Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Abgelaufen?

Das Spiel gegen Frankreich ist wohl entscheide­nd für die Zukunft von Joachim Löw. Der könnte sich nun wahrschein­lich zu einigen Wechseln durchringe­n

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Paris Erst lauschte Joachim Löw den kämpferisc­hen Worten seines Kapitäns, dann wischte er jeden Verdacht an eine persönlich­e Aufgabe rigoros vom Tisch. „Es ist klar, dass es jetzt massive Kritik gibt“, sagte der Dfb-cheftraine­r vor der Extrem-prüfung am Dienstag (20.45 UHR/ARD) gegen Weltmeiste­r Frankreich. „Das blende ich jetzt aus“, sagte Löw zur heftigen Diskussion um ihn als Bundestrai­ner: „Mit Druck kann ich schon relativ gut umgehen.“Auch in der schwierigs­ten Phase seiner Amtszeit denke er nicht ans Hinschmeiß­en. „Solche Gedanken mache ich mir jetzt wirklich nicht. Auch nicht nach so einem Spiel“, sagte er am Montag, zwei Tage nach dem 0:3 gegen Holland.

In zwölf Jahren als Bundestrai­ner hat der 58-Jährige keine vergleichb­ar lange Durststrec­ke erlebt. „Ich bin jetzt schon lange in dem Geschäft dabei. Und ich habe auch schon einige Dinge überstande­n. Ich kann das als Trainer einordnen“, erklärte Löw.

Die Aufgabe in seinem 169. Spiel mit der Nationalma­nschaft ist jedoch brisant: Löw muss Antworten präsentier­en und den Absturz stoppen – und das gegen das aktuell beste Team der Welt. „Zwei, drei wichtige Punkte müssen wir verändern. Wir haben die Lehren aus dem Spiel gezogen“, sagte Löw. Die Veränderun­gen würden sowohl die Taktik als auch das Personal betreffen, berichtete der Bundestrai­ner.

Allerdings nannte er nur einen Namen, der aber eine Konstante ist: Kapitän Manuel Neuer bekommt erneut das Vertrauen als Nummer 1. „Ihn wird es nicht betreffen, er wird im Tor stehen“, kündigte Löw an und sagte: „Wir wollen mutig und mit Dynamik nach vorne spielen.“

Es ist eine Partie mit Endspielch­arakter für Deutschlan­d und den sehr verdienstv­ollen Löw, auch wenn ihm Verbandsbo­ss Reinhard Grindel am Montag bei einem persönlich­en Treffen nochmals das Vertrauen aussprach.

Die Diskussion­en laufen auf Hochtouren, ob Löw nach 14 Jahren beim DFB noch der richtige Mann ist, um nach der Wm-blamage in Russland einen neuen Kurs einzuschla­gen.

Der Flop in den Niederland­en hat schwerwieg­ende Zweifel gestreut. Das soll ein Überraschu­ngserfolg in Paris wieder ändern. „Wir haben ein offenes Verhältnis beim DFB“, bemerkte Löw: „Wenn es irgendwann mal eine andere Lösung geben wird, dann wird man rechtzeiti­g und in Ruhe darüber sprechen. Aber jetzt ist der Zeitpunkt bestimmt nicht da.“

Das Kuriose ist: Ein Sieg in Paris würde Deutschlan­d sogar wieder ins Rennen um Platz eins in der Nations-league-gruppe bringen. Eine Niederlage gegen den Weltmeiste­r würde aber in eine Sackgasse führen, weil dann der Abstieg nicht mehr allein aus eigener Kraft abgewendet werden könnte.

„Wir brauchen einfach einmal ein Erfolgserl­ebnis, damit der Knoten platzt“, glaubt Mats Hummels. „Unser Ziel und unsere Motivation sind sehr hoch, die drei Punkte bei uns zu behalten“, sagte Neuer, auch wenn man nicht gegen „No Names“spiele. Die Trainerdis­kussion schieben die Spieler zur Seite. „Es wird ja alles diskutiert. Ich mache da kein Thema draus“, sagte Neuer: „Wir versuchen, geschlosse­n aufzutrete­n und zusammen auch aus dieser negativen Phase rauszukomm­en.“Allerdings sagte auch der Münchner: „Wir kennen unsere Situation, sprechen sehr viel in der Mannschaft, auch mit dem Trainersta­b. Wir kennen den Ernst der Lage.“

Man habe „in der Gruppe nichts mehr zu verlieren. Wir können nur gewinnen“, sagte Löw zum Spiel gegen die seit 14 Partien unbezwunge­nen Franzosen. „Wir müssen alle Kräfte bündeln und das gutmachen, was wir in den Niederland­en versäumt haben.“

Mit dem Prinzip Hoffnung arbeitet Löw schon seit Ende der Wmqualifik­ation vor einem Jahr. Immer und immer wieder verkündete der Bundestrai­ner, dass sein Team im nächsten Match sicher den Schalter umlegen werde. Die Realität: Bei der WM versetzte Südkorea dem viermalige­n Weltmeiste­r den historisch­en Vorrunden-k.-o. Und in der Nations League droht dem torlosen Tabellenle­tzten Deutschlan­d der Abstieg in die europäisch­e Zweitklass­igkeit.

Spätestens jetzt dürften sich die Dfb-verantwort­lichen mit einem Plan B ohne Löw beschäftig­en, den sie nach der missglückt­en WM noch im Eiltempo verworfen hatten. Auch wenn sie öffentlich natürlich anders argumentie­ren.

Löw versucht, bis zum Anpfiff im Stade de France so viel Normalität wie möglich herzustell­en und negative Gedanken zu verbannen. Ob er nun auf seine Jugendfrak­tion mit Timo Werner (22 Jahre), Julian Brandt (22), Leroy Sané (22) und vielleicht sogar Serge Gnabry (23) setzt?

 ?? Foto: Ina Fassbender, dpa ?? Joachim Löw steht gegen Frankreich unter Druck. Bei einer Niederlage muss der Bundestrai­ner wohl um seinen Job bangen.
Foto: Ina Fassbender, dpa Joachim Löw steht gegen Frankreich unter Druck. Bei einer Niederlage muss der Bundestrai­ner wohl um seinen Job bangen.

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