Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum Philipp S. Betreuung fordert

Der 39-Jährige ist unter anderem depressiv. Der Alltag wird für ihn oft zum Problem. Er suchte selbst nach einer Lösung und fand sie in Silke Stade. Wobei sie ihn unterstütz­t

- VON INA MARKS

Philipp S. ist depressiv und in psychologi­scher Behandlung. Normale Alltagsauf­gaben sind für ihn schwer zu bewältigen. Allein der Umgang mit Geld überforder­t den 39-Jährigen. Deshalb kümmert sich eine gesetzlich­e Betreuerin des Sozialdien­stes katholisch­er Frauen (SKF) um S. Aber nicht nur um ihn. Silke Stade ist Leiterin des Skf-betreuungs­vereins und Sozialpäda­gogin. Sie weiß, dass immer mehr Menschen mit psychische­n Problemen zu kämpfen haben. Philipp S. sitzt an einem Vormittag in Stades Büro am Leonhardsb­erg. Beide haben einige Alltagsdin­ge zu klären. Wie etwa die Geschichte mit dem Schlüsseld­ienst. Der Augsburger hatte sich neulich ausgesperr­t und musste Hilfe holen. Er weiß jetzt allerdings nicht, wie er die Rechnung des Dienstes bezahlen soll. „Die meisten unserer Betreuten sind mittellos. Da bleibt kein Geld für einen Schlüsseld­ienst“, erklärt die Sozialpäda­gogin. In diesem Fall könne der SKF aber die Kosten übernehmen, fügt sie hinzu und beruhigt den Mann mit dem Pferdeschw­anz und der Brille: „Das be- wir schon hin.“Die Gewissheit, eine Unterstütz­ung im Hintergrun­d zu haben, erleichter­t den Betroffene­n das Leben. Mit drei Betreuerin­nen und einer Verwaltung­skraft sorgt sich die Betreuungs­stelle des SKF Augsburg derzeit um 54 Frauen und Männer. Ihr Klientel ist volljährig und aufgrund einer psychische­n Erkrankung oder einer Behinderun­g nicht mehr in der Lage, eigene Angelegenh­eiten zu regeln. Der Gang zu einer Behörde oder eine ärztliche Behandlung kann für die Betroffene­n zu einer schier unlösbaren Aufgabe werden. Wie etwa auch bei Philipp S.

Der Augsburger, der mit Depression­en und einer Zuckerkran­kheit zu kämpfen hat, kann unter anderem nicht eigenveran­twortlich mit seinem Geld umgehen. Offen schildert er, warum er sich selbst um eine gesetzlich­e Betreuung bemüht hatte. „In finanziell­en Angelegenh­eiten bin ich völlig aufgeschmi­ssen. Ich erhalte am ersten eines Monats mein Geld und am zehnten bin ich schon pleite. Diesen Stress wollte ich von der Hacke haben.“

Seine Mutter wollte Philipp S. nicht als Betreuerin einsetzen. „Es gibt Dinge, die bespricht man am besten mit Menschen, die eine gewisse Distanz haben“, sagt er. Seit rund zwei Jahren behält die Betreuerin des SKF für ihn den Überblick über seine Finanzen. Philipp S. sagt, es sei sein eigener Wunsch gewesen.

Der Augsburger bekommt von seinem Geld wöchentlic­h 75 Euro Haushaltsg­eld zugeteilt, über das er frei verfügen kann. „Mittwochs gehe ich davon immer einkaufen.“Das restliche Geld bleibt auf einem Konto, das die Betreuerin für ihn verwaltet. Das Geld wird für größere Anschaffun­gen zurückgele­gt. Wie etwa für eine Waschmasch­ine, die bei S. unlängst kaputt ging. „Ich beschneide mich selbst aus Sicherheit­sgründen“, fasst es der 39-Jährige zusammen. Mit dieser Regelung käme er gut mit seinem Geld klar. „Diese Sicherheit ist für ihn wichtig aufgrund seiner Erkrankung“, fügt Silke Stade ergänzend hinzu. Die Sozialpäda­gogin betont jedoch, dass Betreuung nicht mit Entmündigu­ng gleichzuse­tzen sei.

„Betreuer unterstütz­en die Betroffene­n vielmehr darin, ein selbstbest­immtes Leben zu führen“, sagt die 45-Jährige. Der gesetzlich­e Betreuer wird vom Betreuungs­gericht bestellt. Betreuer würden unglaublic­h genau überprüft, sagt Stade. „Das ist die Sicherheit, die ein Betreuter hat.“Mit manchen Klienten führe sie härtere Auseinande­rsetkommen zungen. Befinde sich jemand in einer psychische­n Krise, könne er nämlich durchaus die Realität verkennen. „Als Betreuerin kann ich aber nicht Vorschläge machen, mit denen der Betroffene nicht einverstan­den ist. Dann müssen wir gemeinsam einen Kompromiss finden.“Die meisten Betreuten des SKF sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. Laut Stade nimmt der Anteil der jungen Menschen jedoch zu. Problemati­sch sei, dass der Bedarf insgesamt ständig steige, aber einige Träger das Angebot einstellte­n, weil die Kostenerst­attung die Kosten nicht decke.

Philipp S. ist froh, dass er die Betreuerin­nen an seiner Seite hat. Der 39-Jährige wäre sonst nicht nur mit der Regelung seiner Finanzen verloren. Auch den eigenen Haushalt bewältigt er nicht ohne Hilfe. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. In Absprache mit den Betreuerin­nen mache ich zum Beispiel meine Putzpläne. Sie geben mir kleine Tritte in die richtige Richtung.“

Es gibt wöchentlic­h ein Haushaltsg­eld

OInfos Der Betreuungs­verein des Sozialdien­stes katholisch­er Frauen (SKF) Augsburg informiert bei Fragen zum Betreuungs­recht und zu Vorsorgemö­glichkeite­n in einem persönlich­en Beratungsg­espräch. Zudem gibt es immer wieder Infoverans­taltungen für Interessie­rte. Mehr unter: www.skf-augsburg.de/betreuung.

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