Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Caritas: Aufbruch nach dem Großbrand
Ein Gottesdienst am Ort, an dem vor drei Monaten ein Gebäude komplett zerstört wurde, soll Mut machen. Die Pläne für den Neubau sind konkret, der Fahrplan steht. Wie es den Beschäftigten geht
Es ist ein durchaus ungewöhnliches Bild, das sich am Montag um 8 Uhr in Göggingen am etwas versteckt liegenden Areal in der Depotstraße zeigt. Inmitten einer freien Fläche stehen Stühle, die von etwas mehr als 100 warm eingepackten Menschen besetzt sind. Vorne steht ein Tisch mit einer brennenden Kerze. Ein Kreuz hängt daneben. Zwei Menschen machen Musik. Die Pfarrer Karl Mair und Heinrich Weiß fordern zum gemeinsamen Gebet auf. Mit den Caritas-beschäftigten wird zu vergleichsweise früher Stunde ein Gottesdienst gefeiert. Er findet am Ort statt, an dem es vor drei Monaten gebrannt hat. Das Caritas-haus wurde komplett zerstört. Es entstand ein Millionenschaden. Menschen wurden glücklicherweise nicht verletzt. Die Polizei ging von Brandstiftung aus. An diesem Stand hat sich bis heute nichts geändert. Ein anfangs Tatverdächtiger leugnet. Ihm konnte die Brandstiftung nicht nachgewiesen werden.
Versicherungsrechtlich gibt es für die Caritas zumindest kein Problem. Der Schaden, der entstanden ist, wird ersetzt. Es wird einen Neubau am Brandort geben, der das Ebenbild des Vorgängerbaus sein wird. Mit dem Bau soll im Frühjahr 2019 begonnen werden. Wenn alles gut könnte Ende 2019 der Einzug der Mitarbeiter sein. Das Gebäude wird allerdings teurer werden als der Vorgängerbau. Wurden im Jahr 2010 rund drei Millionen Euro investiert, sind es nun 4,2 Millionen Euro. Hier machen sich nicht allein gestiegene Baupreise bemerkbar. Wegen des Brands müssen das Inventar und die für die Caritas wichtige Großküche komplett erneuert werden. Dies sagt Caritas-geschäftsführer Walter Semsch gegenüber unserer Zeitung. Nicht nur er ist glücklich, dass es für die Caritas am Standort in der Depotstraße eine Zukunft geben wird.
Beim Gottesdienst werden dann immer wieder emotionale Töne angeschlagen. Semsch spricht über den Abend des 8. Juli, als er über den verheerenden Brand informiert worden sei. Noch in der Nacht habe er gegen 4 Uhr gemeinsam mit einem Feuerwehrmann – beide trugen Atemschutzmasken – das Haus betreten. Zunächst habe der Verwaltungstrakt von außen noch so ausgesehen, erinnerte sich Semsch am Montag, „dass es gar nicht so schlimm sein wird“. Semsch ging rein. Was er selbst sah und vom Feuerwehrmann zu hören bekam, war eine Schreckensnachricht. Das Gebäude müsse komplett abgerissen werden. Aus und vorbei. „Es war für mich die niederschmetterndste Stunde“, sagte Semsch beim Gottesdienst. Danach sei jedoch etwas eingetreten, was nun auch am Montag zu spüren ist: Die Caritas rückte zusammen, Menschen von außen versprachen nicht nur Hilfe. Sie packten selbst tatkräftig mit an oder spendeten Geld.
Viele Tränen seien in den ersten Momenten geflossen, als bei Tageslicht das Ausmaß des Großbrandes für die Mitarbeiter offenkundig war, sagt Semsch. Mitarbeiter hatten mit einem Schlag ihren Arbeitsplatz in der Depotstraße verloren. Auch daran erinnerte Semsch am Montag und verwies zugleich auf erste Aussagen von damals. Eine Person, die als Ein-euro-jobber für die Caritas tätig war, sagte: „Ich habe meine Heimat verloren.“Das sollte und durfte nicht sein. Die Caritas reagierte kurzfristig. Fast alle der 120 Beschäftigten, die in der Depotstraße arbeiteten, kamen an zwei anderen Standorten im Stadtgebiet unter. Ausnahme: Die Großküche muss bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Frauen, die hier beschäftigt waren, ist versprochen, dass sie beim Neustart wieder berücksichtigt werden, sofern sie selbst diesen Wunsch dann äußern. Einige sind derzeit schwanger.
Der Ausfall der Küche ist für die Caritas unter den geltenden Rahmenbedingungen der einschneiläuft, dendste Punkt. Hilfsbedürftigen fehlt im Umfeld der Depotstraße dieses Angebot. Zudem war die Küche „gut im Geschäft“. Nahezu 400 Essen pro Tag wurden gemacht, davon 250 an Kindertagesstätten ausgeliefert. „Diese Küche für alle wird tatsächlich vermisst“, sagt Semsch.
Nicht nur er freut sich darauf, dass es mit dem Neubau bald losgeht. Die Zusammenarbeit mit der Stadt funktioniere, die Unterstützung für den bereits eingereichten Bauantrag sei spürbar. Sollte es mit dem Einzug zum Jahresende 2019 klappen, ist davon auszugehen, dass die Caritas ein rauschendes Fest feiert, bei dem der religiöse Gedanke nicht zu kurz kommen wird.
Pfarrer Mair, der am frühen Montag aus Marktoberdorf nach Augsburg anreiste, machte dies exemplarisch an seiner Route fest: „Ich bin im dichten Nebel losgefahren, Lichter an den Straßen wiesen mir den Weg. Gott gibt in diesen schwierigen Zeiten für die Caritas die Lichtzeichen für unseren Weg.“Beim Gottesdienst gab es eine Fürbitte an den Brandstifter. Man möge ihm seine Tat verzeihen, hieß es. Die Caritas-mitarbeitern scheinen es zu tun. » Im Internet
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