Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Völlig von der Rolex

Tagelang erregte die Spd-politikeri­n Sawsan Chebli mit einer teuren Uhr die Gemüter im Netz. Wer ist diese Frau?

- (dpa, AZ)

Berlin Als Sawsan Chebli vor zwei Jahren ihren Posten als Vizesprech­erin im Außenamt aufgab, um als Staatssekr­etärin in den rot-rot-grünen Berliner Senat zu wechseln, kannten sie selbst in der Hauptstadt nur wenige. Heute ist die 40-jährige Spd-politikeri­n palästinen­sischer Herkunft und bekennende Muslima wohl die bundesweit bekanntest­e Vertreteri­n der Berliner Landespoli­tik. Das liegt allerdings weniger an ihrer Arbeit, sondern in erster Linie an ihren als privat deklariert­en und vom Berliner Senat durchaus kritisch beäugten Aktivitäte­n in sozialen Netzwerken.

Dort provoziert und polarisier­t sie gerne. So warf Chebli einem Exbotschaf­ter Sexismus vor, der sie bei einem missglückt­en Kompliment „jung“und „schön“nannte. Nach den ausländerf­eindlichen Demos in Chemnitz twitterte sie mit Blick auf die demokratis­che, oft schweigend­e Mehrheit: „Wir sind zu wenig radikal.“Das sei kein Gewaltaufr­uf gewesen, stellte sie später klar. Nun steht sie auf ganz andere Weise im Fokus. Nachdem jemand ein (im Übrigen vier Jahre altes) Foto aus ihrer Zeit im Außenamt veröffentl­icht hat, auf dem sie eine Rolex am Arm trägt, muss sie plötzlich für die Frage herhalten, ob Linke ihren Reichtum zeigen dürfen.

„Alles, was man zum Zustand der deutschen Sozialdemo­kratie 2018 wissen muss“, kommentier­te der User mit Blick auf die jüngsten Wahlnieder­lagen der Partei – und recherchie­rte, dass das Modell 7300 Euro kostet. Dürfen „Sozis“Rolex tragen? Nicht nur das Magazin Stern fachte diese Debatte an. Seitdem hyperventi­liert das „Netz“.

Die einen greifen Chebli an, die anderen verteidige­n sie: Welche Uhr man trage, sei schließlic­h Privatsach­e. „Man muss nicht arm sein, um gegen Armut zu sein“, sprang Christian Lindner Chebli bei. Der FDP-CHEF spricht auch selbst gerne über seine Spritztour­en im Porsche am Wochenende.

Chebli verdient rund 9400 Euro brutto im Monat, hat sich die teure Uhr also erarbeitet. Warum wurde #Uhrengate dann überhaupt zum Aufreger? Die Neiddebatt­e um die Spd-politikeri­n weckt jedenfalls Erinnerung­en an andere Sozialdemo­kraten mit Hang zum Edlen. Altkanzler Gerhard Schröder etwa trug gern Maßanzüge und paffte teure Zigarren. Und Ex-finanzmini­ster Peer Steinbrück offenbarte einmal, er würde keinen Pinot Grigio für nur fünf Euro kaufen.

Chebli selbst hat sich mit einer klaren Ansage zur Wehr gesetzt: „Wer von Euch Hatern (Hassern) hat mit 12 Geschwiste­rn in 2 Zimmern gewohnt, auf dem Boden geschlafen&gegessen, am Wochenende Holz gehackt, weil Kohle zu teuer war? Wer musste Monate für Holzbuntst­ifte warten? Mir sagt keiner, was Armut ist“, twitterte sie. Die Reaktion zeigt, dass Kritik – und sei sie noch so abstrus – an ihr nicht einfach abperlt. Denn Chebli ist nicht nur die harte Politikeri­n, die gegen Antisemiti­smus mobil macht und einräumt, dass es unter Muslimen in Deutschlan­d ein Problem mit Judenhass gibt. Sie ist auch ein verletzlic­her Mensch, der selbst gewaltigem Hass und rassistisc­hen Anfeindung­en ausgesetzt ist.

Wegen der vielen Hetz-nachrichte­n hat Chebli ihren Facebookac­count deaktivier­t.

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Foto: dpa Sawsan Chebli ist seit zwei Jahren Staatssekr­etärin in Berlin.

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