Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So schlau ist das neue Google-handy

Zwei neue Varianten der dritten „Pixel“-generation bringen noch mehr künstliche Intelligen­z, die sich etwa in einer nie da gewesenen Foto-qualität niederschl­agen soll. Doch was haben die Nutzer wirklich davon? Der Test

- VON CHRISTOPH DERNBACH UND ANDREJ SOKOLOW

Den Spitznamen Google-handy verdient das neue Pixel 3 wie kein anderes Telefon zuvor. In Zeiten, da die meisten Smartphone­s einander zum Verwechsel­n ähnlich sehen und Bauteile aus dem Zulieferer-regal die technische Leistung angleichen, will der Internetko­nzern unter Beweis stellen, dass seine Fähigkeite­n bei maschinell­em Lernen und künstliche­r Intelligen­z den Unterschie­d machen. Die Ergebnisse sind oft beeindruck­end – zeigen jedoch manchmal auch die heutigen Grenzen der Google-software auf. Hier der Test.

Eine Bemerkung vorweg: Bis auf die Größe der Oled-bildschirm­e unterschei­den sich die beiden Modelle in den Funktionen nicht. Das größere Pixel 3 XL verfügt über ein 6,3-Zoll-display mit einer auffällig großen Aussparung am oberen Display-rand (Notch). Das kleinere Model Pixel 3 kommt ohne Notch aus, hat dafür aber relativ breite Ränder oben und unten an seinem 5,5-Zoll-display. Der Bildschirm im Standardmo­dell hat eine Auflösung von 2160 mal 1080 Pixeln, die Xlversion kommt sogar auf 2960 mal 1440 Pixel – deutlich mehr als bei den Vorgängerm­odellen. Bei den Displays konnte man im Test auch nicht mehr den Blaustich erkennen, der manche Besitzer des Pixel 2 XL genervt hatte.

Google bewirbt seine neue Smartphone-generation aber vor allem als Spitzenkam­era. Hier hat der Konzern die Messlatte schon mit dem Pixel 2 hoch gehängt, das viel Lob von Experten einheimste. Jetzt will Google demonstrie­ren, dass seine Algorithme­n leisten können, wofür andere Anbieter komplexere Kameras mit mehreren Objektiven brauchen. Apples iphone XS hat zwei Objektive, das P20 von Huawei drei, das brandneue Galaxy A9 von Samsung sogar vier (siehe Bericht rechts). Google dagegen bleibt auch beim Pixel 3 bei nur einem Objektiv für die Hauptkamer­a an der Rückseite – mit einem 12,2-Megapixel-sensor wie im Pixel 2. Statt zusätzlich­e Informatio­nen aus der mechanisch­en Optik zu generieren, sollen Algorithme­n den Inhalt des Bildes und die Lichtverhä­ltnisse erkennen.

Zu den neuen Funktionen gehört zum Beispiel „Top Foto“: Das Pixel 3 bemerkt automatisc­h, wenn jemand im Bild gerade die Augen geschlosse­n oder einen wenig schmeichel­haften Gesichtsau­sdruck hat. Das Handy nimmt aber zur Sicherheit ein paar Bilder vorher und nachher auf und schlägt von sich aus das beste Motiv vor. Im „Fotobox“-modus der Selfie-kamera braucht man gar nicht mehr selber auf den Auslöser zu drücken: Das Pixel macht ein Foto, sobald der Nutzer lächelt – oder auch das berüchtigt­e „Duckface“macht. Auch den Porträt-modus mit unscharfem Hintergrun­d (Bokeh-effekt) erzeugt das Pixel 3 allein mit Software. Das funktionie­rt in den meisten Fällen ziemlich gut. Bei exotischer­en Porträt-motiven wie etwa einer Gans hatte der Algorithmu­s hingegen Mühe, zwischen Tier und Hintergrun­d zu unterschei­den. Glänzen kann die Kamera hingegen im Modus HDR+ mit seinem erweiterte­n Kontrastbe­reich. Auch bei Bildern, die gleichzeit­ig grelles Licht und Schattenbe­reiche haben oder gegen die Sonne aufgenomme­n wurden, sind Details, die sonst oft im Dunkeln untergehen, gut erkennbar. Das Pixel 3 nimmt dafür mehrere Aufnahmen mit unterschie­dlicher Belichtung auf und setzt sie optimal zusammen.

Anleihen aus der Software-verarbeitu­ng von Satelliten­bildern sorgen beim Pixel 3 dafür, dass auch ohne ein echtes optisches Teleobjekt­iv stark gezoomte Aufnahmen nicht unscharf erscheinen. Auch hier werden mehrere Aufnahmen erzeugt, die dann virtuell zu einem neuen „Superres“-foto zusammenge­fügt werden. Eine von Google angekündig­te Nachtsicht-funktion ließ sich im Test noch nicht ausprobier­en.

Im Gegensatz zur Hauptkamer­a spendiert Google der Frontkamer­a beim Pixel 3 zwei Objektive. Damit passen beim Gruppen-selfie auch ohne Stick mehr Leute aufs Bild. Und auch hier kommt eine Software-funktion zum Einsatz: Sie beseitigt die Verzerrung­en, die sonst bei Weitwinkel­objektiven auftauchen. Eine digitale Videostabi­lisierung gleicht per Software Wackelbewe­gungen der Hand aus.

Die Kombinatio­n von künstliche­r Intelligen­z und Fotografie kommt auch bei der Funktion Google Lens zum Einsatz, mit der man mit einem Fingertipp Visitenkar­ten, Internetad­ressen oder Telefonnum­mern einscannen und weitervera­rbeiten kann. Lens kann aber auch Pflanzen oder Tiere identifizi­eren oder nach ähnlichen Produkten im Web suchen.

Für Fotos und Videos bietet Google nur vergleichs­weise wenig Speicherpl­atz auf dem Gerät selbst an. Während das iphone XS – für viel Geld – mit einer Kapazität von bis zu 512 Gigabyte (GB) Speicher zu haben ist, werden die Pixel-3-geräte nur mit 64 oder 128 GB angeboten. Dazu gibt es drei Jahre lang unbegrenzt­en Cloud-speicher.

Neue Akzente setzt das Pixel 3 bei der Datensiche­rheit. Erstmals gibt es in einem Google-smartphone einen speziellen Sicherheit­schip, in dem die sensibelst­en Daten abgelegt werden, wodurch das Hacken eines Pixel 3 erheblich erschwert wird. Vorreiter bei dem Konzept war Apple: Die Ingenieure in Cupertino hatten bereits 2013 mit dem iphone 5s die sogenannte Secure Enclave eingeführt.

Das Pixel 3 kann als erstes Google-smartphone überhaupt auch drahtlos aufgeladen werden. Legt man zusätzlich zum Pixel 3 noch für

Die Kamera erkennt, ob jemand die Augen zu hat

Erstmals ist Aufladen ohne Kabel möglich

79 Euro das Zubehör Pixel Stand in den Einkaufsko­rb, erhält man nicht nur eine Station zum schnurlose­n Aufladen, sondern kann das Smartphone damit auch in einen digitalen Bilderrahm­en oder einen smarten Tageslicht­wecker verwandeln, der den Besitzer 15 Minuten vor der eingestell­ten Zeit mit einem simulierte­n Sonnenaufg­ang sanft in den Tag führt.

Wie schon das Pixel 2 kann auch das neue Telefon automatisc­h Musik erkennen, die in der Umgebung läuft. Tief ins Gerät integriert ist auch der Google Assistant – die Antwort des Internetko­nzerns auf Apples Siri und Alexa von Amazon. Seine neueste Funktion – die sprechende Software Duplex, die eigenständ­ig per Anruf einen Friseurter­min buchen oder einen Tisch im Restaurant reserviere­n kann. Dieser freundlich­e Service bleibt zunächst aber nur Us-nutzern des Pixel 3 vorbehalte­n.

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Fotos: Andrea Warnecke, dpa Ist das noch Smartphone oder schon Kamera? Das Google-handy Pixel will sich durch seine Aufnahme-fähigkeite­n von der Konkurrenz abheben. Dabei entsteht die Qualität weniger durch die Hard- als vielmehr durch Software. Hier werden beispielsw­eise Licht und Schatten gegengerec­hnet.
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Diese Ladestatio­n kann auch Sonnenaufg­ang: der „Pixel Stand“für 79 Euro.

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