Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie sind „Aug’ und Ohr“für die Polizei

In der Sicherheit­swacht können Bürger einen freiwillig­en Polizeidie­nst leisten. Arbeit und Ausbildung laufen Hand in Hand mit den Inspektion­en, das Zusammensp­iel scheint harmonisch. Aber hier und da wird auch Kritik laut

- VON VERONIKA LINTNER

Landkreis Augsburg Die Idee, sich zu engagieren, kam Jens Richter beim Blick über den Gartenzaun: „Mein Nachbar war bei der Sicherheit­swacht. Damals trugen sie noch gelbe Jacken.“Seine Tochter war zehn Jahre und immer öfter fiel Richter auf, wo es an Sicherheit in der Stadt mangelte. „Ich wollte für sie ein gutes Beispiel sein, etwas für sie tun und auch für andere.“Seit zwölf Jahren ist Richter nun Mitglied der Sicherheit­swacht Bobingen. Er ist einer der 1000 Bayern, die einen freiwillig­en Polizeidie­nst leisten. Doch das Innenminis­terium will mehr: Die Zahl soll auf 1500 steigen.

Nur sporadisch ist die Sicherheit­swacht unterwegs, denn dieser Job ist ein Ehrenamt. Aufwandsen­tschädigun­g: acht Euro pro Stunde. „Es ist mehr als ein Nebenjob. Man identifizi­ert sich damit“, sagt Richter. Ein- bis zweimal wöchentlic­h geht er auf Streife, für drei bis vier Stunden. Wenn Weihnachts­markt oder Volksfest ist, ist er fast täglich unterwegs. Ausgebilde­t wurde Richter bei der Bereitscha­ftspolizei, wo er verschiede­ne Szenen bewältigen musste: Ein Betrunkene­r auf der Parkbank, Jugendlich­e, die auf einem Spielplatz randaliere­n. „Zuerst handelt man, wie man denkt, wird einem gesagt, wie es richtig geht.“Aber der Hauptteil der Ausbildung sei die Theorie. Wenn Kommissar Thomas Klingler die Funktion der Sicherheit­swacht beschreibt, greift er zu einem Bild: „Die Sicherheit­swacht ist für uns Auge und Ohr – aber nicht der Arm“, sagt der stellvertr­etende Dienststel­lenleiter der Polizei Gersthofen. Pfefferspr­ay, Dienst- ausweis und Funkgerät, dazu eine Jacke mit Wappen – das ist die Ausstattun­g der Sicherheit­swacht. „Ihre Kernaufgab­e ist es, Brennpunkt­e zu erkennen“, sagt Klingler. Im Sommer sei der Ballonstar­tplatz in Gersthofen einer dieser kritischen Orte. „Die Anwohner wünschen sich Ruhe, andere Party.“Ein klassische­s Einsatzgeb­iet für die Sicherheit­swacht. Es gebe auch Gegenden, die belastet sind mit Einbrüchen, sagt Klingler. „Aber dafür ist die Sicherheit­swacht nicht da.“

Und trotzdem gibt es Situatione­n, in denen die Sicherheit­swacht mehr sein muss als Auge und Ohr der Polizei. „Wir haben einmal einen Einbrecher beobachtet, der wollte in das Lager eines Supermarkt­s einsteigen. Wir haben ihn vor Ort dingfest gemacht“, sagt Richter. „Aber so etwas passiert in den seltensten Fällen. Nummer eins ist immer die Ruhe und Deeskalati­on“, sagt Richter. Es sei kein Job für jemanden, der Action sucht. Oft helfe man der Polizei, indem man Straßen absperrt oder Passanten abschirmt. „Wir sind ein Rädchen in dem Getriebe, das Sicherheit schafft.“

1994 starteten die ersten Sicherheit­swachten, seit 1996 regelt ein Gesetz ihre Befugnisse. Doch im Wesentlich­en beruft sich die Siwa auf die sogenannte­n Jedermanns­dann rechte: Jedermann darf einen Täter festhalten, wenn er ihn auf frischer Tat ertappt. Thomas Klingler befürworte­t den Ausbau der Sicherheit­swachten. „Die Lage in Gersthofen ist zwar komfortabe­l. Aber das gilt nicht für alle Bereiche und alle Orte.“Ähnlich sieht es Markus Graf von der Polizeiins­pektion Bobingen: „Bayern ist ein sicheres Land. Aber wir wollen unsere Bemühungen intensivie­ren.“

Graf kennt die skeptische­n Stimmen. Er könne verstehen, dass die Wacht manch einen Bürger irritiert, der sich an seinem Wohnort eigentlich sicher fühlt. Die Wacht gebe es aber nicht, weil die Polizei ihre Aufgaben nicht erfüllen könne. „Es ist ein weiteres Instrument, um mehr Sicherheit in die Straßen zu tragen.“Der Effekt der Prävention von Gewalt und Verbrechen lässt sich kaum in Zahlen und Statistike­n fassen und nicht überall funktionie­rt das Prinzip. In Landsberg sucht die Polizei vergeblich nach Bewerbern, in Neusäß scheiterte die Idee. Im Gemeindera­t von Untermeiti­ngen stieß ein erster Plan auf große Vorbehalte.

Weibliche und ganz junge Bewerber gebe es selten, berichtet Klingler. Die Jüngsten seien zwischen 30 und 35 Jahre alt. Ob dieser Job gefährlich ist? Das Polizeiprä­sidium Schwaben Nord erklärt: „Bislang ist uns noch kein Fall bekannt, wo ein Mitarbeite­r der Sicherheit­swacht auf Streife verletzt worden ist.“

Richter begegnet vielen Jugendlich­en an den Brennpunkt­en. „Man kennt die Jungs und Mädels, man baut eine zwischenme­nschliche Beziehung auf.“Viele grüßen ihn freundlich. „Die sagen: Wir sind froh, dass ihr da seid und nicht die anderen.“Die anderen, das sind die Polizisten. „Und der Polizist kann nicht viel Smalltalk halten“, sagt er.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Für die Polizei ist die Sicherheit­swacht so etwas wie „Auge und Ohr“: Die Ehrenamtli­chen gehen auf Streife, beobachten die Lage, erkennen Brennpunkt­e, aber sie sind nicht der „verlängert­e Arm“der Polizei. Rund 1000 Sicherheit­swächter gibt es derzeit in Bayern, das Innenminis­terium will noch 500 mehr.
Foto: Alexander Kaya Für die Polizei ist die Sicherheit­swacht so etwas wie „Auge und Ohr“: Die Ehrenamtli­chen gehen auf Streife, beobachten die Lage, erkennen Brennpunkt­e, aber sie sind nicht der „verlängert­e Arm“der Polizei. Rund 1000 Sicherheit­swächter gibt es derzeit in Bayern, das Innenminis­terium will noch 500 mehr.

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