Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
CSU und Freie Wähler – passt das?
Die beiden bürgerlichen Parteien wollen koalieren. Hinter den Kulissen wird aber hitzig diskutiert – um Geld, um Posten und die Frage, warum die CSU so abgestürzt ist. Wie Freie-wähler-chef Aiwanger die Situation nutzen will
München Nach dem tiefen Fall bei der Landtagswahl tritt die CSU die Flucht nach vorne an. Ministerpräsident Markus Söder und Parteichef Horst Seehofer wollen möglichst schnell die am Wahlabend versprochene stabile Regierung bilden. Erklärter Wunschpartner dafür sind die Freien Wähler. Schon am Mittwoch will Seehofer mit deren Chef Hubert Aiwanger sondieren, die eigentlichen Koalitionsverhandlungen soll dann Söder führen. Nach außen bemühte sich die CSU am Tag danach um Geschlossenheit, hinter verschlossenen Türen rumorte es aber. Vor allem Parteichef Seehofer geriet in der Vorstandssitzung unter Beschuss.
Der Csu-ehrenvorsitzende Theo Waigel rechnete mit der Politik der vergangenen Jahre ab und ärgerte sich über die „Anti-merkel-stimmung“in seiner Partei. „Das Wahlergebnis bedingt eine Überlegung hinsichtlich der Neuausrichtung, inhaltlich und strategisch“, sagte Wai- gel. Die CSU habe sich zu wenig um bestimmte Milieus gekümmert, beispielsweise im kirchlichen Bereich. Der interne Streit um den richtigen Kurs ist mit voller Vehemenz neu ausgebrochen. Der liberale Flügel macht den Rechtsruck der CSU während der Flüchtlingskrise für die massiven Stimmenverluste am Sonntag verantwortlich. Dazu gehört neben Waigel etwa der Europapolitiker Manfred Weber, der sich auch am Montag entsprechend positionierte. Seehofer hat unterdessen für den Asylstreit eine Mitschuld eingestanden. „Der Stil der Auseinandersetzung“sei sein größter Fehler im vergangenen halben Jahr gewesen, sagte er in der Sendung „Was nun, Herr Seehofer?“.
Insgesamt hat die CSU rund 170000 Wähler an die Grünen verloren. Gleichzeitig sind aber eben auch 160 000 Csu-anhänger zur AFD abgewandert. Das wiederum ist für den konservativen Flügel der Beweis dafür, dass die CSU zu weit in die Mitte gerückt ist und am rechten Rand zu viel Platz gelassen hat. Die ersten zwei Personalentscheidungen nach der Landtagswahl bieten für beide Csu-strömungen etwas: Die liberale Ilse Aigner soll die Nachfolge der populären Landtagspräsidentin Barbara Stamm antreten, die es nicht mehr ins Parlament geschafft hat. Und anders als in der SPD, wo der bisherige Fraktionschef Markus Rinderspacher nicht mehr kandidieren wird, soll an der Spitze der Csu-fraktion alles beim Alten bleiben: der konservative Thomas Kreuzer darf also weitermachen. Wer das Ringen um den künftigen Kurs der CSU gewinnt, ist offen. Die Parteispitze will vorerst der Bildung einer Regierung alles andere unterordnen. Erst wenn die Koalition steht, will Seehofer eine vertiefte Analyse der Wahlschlappe auf die Tagesordnung setzen, an deren Ende auch personelle Konsequenzen stehen könnten – aber eben nicht müssen.
Ob die Koalitionsverhandlungen tatsächlich so reibungslos über die Bühne gehen, wie mancher am Wahlabend erwartet hatte, ist allerdings fraglich. Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, legte am Montag eine erste Wunschliste vor. „Wir sind auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen“, sagte er und forderte bis zu fünf Ministerien. Außerdem müsse sich die CSU „von einigen Größenwahnprojekten“wie dem Raumfahrtprogramm „Bavaria One“lösen, sagte Aiwanger und stellte klar: „Wir werden jetzt auch nicht kuschen.“Der Freie-wähler-chef weiß, dass die CSU Verhandlungen mit den Grünen als Alternative scheut und baut deshalb schon mal eine Drohkulisse auf: „Sollte sich herausstellen, dass die CSU mit uns Schlittenfahren will, sind wir die Ersten, die vom Schlitten abspringen und sie alleine an die Wand fahren lassen.“
Die Grünen wiederum erhöhten ebenfalls den Druck auf Söder. „Wir erwarten, dass mit der zweitstärksten Kraft in Bayern ernsthafte Gespräche geführt werden“, sagte Spitzenkandidat Ludwig Hartmann.
„Wir sind auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen.“Hubert Aiwanger
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