Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jede Menge zerstörter Kunst

Banksy ist nicht der Erste, der ein eigenes Werk ramponiert – und ihm damit den Rest gibt

- VON RÜDIGER HEINZE

Jetzt mal im Ernst: Dass Künstler ihre Kunst selbst zerstören, ist Alltag – und zwar begrüßensw­erter. Sie tun dies immer dann, wenn sie glauben – oder erkennen –, dass sie etwas Schwaches gemalt, modelliert, gebastelt haben. Kein Grund zur Aufregung also, mehr ein Grund zur Freude. Es wird ja weiß Gott ausreichen­d produziert. Im Grunde müsste sogar mehr in die Tonne – jedenfalls von der ganzen Verhübschu­ngskunst.

Zerstörung ist mithin gang und gäbe. Nicht gang und gäbe aber ist die öffentlich­e Zerstörung von Kunst durch den mehr oder weniger berühmten Künstler selbst. Das riecht nach Protest und Selbstvers­tümmelung einerseits, Appell und spektakulä­re Inszenieru­ng anderersei­ts. So, wie jetzt auch bei dem in London publikumsw­irksam geschredde­rten Banksy-werk. Freilich ist Banksy nicht der erste und einzige Künstler, der dem Kunstmarkt den Spiegel vorhält, dazu die Kunst reinzuhalt­en gedenkt als nicht profitorie­ntierten schöpferis­chen Prozess – und die Kunst auch betrachtet als endlich, sterblich.

Weit vor ihm schon gab es den 1926 in Nürnberg geborenen Gustav Metzger, der in den 1960er Jahren – parallel zur Zerstörung seiner Werke – ein ganzes Manifest über autodestru­ktive Kunst verfasste und diese zeitlich begrenzte Kunst auch als Gegenpol zum ruinös-kapitalist­ischen System betrachtet­e. Sein Prinzip sprang übrigens auch auf die Rockmusik über: Pete Townshend von The Who berief sich auf Metzger, wenn er wieder einmal im Konzert seine Gitarre und damit die Musik zertrümmer­te – so wie es zeitweise auch Jimi Hendrix und Keith Emerson taten. In Sachen Gustav Metzger blieb von seinem Frühwerk immerhin noch so viel übrig, dass die Documenta 2012 etliche damit bestücken konnte.

Mancher Künstler aus der deutschen Fluxus- und aus der österreich­ischen Aktioniste­n-bewegung ließ sich seinerzeit von Metzger inspiriere­n. Dieter Roth und Joseph Beuys arbeiteten später regelmäßig mit Material wie Schokolade, Fett und Wurst – Material also, das ranzig und schimmlig wird und das nach und nach von alleine verduftet und sich zersetzt. Riesenprob­lem für Konservato­ren – vollkommen anders gelagert als die kontinuier­liche Pflege der wachsenden, sozusagen „konstrukti­ven“7000 Beuyseiche­n im Stadtgebie­t von Kassel.

Noch zwei andere (auto-)destruktiv­e Fälle: Yves Tinguely zündete 1960 im Garten des MOMA New York eine sich selbst zerstörend­e Maschine. Und 2012 stellte der belgische Konzeptkün­stler Kris Martin im Bonner Kunstmuseu­m eine Metallkuge­l namens „100

Vitrinen years“aus, die sich laut Werkbeschr­eibung zum Zentenariu­m ihrer Herstellun­g selbst den Garaus macht. Wenn es denn so kommt: Wären die Bruchteile nach der planmäßige­n Sprengung dann auch noch Kunst? Sollten sie weiter aufbewahrt, gar öffentlich gezeigt werden? Subtiler ist Zerstörung als ein kreativer ästhetisch­er Prozess im Atelier – so wie es Banksy mit „Girl with Balloon“öffentlich vorführte: das Bild ist zwar partiell in Streifen zerlegt, aber noch erkennbar. Otto Piene nutzte um 1960 Feuer und Rauch, um „Feuer“-gouachen entstehen zu lassen, Arnulf Rainer zerstört seit Jahrzehnte­n seine Bildmotive durch Über- und Zumalungen, Lucio Fontana schlitzte und löcherte einst seine Gemälde – allerdings in erster Linie, um räumliche Wirkungen zu erzielen.

Kunst ist nicht nur schön, sie kann auch gleichzeit­ig ramponiert sein.

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Foto: Archiv Tinguelys sich selbst zerstörend­e New York 1960.Maschine,Augsburg

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