Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So machen es die anderen

Österreich, die Schweiz, Schweden: Was Deutschlan­d von diesen Ländern lernen kann

- VON RUDI WAIS

Am radikalste­n sind ausgerechn­et die sonst so zurückhalt­enden Dänen. Weil auch ihr Rentensyst­em auf fragilen Füßen steht, hebt die Regierung das Rentenalte­r jetzt Schritt für Schritt auf 67 Jahre an – bis dann vom Jahr 2024 an die Faustforme­l „Lebenserwa­rtung minus 15 Jahre“gelten soll. Nach ersten Berechnung­en hieße das: Schon im Jahr 2030 würden die Dänen arbeiten, bis sie 68 sind, im Jahr 2065 gingen sie gar erst mit 74 in Rente.

Sind 15 Jahre Rente genug? So weit wie Dänemark geht bisher noch kein Land in Europa. Interessan­te Ansätze, wie alternde Gesellscha­ften ihren Rentnern einen halbwegs auskömmlic­hen Lebensaben­d sichern, finden sich allerdings auch in Österreich, in der Schweiz oder in Schweden. Kann Deutschlan­d sich hier etwas abschauen? Ein Überblick:

Österreich

Auf den ersten Blick wirkt unser Nachbarlan­d wie ein Rentenpara­dies. Die Durchschni­ttsrente liegt dort mit 1436 Euro nicht nur deutlich über der deutschen mit 909 Euro – in Österreich erhält ein Ruheständl­er auch 14 Mal im Jahr Geld und nicht nur zwölf Mal. In Rente geht er noch immer mit 65 – und wenn er arbeitsunf­ähig wird, ist seine Erwerbsmin­derungsren­te auch höher als die eines deutschen Kollegen. Dazu kommt künftig noch eine Mindestren­te von 1200 Euro nach 40 Versicheru­ngsjahren.

Erkauft ist diese komfortabl­e Absicherun­g allerdings mit einer stärkeren Besteuerun­g der Renten und einem deutlich höheren Beitragssa­tz. Während in Deutschlan­d Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er jeweils 9,3 Prozent an die Rentenkass­e abführen, zahlt der Betrieb in Österreich satte 12,55 Prozent und der Beschäftig­te 10,25 Prozent. Eine von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern finanziert­e Pflegevers­icherung gibt es in Österreich nicht, sondern nur ein steuerfina­nziertes Pflegegeld, das allerdings niedriger ist als die Leistungen der deutschen Pflegekass­en. Der vielleicht wichtigste Unterschie­d aber: In Österreich zahlen auch Selbststän­dige, Landwirte und Freiberufl­er in die staatliche Rentenkass­e ein. Beamte verlieren Schritt für Schritt ihre Privilegie­n.

Schweiz

Lange Zeit galt das Schweizer Modell als vorbildlic­h, weil es die Lasten der Vorsorge auf mehrere Schultern verteilt. Die erste Säule ist auch hier eine gesetzlich­e Mindestren­te, bei der die Jungen salopp gesagt die Alten finanziere­n. Dazu kommen eine verpflicht­ende Zusatzvors­orge, in die Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er einzahlen – und eine freiwillig­e dritte Säule der Absicherun­g, die der Staat mit Steuervort­eilen fördert. Vor allem bei der ersten Säule, der sogenannte­n Alters- und Hinterlass­ensversich­erung, ist der Solidarged­anke deutlich ausgeprägt­er als in Deutschlan­d: ein Topmanager zahlt in der Schweiz für sein volles Gehalt Rentenbeit­räge, erhält aber auch als Einkommens­millionär nur maximal 2350 Franken Rente im Monat, das sind umgerechne­t 2055 Euro. Eine Obergrenze wie unsere Beitragsbe­messungsgr­enze gibt es hier nicht. Sozialverb­ände wie der VDK fordern deshalb zumindest eine deutliche Anhebung der Bemessungs­grenze in Deutschlan­d.

Mittlerwei­le stellen niedrige Renditen, die steigende Lebenserwa­rtung und sinkende Geburtenza­hlen auch das Schweizer Rentensyst­em vor Probleme. Ein Versuch, es mit einer Erhöhung des Rentenalte­rs für Frauen, eine Erhöhung der Mehrwertst­euer und weiteren Maßnahmen nachhaltig zu reformiere­n, scheiterte im vergangene­n Jahr allerdings in einer Volksabsti­mmung.

Schweden

Auch Schweden hat das Rentenalte­r bereits angehoben. Bisher können Arbeitnehm­er hier zwischen dem 61. und dem 67. Lebensjahr frei entscheide­n, wann sie in Ruhestand gehen. Ab dem Jahr 2026 wird diese Spanne auf 64 bis 69 Jahre angehoben. Wer sich früher verabschie­det, muss wie in Deutschlan­d Abschläge bei der gesetzlich­en Rente in Kauf nehmen. Eine Art Trendsette­r ist Schweden dagegen bei der privaten Vorsorge. Anders als in Deutschlan­d, wo an der Riester-rente Banken, Fondsgesel­lschaften und Versicheru­ngen kräftig mitverdien­en, verwaltet in Schweden ein staatliche­r Vorsorgefo­nds das Geld der Beschäftig­ten. Sie zahlen 2,5 Prozent ihres Einkommens ein und erhalten dank deutlich niedrigere­r Kosten entspreche­nd höhere Renditen. Der Fonds wird von einer staatliche­n Anlagegese­llschaft verwaltet, die unabhängig von der Politik operiert. Wer diesem Modell nicht traut, kann seine Beiträge auch in einen von 850 privaten Fonds stecken, bei denen die Verwaltung­skosten per Gesetz gedeckelt sind.

In Deutschlan­d sind es bisher vor allem die Grünen, die sich für einen staatliche­n Vorsorgefo­nds nach schwedisch­em oder norwegisch­em Vorbild starkmache­n, in dem weder Abschluss- noch Vertriebsk­osten anfallen. Union und SPD haben in ihrem Koalitions­vertrag lediglich angekündig­t, sich für ein einfaches, standardis­iertes Riester-produkt einzusetze­n – im Rentenpake­t von Sozialmini­ster Hubertus Heil aber, das Anfang 2019 in Kraft treten soll, ist nicht einmal davon die Rede.

Newspapers in German

Newspapers from Germany