Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Caritas: Aufbruch nach dem Großbrand

Ein Gottesdien­st am Ort, an dem vor drei Monaten ein Gebäude komplett zerstört wurde, soll Mut machen. Die Pläne für den Neubau sind konkret, der Fahrplan steht. Wie es den Beschäftig­ten geht

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es ist ein durchaus ungewöhnli­ches Bild, das sich am Montag um 8 Uhr in Göggingen am etwas versteckt liegenden Areal in der Depotstraß­e zeigt. Inmitten einer freien Fläche stehen Stühle, die von etwas mehr als 100 warm eingepackt­en Menschen besetzt sind. Vorne steht ein Tisch mit einer brennenden Kerze. Ein Kreuz hängt daneben. Zwei Menschen machen Musik. Die Pfarrer Karl Mair und Heinrich Weiß fordern zum gemeinsame­n Gebet auf. Mit den Caritas-beschäftig­ten wird zu vergleichs­weise früher Stunde ein Gottesdien­st gefeiert. Er findet am Ort statt, an dem es vor drei Monaten gebrannt hat. Das Caritas-haus wurde komplett zerstört. Es entstand ein Millionens­chaden. Menschen wurden glückliche­rweise nicht verletzt. Die Polizei ging von Brandstift­ung aus. An diesem Stand hat sich bis heute nichts geändert. Ein anfangs Tatverdäch­tiger leugnet. Ihm konnte die Brandstift­ung nicht nachgewies­en werden.

Versicheru­ngsrechtli­ch gibt es für die Caritas zumindest kein Problem. Der Schaden, der entstanden ist, wird ersetzt. Es wird einen Neubau am Brandort geben, der das Ebenbild des Vorgängerb­aus sein wird. Mit dem Bau soll im Frühjahr 2019 begonnen werden. Wenn alles gut könnte Ende 2019 der Einzug der Mitarbeite­r sein. Das Gebäude wird allerdings teurer werden als der Vorgängerb­au. Wurden im Jahr 2010 rund drei Millionen Euro investiert, sind es nun 4,2 Millionen Euro. Hier machen sich nicht allein gestiegene Baupreise bemerkbar. Wegen des Brands müssen das Inventar und die für die Caritas wichtige Großküche komplett erneuert werden. Dies sagt Caritas-geschäftsf­ührer Walter Semsch gegenüber unserer Zeitung. Nicht nur er ist glücklich, dass es für die Caritas am Standort in der Depotstraß­e eine Zukunft geben wird.

Beim Gottesdien­st werden dann immer wieder emotionale Töne angeschlag­en. Semsch spricht über den Abend des 8. Juli, als er über den verheerend­en Brand informiert worden sei. Noch in der Nacht habe er gegen 4 Uhr gemeinsam mit einem Feuerwehrm­ann – beide trugen Atemschutz­masken – das Haus betreten. Zunächst habe der Verwaltung­strakt von außen noch so ausgesehen, erinnerte sich Semsch am Montag, „dass es gar nicht so schlimm sein wird“. Semsch ging rein. Was er selbst sah und vom Feuerwehrm­ann zu hören bekam, war eine Schreckens­nachricht. Das Gebäude müsse komplett abgerissen werden. Aus und vorbei. „Es war für mich die niederschm­etterndste Stunde“, sagte Semsch beim Gottesdien­st. Danach sei jedoch etwas eingetrete­n, was nun auch am Montag zu spüren ist: Die Caritas rückte zusammen, Menschen von außen versprache­n nicht nur Hilfe. Sie packten selbst tatkräftig mit an oder spendeten Geld.

Viele Tränen seien in den ersten Momenten geflossen, als bei Tageslicht das Ausmaß des Großbrande­s für die Mitarbeite­r offenkundi­g war, sagt Semsch. Mitarbeite­r hatten mit einem Schlag ihren Arbeitspla­tz in der Depotstraß­e verloren. Auch daran erinnerte Semsch am Montag und verwies zugleich auf erste Aussagen von damals. Eine Person, die als Ein-euro-jobber für die Caritas tätig war, sagte: „Ich habe meine Heimat verloren.“Das sollte und durfte nicht sein. Die Caritas reagierte kurzfristi­g. Fast alle der 120 Beschäftig­ten, die in der Depotstraß­e arbeiteten, kamen an zwei anderen Standorten im Stadtgebie­t unter. Ausnahme: Die Großküche muss bis auf Weiteres geschlosse­n bleiben. Frauen, die hier beschäftig­t waren, ist versproche­n, dass sie beim Neustart wieder berücksich­tigt werden, sofern sie selbst diesen Wunsch dann äußern. Einige sind derzeit schwanger.

Der Ausfall der Küche ist für die Caritas unter den geltenden Rahmenbedi­ngungen der einschneil­äuft, dendste Punkt. Hilfsbedür­ftigen fehlt im Umfeld der Depotstraß­e dieses Angebot. Zudem war die Küche „gut im Geschäft“. Nahezu 400 Essen pro Tag wurden gemacht, davon 250 an Kindertage­sstätten ausgeliefe­rt. „Diese Küche für alle wird tatsächlic­h vermisst“, sagt Semsch.

Nicht nur er freut sich darauf, dass es mit dem Neubau bald losgeht. Die Zusammenar­beit mit der Stadt funktionie­re, die Unterstütz­ung für den bereits eingereich­ten Bauantrag sei spürbar. Sollte es mit dem Einzug zum Jahresende 2019 klappen, ist davon auszugehen, dass die Caritas ein rauschende­s Fest feiert, bei dem der religiöse Gedanke nicht zu kurz kommen wird.

Pfarrer Mair, der am frühen Montag aus Marktoberd­orf nach Augsburg anreiste, machte dies exemplaris­ch an seiner Route fest: „Ich bin im dichten Nebel losgefahre­n, Lichter an den Straßen wiesen mir den Weg. Gott gibt in diesen schwierige­n Zeiten für die Caritas die Lichtzeich­en für unseren Weg.“Beim Gottesdien­st gab es eine Fürbitte an den Brandstift­er. Man möge ihm seine Tat verzeihen, hieß es. Die Caritas-mitarbeite­rn scheinen es zu tun. » Im Internet

Ein Video und Bilder finden Sie unter augsburger-allgemeine.de/augsburg

 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad (2), Ulrich Wagner ?? Hinten am vom Feuer verschont gebliebene­n Warenlager der Caritas in der Depotstraß­e fand Montagfrüh ein Gottesdien­st statt. Drei Monate nach dem Großbrand, der das Caritas-gebäude vernichtet hatte, gibt es frohe Kunde: Die Planungen für den Neubau laufen. Dann wird der freie Platz nicht länger leer bleiben.
Fotos: Silvio Wyszengrad (2), Ulrich Wagner Hinten am vom Feuer verschont gebliebene­n Warenlager der Caritas in der Depotstraß­e fand Montagfrüh ein Gottesdien­st statt. Drei Monate nach dem Großbrand, der das Caritas-gebäude vernichtet hatte, gibt es frohe Kunde: Die Planungen für den Neubau laufen. Dann wird der freie Platz nicht länger leer bleiben.
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So sah es am 8. Juli aus beim Großbrand im Caritas-gebäude.

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