Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Gericht spricht Friedhofsverwalter frei
Die Affäre beschäftigt seit drei Jahren Stadtverwaltung, Politik und Justiz. Mehrere Arbeiter haben zugegeben, dort in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Ihr ehemaliger Chef Gerd Koller wurde nun aber entlastet
Er wirkt jetzt erleichtert, gut drei Jahre, nachdem der „Meteorit“in seinem Leben eingeschlagen ist, wie Gerd Koller selbst es nennt. Es war im Juni. Damals standen plötzlich Polizisten auf dem Nordfriedhof. Es gab eine Razzia. Mehrere Arbeiter, so lautete der Verdacht der Ermittler, sollen bei Grabarbeiten in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Kurz darauf geriet auch deren Chef, Friedhofsverwalter Gerd Koller, ins Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, die Geschäfte der Arbeiter gedeckt und sich daran beteiligt zu haben. Nun allerdings ist der Verdacht in sich zusammengefallen. Koller, 66, ist vom Amtsgericht von den Vorwürfen freigesprochen worden.
Die Friedhofsaffäre ist ein Politikum. Vor allem deshalb, weil Koller und die Arbeiter gemeinsam in der CSU aktiv sind. Koller ist in der Stadt bekannt. Er engagierte sich ehrenamtlich und hatte beste Verbindungen bis in die Stadtspitze. Davon ist nicht viel geblieben. Das Amt des Chefs im Innenstadt-ortsverband der CSU lässt er aktuell ruhen. Ein Vorstandsamt bei einem Krebshilfe-verein habe er ebenfalls niederlegen müssen, sagt sein Anwalt. Nun allerdings kann Koller darauf hoffen, dass sein Engagement weitergehen kann. Denn was Richterin Ulrike Ebel-scheufele in der Urteilsbegründung sagte, entspricht einem Freispruch erster Klasse.
Es ging in dem Verfahren um die Frage, ob Gerd Koller als Chef des Nordfriedhofs wusste, dass mehrere Arbeiter nebenbei alte Gräber abräumen – an Steuer und Stadt vorbei. Und es stand der Vorwurf im Raum, er habe zusammen mit einem Arbeiter Handel mit gebrauchten Grabsteinen betrieben, auch auf eigene Rechnung. Nach dem zweitägigen Prozess legte nun aber auch die Staatsanwaltschaft eine Kehrtwende hin. Es gebe keine Belege dafür, dass Koller in die zweifelhaften Geschäfte verwickelt gewesen sei, sagte Staatsanwältin Yvonne Möller. Er sei daher freizusprechen.
Der Freispruch hatte sich bereits am ersten Prozesstag abgezeichnet. Entscheidend waren die Aussagen der drei Arbeiter, die auf dem Nordfriedhof auf eigene Rechnung gearbeitet haben. Sie gaben als Zeugen zu, dass sie nebenbei arbeiteten. Gleichzeitig sagten aber auch alle drei aus, dass die Schwarzgeschäfte hinter dem Rücken des Verwalters abgewickelt worden seien. Koller
Es gibt einen lateinischen Satz, der als grundlegend gilt für den Rechtsstaat. „In dubio pro reo.“Was so viel heißt wie „Im Zweifel für den Angeklagten.“Das ist ein wichtiges Prinzip. Gleichzeitig kann es aber auch eine Last sein für einen Angeklagten. Denn nach einem Freispruch ist oft die Rede davon, er sei aus Mangel an Beweisen ergangen. Ein Tatnachweis sei eben nicht zu führen gewesen.
Allerdings: So etwas sieht das deutsche Strafrecht nicht vor. Freispruch ist Feispruch. Das muss auch für Gerd Koller gelten, der unter Verdacht stand, die Schwarzgeschäfte habe nichts gewusst. Im Gegenteil, meinte einer der Arbeiter. Er sei bei ihnen als sehr korrekt bekannt gewesen, deshalb hätten sie die Sache vor ihm verborgen gehalten.
Ein anderer Arbeiter belastete den Verwalter vor Gericht. Er kritisierte Kollers Führungsstil und bemängelte, der Chef sei seinen Andeutungen, dass es Unregelmäßigkeiten auf dem Friedhof gebe, nicht nachgegangen. Allerdings: Konkrete Belege für eine mögliche Mitwissenschaft blieb auch er schuldig. Richterin Ulrike Ebel-scheufele merkte kritisch an, der Zeuge habe im Prozess einen starken „Belastungseifer“an den Tag gelegt.
Verteidiger Richard Beyer kritisierte in seinem Plädoyer, Gerd Koller sei durch das Verfahren und die Berichte darüber „vernichtet“worden. Koller habe deutlich früher als von der Stadt fest zugesagt in Rente gehen müssen. Deswegen müsse er nun als Fahrer arbeiten. Gleichzeitig sagte der Anwalt auch, es sei für Außenstehende tatsächlich schwer nachzuvollziehen, dass hinter dem Rücken eines Chefs gemauschelt werde, ohne dass dieser etwas ahne. Auf dem Nordfriedhof sei aber genau das der Fall gewesen. Die Verantwortung
Die Staatsanwaltschaft legt eine Kehrtwende hin
Es gab bei der Stadt keine Kontrollinstanz
dafür sieht Beyer bei der Stadt. Es gebe in der Verwaltung keine Kontrollinstanz, die solche Missstände vermeide oder aufdecke. Gleichzeitig habe man den Friedhofsverwaltern nahezu keine Vorgaben gemacht, wie sie ihre Aufgaben zu erledigen haben.
Als ein Beispiel dafür entpuppte sich im Prozess der Handel mit gebrauchten Grabsteinen. Mehrere Zeugen bestätigten, dass es auf allen Friedhöfen üblich war, alte Grabsteine weiterzuverkaufen. Das wurde vom Grünamt so abgenickt. Jedoch wieder ohne konkrete Anweisungen, wie das abzuwickeln ist. So war es etwa möglich, diese Geschäfte komplett auf einen der Arbeiter zu übertragen – so wie es Gerd Koller auf den Nordfriedhof mit seinen weit über 10 000 Gräbern getan hat.
Die drei beschuldigten Friedhofsarbeiter sind bereits im Frühsommer vom Amtsgericht zu Bewährungsstrafen von bis zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht. Es wird einen Berufungsprozess gegeben. Die Verteidiger der Arbeiter hatten zwar alle in ihren Plädoyers festgestellt, dass es „Mauscheleien“auf dem Friedhof gegeben habe. Strafrechtlich relevant seien die Vorgänge aber aus ihrer Sicht nicht gewesen.