte vor, Requisiten sind nicht erlaubt. Die Texte sollen zum Nachdenken anregen, oder einfach nur zum Schmunzeln sein, sie handeln von Privatem, Geschichten oder Weltanschaulichem. Am Ende wird ein Sieger gekürt. Den Ursprung hatte das „Wortgefecht“in den USA in den 1980er Jahren. Seit mittlerweile 20 Jahren finden Poetry Slams regelmäßig in Augsburg statt. Die Stadt gehört damit zu den zehn ältesten deutschen Slam-städten und war bereits Austragungsort der Deutschsprachigen Meisterschaften. Zum 20-jährigen Jubiläum wurde am Sonntagabend der „Grand Slam“im Martini-park gefeiert.
Slam-master Horst Thieme, Organisator und Schiedsrichter, eröffnete vor ausverkauftem Haus mit einem Rückblick in die Entstehungszeit des Poetry Slams in Augsburg. Angefangen im Blauen Salon im alten Hauptkrankenhaus wurden die Räumlichkeiten schnell zu klein. Auch die Kresslesmühle platzte bald aus allen Nähten. Zuletzt waren die Slams auf der Brechtbühne Wochen im Voraus ausverkauft.
Auch das kann Poetry Slam sein: Während in der Comedy Politisches eher verpönt ist, knüpft der Slam an das Politik-kabarett an und gibt den Poeten die Möglichkeit, ihre politische Meinung geistreich zu vertreten. Als Spiegel der Gesellschaft ist der Poetry Slam deshalb gerade bei jungen Leuten beliebt.
Die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth gratulierte zum 20-jährigen Jubiläum mit den Worten: „If you don’t understand the poem – feel it!“. Der Augsburger Kulturreferent Thomas Weitzel bezeichnete die lokale Slam-szene als Talentschuppen.
Der Musiker und Slam-poet Martin Schmidt führte jeweils zu Beginn der zwei Halbzeiten mit seiner Loop-station einen Wortgesang auf. Pro Halbzeit wurden fünf Slamkandidaten auf die Bühne gebeten. Der Sieger der jeweiligen Halbzeit wurde per Applaus gewählt und stand am Schluss im Finale. Skog Ogvann aus Leipzig überragte mit sehr amüsanten Wortspielen in seinem Gedicht „Fräulein Barbara von Rar“, brachte den Saal zum Beben und zog ins Finale ein. Der Münchner Alex Burkhard hatte mit seinen Possen des Skandivanistik-studiums das Nachsehen.
In der zweiten Hälfte war es ein Kopf an Kopf Rennen zwischen Lasse Samström aus Bonn und Meike Harms aus Gilching bei München. Der Bonner vertauschte in seiner „Rede zur Lage der Nation“die Buchstaben der Wörter und sprach über „Butwürger“und „Fazipisten“. Seine schauspielerischen Fähigkeiten suchten seinesgleichen. Das Publikum entschied sich jedoch für Meike Harms, welche inspiriert von der englischen Aussprache ihres Vaters, ein Tiergedicht namens „Fink positive“vortrug und sich dabei das ein oder andere Mal von Rainer Maria Rilke beflügeln ließ. Im Finale referierte die Finalistin verpackt in einem Fußballkommentar über die Prokrastination, auch „Aufschieberitis“genannt. Ihr Herausforderer Skog Ogvann präsentierte seine dadaistische Prosa: „Gelassasa o bim, o bim“. Zur Feier des Tages wurden beide Finalisten als Sieger geehrt.
Im Gespräch erklärte der Organisator Horst Thieme, es sei ein schönes Gefühl, wenn man als Slammaster die Kandidaten aufblühen sieht und über die Jahre den Werdegang der Künstler mitbekommt. Sein bisher größtes Erlebnis sei die Deutschsprachige Meisterschaft im Jahr 2015 in der Kongresshalle mit mehr als 1500 Besuchern gewesen. Darüber hinaus sei sein Ziel, das in der Stadtkultur akzeptierte Event „Poetry Slam“weiter zu entwickeln, dabei aber authentisch und ehrlich zu bleiben. Augsburg soll Slam-plattform bleiben, die Zuschauer sollen die Künstler anfassen können. Der Gewinner Skog Ogvann führte weiter aus: „Der Poetry Slam ist ein individuelles Format, bei welchem der Zuschauer etwas über sich selbst erfahren kann. Ich halte ihm nur den Spiegel vor.“