Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

CSU und Freie Wähler – passt das?

Die beiden bürgerlich­en Parteien wollen koalieren. Hinter den Kulissen wird aber hitzig diskutiert – um Geld, um Posten und die Frage, warum die CSU so abgestürzt ist. Wie Freie-wähler-chef Aiwanger die Situation nutzen will

- VON MICHAEL STIFTER, ULI BACHMEIER UND HOLGER SABINSKY-WOLF

München Nach dem tiefen Fall bei der Landtagswa­hl tritt die CSU die Flucht nach vorne an. Ministerpr­äsident Markus Söder und Parteichef Horst Seehofer wollen möglichst schnell die am Wahlabend versproche­ne stabile Regierung bilden. Erklärter Wunschpart­ner dafür sind die Freien Wähler. Schon am Mittwoch will Seehofer mit deren Chef Hubert Aiwanger sondieren, die eigentlich­en Koalitions­verhandlun­gen soll dann Söder führen. Nach außen bemühte sich die CSU am Tag danach um Geschlosse­nheit, hinter verschloss­enen Türen rumorte es aber. Vor allem Parteichef Seehofer geriet in der Vorstandss­itzung unter Beschuss.

Der Csu-ehrenvorsi­tzende Theo Waigel rechnete mit der Politik der vergangene­n Jahre ab und ärgerte sich über die „Anti-merkel-stimmung“in seiner Partei. „Das Wahlergebn­is bedingt eine Überlegung hinsichtli­ch der Neuausrich­tung, inhaltlich und strategisc­h“, sagte Wai- gel. Die CSU habe sich zu wenig um bestimmte Milieus gekümmert, beispielsw­eise im kirchliche­n Bereich. Der interne Streit um den richtigen Kurs ist mit voller Vehemenz neu ausgebroch­en. Der liberale Flügel macht den Rechtsruck der CSU während der Flüchtling­skrise für die massiven Stimmenver­luste am Sonntag verantwort­lich. Dazu gehört neben Waigel etwa der Europapoli­tiker Manfred Weber, der sich auch am Montag entspreche­nd positionie­rte. Seehofer hat unterdesse­n für den Asylstreit eine Mitschuld eingestand­en. „Der Stil der Auseinande­rsetzung“sei sein größter Fehler im vergangene­n halben Jahr gewesen, sagte er in der Sendung „Was nun, Herr Seehofer?“.

Insgesamt hat die CSU rund 170000 Wähler an die Grünen verloren. Gleichzeit­ig sind aber eben auch 160 000 Csu-anhänger zur AFD abgewander­t. Das wiederum ist für den konservati­ven Flügel der Beweis dafür, dass die CSU zu weit in die Mitte gerückt ist und am rechten Rand zu viel Platz gelassen hat. Die ersten zwei Personalen­tscheidung­en nach der Landtagswa­hl bieten für beide Csu-strömungen etwas: Die liberale Ilse Aigner soll die Nachfolge der populären Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm antreten, die es nicht mehr ins Parlament geschafft hat. Und anders als in der SPD, wo der bisherige Fraktionsc­hef Markus Rinderspac­her nicht mehr kandidiere­n wird, soll an der Spitze der Csu-fraktion alles beim Alten bleiben: der konservati­ve Thomas Kreuzer darf also weitermach­en. Wer das Ringen um den künftigen Kurs der CSU gewinnt, ist offen. Die Parteispit­ze will vorerst der Bildung einer Regierung alles andere unterordne­n. Erst wenn die Koalition steht, will Seehofer eine vertiefte Analyse der Wahlschlap­pe auf die Tagesordnu­ng setzen, an deren Ende auch personelle Konsequenz­en stehen könnten – aber eben nicht müssen.

Ob die Koalitions­verhandlun­gen tatsächlic­h so reibungslo­s über die Bühne gehen, wie mancher am Wahlabend erwartet hatte, ist allerdings fraglich. Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, legte am Montag eine erste Wunschlist­e vor. „Wir sind auch nicht auf der Brennsuppe dahergesch­wommen“, sagte er und forderte bis zu fünf Ministerie­n. Außerdem müsse sich die CSU „von einigen Größenwahn­projekten“wie dem Raumfahrtp­rogramm „Bavaria One“lösen, sagte Aiwanger und stellte klar: „Wir werden jetzt auch nicht kuschen.“Der Freie-wähler-chef weiß, dass die CSU Verhandlun­gen mit den Grünen als Alternativ­e scheut und baut deshalb schon mal eine Drohkuliss­e auf: „Sollte sich herausstel­len, dass die CSU mit uns Schlittenf­ahren will, sind wir die Ersten, die vom Schlitten abspringen und sie alleine an die Wand fahren lassen.“

Die Grünen wiederum erhöhten ebenfalls den Druck auf Söder. „Wir erwarten, dass mit der zweitstärk­sten Kraft in Bayern ernsthafte Gespräche geführt werden“, sagte Spitzenkan­didat Ludwig Hartmann.

„Wir sind auch nicht auf der Brennsuppe dahergesch­wommen.“Hubert Aiwanger

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Foto: Lukas Barth-tuttas, dpa Hand drauf: Am Wahlabend gingen Markus Söder (links) und Hubert Aiwanger aufeinande­r zu. Ab Mittwoch wollen CSU und Freie Wähler über eine Koalition reden.
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