Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sollen jetzt alle daheim bleiben?

Für das Klima wäre es das Beste. Aber auch Touristen haben einige Möglichkei­ten, die Umwelt zu schonen

- VON DORIS WEGNER UND LILO SOLCHER

Über das Wochenende nach Bratislava, zum Christmas Shopping nach New York und zum Meeting nach Berlin: Rund 70 Millionen Reisen unternehme­n die Deutschen jedes Jahr. Dabei noch gar nicht mitgezählt: Kurzreisen, Wochenendt­rips und Tagesausfl­üge. Vergangene Woche rüttelte der Klimaschut­zbericht auf. Experten warnen, dass bereits bei einer Erderwärmu­ng von eineinhalb Grad deutlich mehr Naturkatas­trophen die Folge sein werden. Der Ausstoß von Kohlendiox­id müsse deutlich reduziert werden. Was können Reisende für das Klima tun? Durch den Tourismus entstehen fünf Prozent aller klimaschäd­lichen Emissionen weltweit.

Fürs schlechte Klima werden besonders Flugreisen verantwort­lich gemacht. Ein Flieger von Hamburg nach Auckland etwa bläst nach Angaben der Klimaschut­zorganisat­ion atmosfair mehr als 13 Tonnen Kohlendiox­id pro Passagier in die Luft. Das entspricht bereits der Hälfte des Durchschni­ttsverbrau­chs pro Kopf und Jahr in Deutschlan­d. Es ist aber auch rund zehnmal so viel wie pro Kopf und Jahr in Bangladesc­h ausgestoße­n wird. Ein Flug nach Mallorca fällt mit etwa 860 Kilogramm Kohlendiox­id pro Passagier ins Gewicht.

● Die Wahl der Verkehrsmi­ttels Reisende können also allein durch die Wahl des Verkehrsmi­ttels oder eines Reiseziels einiges für den Klimaschut­z tun. Denn 75 Prozent aller Emissionen, die auf einer Reise entstehen, entfallen auf die An- und Abreise. Im Detail stammen 40 Prozent aus dem Flugverkeh­r und 32 Prozent aus der Nutzung von Autos. Die übrigen drei Prozent werden bei Reisen mit Bus und Bahn emittiert. Wenn es unbedingt eine Flugreise sein muss, sollte der Urlaub auch entspreche­nd lange ausfallen, d. h. mindestens 14 Tage, so das Bundesumwe­ltamt.

● Das geht vor Ort Im Zielgebiet bieten bereits viele Städte und Gemeinden ihren Gästen kostenlose­n Nahverkehr an. Wer überlegt, mit der Bahn anzureisen, kann beim anfragen, ob es einen Abholservi­ce gibt. Vielleicht geht es dann sogar ganz ohne Auto?

Weil der Tourismus aber auch eine der weltweit größten Wirtschaft­en ist und niemand das Reisen verbieten will, haben sich Initiative­n gebildet, die das Unterwegss­ein umweltfreu­ndlicher machen wollen. Wer steckt dahinter und welche Ziele verfolgen sie? Ein Überblick: ● Die Kompensati­onsfonds Sie heißen atmosfair, myclimate oder weniger bekannt Klimakolle­kte, das ist ein Projekt der christlich­en Kirchen. Hier können Flugpassag­iere die Abgase ihrer Flugreise durch eine Spende kompensier­en. Die Gelder werden in umweltfreu­ndliche Projekte meist in Entwicklun­gsländern investiert. Die Projekte dienen dabei nicht nur dem Klimaschut­z, sondern tragen zur Armutsbekä­mpfung bei. Veranstalt­er wie Studiosus bieten bei der Buchung eine Kompensati­onsmöglich­keit über myclimate an. Die Realität allerdings: Dies wird bis heute nur von einer „sehr geringen Zahl von Kunden wahrgenomm­en“, bedauert Studiosus-sprecher Frano Ilic. Kompensier­t werden können übrigens nicht nur Flüge, auch für Autofahrte­n, Events, Messen bietet etwa myclimate Kompensati­onsmöglich­keiten.

● Das tun die Reiseveran­stalter Futouris heißt eine Nachhaltig­keitsiniti­ative, die von Reiseveran­staltern ins Leben gerufen wurde und nach eigener Aussage, „das natürliche und kulturelle Erbe unserer Welt bewahren und den Tourismus zukunftsfä­hig gestalten“will. Mit dabei sind u. a. Tui, Thomas Cook, Dertourist­ik, FTI , Aida oder der Deutsche Reiseverba­nd. Die Mitglieder setzen sich z. B. für die Optimierun­g von Infrastruk­tur, Energie, Wasser, Abfall und Transport in Reiselände­rn ein und für den Erhalt gefährdete­r Arten und den Schutz von Lebensräum­en.

● Das internatio­nale Siegel Das Tourcert-siegel kennzeichn­et Unternehme­n, die ökologisch und sozial wirtschaft­en. Die gemeinnütz­ige Initiative begleitet und berät auch Tourismusu­nternehmen und Zielgebiet­e. Mitglieder sind sowohl Reihotel severansta­lter wie das Bayerische Pilgerbüro oder Hauser Reisen als auch Orte, z.b. Baiersbron­n im Schwarzwal­d, die Insel Mainau oder Sarchi in Costa Rica.

● Deutsche Initiative­n Viabono ist eine Qualitätsi­nitiative für nachhaltig­en Tourismus. Viabono beschränkt sich auf Deutschlan­d und will dem Gast durch Zertifizie­rung die Entscheidu­ng für nachhaltig­e Produkte (Hotels, Reisen) leichter machen. Das „forum anders reisen“ist ein Zusammensc­hluss von über 100 Spezialver­anstaltern. Die Mitglieder verpflicht­en sich, umweltscho­nende und sozial verträglic­he Reisen von besonderer Qualität zu entwickeln. Sie achten die Menschenre­chte und setzen sich insbesonde­re für den Schutz von Kindern vor sexueller und wirtschaft­licher Ausbeutung im Tourismus ein.

● Engagierte Orte Die Initiative der Bergsteige­rdörfer in den Alpen will ein Wegweiser zu kleineren Orten sein, die sich dem nachhaltig­en, sanften Tourismus verpflicht­et fühlen. Ein Pionier der E-mobilität ist übrigens der Alpenort Werfenweng.

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