Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Das Rentenniveau kann man nicht essen“
Professorin Gisela Färber über die unterschiedlichen Systeme der Altersversorgung und ihre schwierige Vergleichbarkeit. Sie erklärt auch, warum die Pensionen von Staatsdienern in der Regel höher liegen als Renten
Warum ist es selbst für Wissenschaftler schwer, die Beamtenpensionen mit der gesetzlichen Altersversorgung zu vergleichen?
Prof. Gisela Färber: Die meisten Menschen wissen nicht oder übersehen es, dass es sich bei der Beamtenversorgung – anders als bei der gesetzlichen Rente – um ein bifunktionales System handelt, das die Basissicherung der ersten Säule mit einer betrieblichen Alterssicherung zu einer kombinierten Alterssicherung verknüpft.
Worin liegen also die grundlegenden Unterschiede der beiden Systeme?
Färber: Die meisten Beschäftigten in der Privatwirtschaft wechseln in ihrem Arbeitsleben mehrfach den Arbeitgeber und sammeln Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung und – wenigstens bei großen Arbeitgebern – in den jeweiligen betrieblichen Alterssicherungen. Das Beamtenverhältnis ist – mit besonderen Rechten und Pflichten – auf Lebenszeit angelegt, auch die Laufbahnen sind streng reguliert. Deshalb kann die Beamtenversorgung ihre Leistungen am letzten Amt und Einkommen ausrichten, während die gesetzliche Rentenversicherung die Rente nach dem durchschnittlichen Einkommen zum jeweiligen Jahresdurchschnittseinkommen bemisst.
Und wo ähnlich?
sind
sich Pension und Rente
Färber: Beide Systeme knüpfen an der Lebensarbeitsleistung zum Beispiel bei der Berechnung der rentensteigernden ruhegehaltsfähigen Zeiten an und werden auch mit der Veränderung der als Bezug geltenden Einkommensleistungen, etwa die durchschnittliche Entwicklung der versicherungspflichtigen Einkommen und Beamtenbezüge, dynamisiert. Rentenverschlechternde Reformen – wie die Abschläge bei vorzeitigem Ruhestandseintritt und die sogenannte Riester-treppe – wurden wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertragen, manche rentensteigernden Reformen, zum Beispiel Zuschläge für Arbeitszeiten nach der Regelaltersgrenze, leider nicht.
Inwiefern ist die betriebliche Altersvorsorge vergleichbar mit der Versorgung von Beamten?
Färber: In der Vergangenheit – zum Teil noch bis vor gut 20 Jahren – dominierte die Direktzusage die betriebliche Alterssicherung, bei der ein bestimmtes Alterseinkommen bzw. ein Prozentsatz des letzten Einkommens, beispielsweise 75 Prozent, durch Zuzahlungen auf das Einkommen der gesetzlichen Rente garantiert wurde. Das war den Arbeitgebern aber irgendwann zu riskant und sie gingen – mit Ausnahme für ihre Führungskräfte – auf andere kapitalgedeckte und überwiegend ausgelagerte Durchführungswege über.
Sehen Sie die Beamten tatsächlich im Vorteil gegenüber Rentnern, wie viele Menschen glauben?
Färber: Nein, ich sehe hier keine wesentlichen Vorteile, wenn man tatsächlich ähnliche Berufsbiografien und Karriereverläufe vergleicht. Zudem verdienen Beamtinnen und Beamte im aktiven Leben brutto weniger, weil ihr Einkommen schon in den 1950er Jahren um den nicht zu zahlenden Arbeitnehmerbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt wurde. Verlassen sie ihren Dienstherrn zugunsten eines Arbeitsplatzes in der Privatwirtschaft, verlieren sie sogar erhebliche Teile ihrer Alterssicherung, weil sie nur in der gesetzlichen Rentenversicherung und nur in Höhe des gekürzten Bruttoeinkommens nachversichert werden.
Welche Rolle spielt das unterschiedliche Bildungsniveau von Beamten und Beitragszahlern?
Färber: Dass die durchschnittlichen Pensionen deutlich über den durchschnittlichen Rentenzahlfällen liegen, liegt nicht nur an dem Anteil der betrieblichen Alterssicherung, sondern auch daran, dass die Beamtenbezüge auch wegen des hohen Bildungsniveaus des Öffentlichen Dienstes über den durchschnittlichen Bruttoeinkommen der Privatwirtschaft liegen. Die aktiven Einkommen und die daraus abgeleiteten oder daraus finanzierten Alterseinkommen werden entscheidend durch das Bildungsniveau der Beschäftigten bestimmt. Und hier ist der Öffentliche Dienst mit rund zwei Dritteln aller Beschäftigten mit einem – um im heutigen Abschlussgefüge zu argumentieren – Bacheloroder Masterabschluss gegenüber nur 21 Prozent aller abhängig Beschäftigten einschließlich des Öffentlichen Dienstes deutlich höher qualifiziert als die Privatwirtschaft.
Ist das Rentenniveau ein objektiver Maßstab für die Altersversorgung?
Färber: Das Rentenniveau ist eine Kunstgröße, die nur angibt, wie sich die Rente eines „Kunstrentners“, der 45 Jahre immer durchschnittlich verdient hat, gegenüber dem Durchschnittseinkommen verändert. Es blendet aus, wie sich Renten
Professorin Gisela
63, ist Inhaberin des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und leitet die Forschungsstelle Öffentlicher Dienst am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung. Sie hat unter anderem für das Bundesinnenministerium untersucht, inwieweit Alterseinkünfte von Bundesbeamten und Arbeitnehmern überhaupt vergleichbar sind. individuell – positiv – verändern, wenn die Menschen länger arbeiten und mehr Rentenansprüche erwerben. Es steigt aber, wenn viele Menschen länger arbeiten und sich das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern verbessert. Und schließlich: Das Rentenniveau kann man nicht essen. Es ist nur ein Indikator für einen Teil der Alterseinkommen.
Was halten Sie von den Plänen, zusätzlich zur Renteninformation eine umfassendere Auskunft zu institutionalisieren, die dann auch die private Vorsorge umfasst?
Färber: Eine umfassende säulenübergreifende Renteninformation, wie es sie zum Beispiel schon in Schweden gibt, wäre bei allen methodischen Schwierigkeiten, die für das deutsche Drei-säulen-system noch zu lösen sind, wünschenswert.
In einer Machbarkeitsstudie haben Sie 2016 versucht, Wege aufzuzeigen, wie ein echter Vergleich eventuell möglich wäre. Worauf kommt es dabei in erster Linie an?
Färber: Da Alterseinkommen immer auf beitragsfundierten oder auch beitragslosen Ansprüchen aus Arbeitseinkommen resultieren, kann man einen seriösen Vergleich nur über empirische Verläufe von solchen repräsentativen Erwerbseinkommen von Beschäftigten vergleichbarer, das heißt großen Arbeitgebern anlegen. Die Berufsbiografien typisierter Beamtinnen und Beamter lassen sich unschwer ermitteln. Uns fehlen aber die vergleichbaren Verdienstbiografien privater Beschäftigter, da diese vor allem bei höher Qualifizierten meistens nicht mehr nach Tarifverträgen bezahlt werden, sondern außertarifliche individuelle Vereinbarungen haben.
Wird es geben?
Färber:
eines Tages diesen Vergleich
Wir arbeiten daran!
Interview: Joachim Bomhard