Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sie sind „Aug’ und Ohr“für die Polizei
In der Sicherheitswacht können Bürger einen freiwilligen Polizeidienst leisten. Arbeit und Ausbildung laufen Hand in Hand mit den Inspektionen, das Zusammenspiel scheint harmonisch. Aber hier und da wird auch Kritik laut
Landkreis Augsburg Die Idee, sich zu engagieren, kam Jens Richter beim Blick über den Gartenzaun: „Mein Nachbar war bei der Sicherheitswacht. Damals trugen sie noch gelbe Jacken.“Seine Tochter war zehn Jahre und immer öfter fiel Richter auf, wo es an Sicherheit in der Stadt mangelte. „Ich wollte für sie ein gutes Beispiel sein, etwas für sie tun und auch für andere.“Seit zwölf Jahren ist Richter nun Mitglied der Sicherheitswacht Bobingen. Er ist einer der 1000 Bayern, die einen freiwilligen Polizeidienst leisten. Doch das Innenministerium will mehr: Die Zahl soll auf 1500 steigen.
Nur sporadisch ist die Sicherheitswacht unterwegs, denn dieser Job ist ein Ehrenamt. Aufwandsentschädigung: acht Euro pro Stunde. „Es ist mehr als ein Nebenjob. Man identifiziert sich damit“, sagt Richter. Ein- bis zweimal wöchentlich geht er auf Streife, für drei bis vier Stunden. Wenn Weihnachtsmarkt oder Volksfest ist, ist er fast täglich unterwegs. Ausgebildet wurde Richter bei der Bereitschaftspolizei, wo er verschiedene Szenen bewältigen musste: Ein Betrunkener auf der Parkbank, Jugendliche, die auf einem Spielplatz randalieren. „Zuerst handelt man, wie man denkt, wird einem gesagt, wie es richtig geht.“Aber der Hauptteil der Ausbildung sei die Theorie. Wenn Kommissar Thomas Klingler die Funktion der Sicherheitswacht beschreibt, greift er zu einem Bild: „Die Sicherheitswacht ist für uns Auge und Ohr – aber nicht der Arm“, sagt der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizei Gersthofen. Pfefferspray, Dienst- ausweis und Funkgerät, dazu eine Jacke mit Wappen – das ist die Ausstattung der Sicherheitswacht. „Ihre Kernaufgabe ist es, Brennpunkte zu erkennen“, sagt Klingler. Im Sommer sei der Ballonstartplatz in Gersthofen einer dieser kritischen Orte. „Die Anwohner wünschen sich Ruhe, andere Party.“Ein klassisches Einsatzgebiet für die Sicherheitswacht. Es gebe auch Gegenden, die belastet sind mit Einbrüchen, sagt Klingler. „Aber dafür ist die Sicherheitswacht nicht da.“
Und trotzdem gibt es Situationen, in denen die Sicherheitswacht mehr sein muss als Auge und Ohr der Polizei. „Wir haben einmal einen Einbrecher beobachtet, der wollte in das Lager eines Supermarkts einsteigen. Wir haben ihn vor Ort dingfest gemacht“, sagt Richter. „Aber so etwas passiert in den seltensten Fällen. Nummer eins ist immer die Ruhe und Deeskalation“, sagt Richter. Es sei kein Job für jemanden, der Action sucht. Oft helfe man der Polizei, indem man Straßen absperrt oder Passanten abschirmt. „Wir sind ein Rädchen in dem Getriebe, das Sicherheit schafft.“
1994 starteten die ersten Sicherheitswachten, seit 1996 regelt ein Gesetz ihre Befugnisse. Doch im Wesentlichen beruft sich die Siwa auf die sogenannten Jedermannsdann rechte: Jedermann darf einen Täter festhalten, wenn er ihn auf frischer Tat ertappt. Thomas Klingler befürwortet den Ausbau der Sicherheitswachten. „Die Lage in Gersthofen ist zwar komfortabel. Aber das gilt nicht für alle Bereiche und alle Orte.“Ähnlich sieht es Markus Graf von der Polizeiinspektion Bobingen: „Bayern ist ein sicheres Land. Aber wir wollen unsere Bemühungen intensivieren.“
Graf kennt die skeptischen Stimmen. Er könne verstehen, dass die Wacht manch einen Bürger irritiert, der sich an seinem Wohnort eigentlich sicher fühlt. Die Wacht gebe es aber nicht, weil die Polizei ihre Aufgaben nicht erfüllen könne. „Es ist ein weiteres Instrument, um mehr Sicherheit in die Straßen zu tragen.“Der Effekt der Prävention von Gewalt und Verbrechen lässt sich kaum in Zahlen und Statistiken fassen und nicht überall funktioniert das Prinzip. In Landsberg sucht die Polizei vergeblich nach Bewerbern, in Neusäß scheiterte die Idee. Im Gemeinderat von Untermeitingen stieß ein erster Plan auf große Vorbehalte.
Weibliche und ganz junge Bewerber gebe es selten, berichtet Klingler. Die Jüngsten seien zwischen 30 und 35 Jahre alt. Ob dieser Job gefährlich ist? Das Polizeipräsidium Schwaben Nord erklärt: „Bislang ist uns noch kein Fall bekannt, wo ein Mitarbeiter der Sicherheitswacht auf Streife verletzt worden ist.“
Richter begegnet vielen Jugendlichen an den Brennpunkten. „Man kennt die Jungs und Mädels, man baut eine zwischenmenschliche Beziehung auf.“Viele grüßen ihn freundlich. „Die sagen: Wir sind froh, dass ihr da seid und nicht die anderen.“Die anderen, das sind die Polizisten. „Und der Polizist kann nicht viel Smalltalk halten“, sagt er.