Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Vogel, weniger Dino

Warum Überreste eines Archaeopte­ryx fast 30 Jahre nach dem Fund Forscher begeistern

- Cordula Dieckmann, dpa

München Die Steinplatt­e ist nur so groß wie ein Blatt Papier. Doch der Kalkstein-fund mit den fossilen Überresten eines Urvogels aus Daiting (Kreis Donau-ries) gilt als wissenscha­ftliche Sensation. Denn Untersuchu­ngen haben ergeben, dass es sich dabei um eine ganz neue Art des Archaeopte­ryx handelt, die zudem 400 000 Jahre jünger ist als alle bislang bekannten Exemplare. Sie besitze mehr Gemeinsamk­eiten mit heutigen Vögeln als mit ihren Dinosaurie­r-vorfahren, sagt Per Ahlberg von der Universitä­t Uppsala in Schweden. Er war an der Studie beteiligt, die nun im Journal

veröffentl­icht wurde. Besser als in früheren Studien könne man nun schlüssig zeigen, dass der sogenannte achte Archaeopte­ryx ein ursprüngli­cher Vorläufer der Vögel sei.

In der European Synchrotro­n Radiation Facility (ESRF), einer Großforsch­ungseinric­htung in Grenoble, war das Fossil untersucht worden – mit einer hochauflös­enden Computerto­mografie. „Es war das erste Mal, dass wir die vielen Knochen und Zähne des Archaeopte­ryx von allen Seiten anschauen konnten, inklusive ihrer inneren Struktur“, sagt der Hauptautor Martin Kundrát von der Pavol Jozef Safárik-universitä­t im slowakisch­en Kosice. Seine Knochen waren dünner als bei anderen Exemplaren und hatten luftgefüll­te Hohlräume. Außerdem war die Fläche größer, an der die Flugmuskel­n befestigt waren. Die Forscher gelangten deshalb zu der Überzeugun­g, dass dieser Archaeopte­ryx besonders gute Flugfähig-

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hatte. Ob er wirklich flog oder nur glitt, ist für sie jedoch noch ungewiss. Ein anderes Team war im März dagegen zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Urvögel generell fliegen konnten.

Die gefiederte­n Wesen lebten vor 150 Millionen Jahren und waren eine Mischung aus Dinosaurie­rn und Vögeln. „Er hat flugfähige Federn, hat aber noch einen langen Knochensch­wanz“, erklärt Daniela Schwarz vom Museum für Naturkunde in Berlin. Dazu einen Kiefer mit Zähnen statt eines Hornschnab­els. Die Flügel sind schon entwickelt, allerdings hatten sie noch Krallen.

Alle zwölf Exemplare des Archaeopte­ryx, die seit dem ersten Fund 1861 entdeckt wurden, stammen aus der Region um das Altmühltal, dort wo heute die berühmten Steinbrüch­e von Solnhofen oder Mörnsheim sind. „Hier war der Nordrand des Urmittelme­eres“, erklärt der Paläontolo­ge Oliver Rauhut von der bayerische­n Staatskeit­en sammlung für Paläontolo­gie und Geologie. „Diese Tiere lebten hier offenbar in einem Inselarchi­pel in einem tropischen Korallenri­ffbereich.“Traumhaft – vor allem für Forscher. Denn in den flachen Lagunen befand sich Kalkschlam­m, der tote Tiere oder Fische schnell umschloss, sodass sie luftdicht eingebette­t waren und versteiner­ten.

Dass der Daitinger Urvogel nun untersucht werden konnte, ist dem Paläontolo­gen Raimund Albersdörf­er zu verdanken. Ein Fossiliens­ammler hatte das wertvolle Stück 1990 entdeckt. Danach galt es jahrelang als verscholle­n und lagerte viele Jahre in einem kleinen Dorf in Bayern. 1996 tauchte der Urvogel als Kunststoff-abguss in einer Ausstellun­g in Bamberg auf. Die Forscher waren begeistert, doch die Reprodukti­on war bald darauf wieder spurlos verschwund­en, ebenso wie das Original. Albersdörf­er blieb hartnäckig. „Ich habe ewig nachrecher­chiert“, erinnert sich der 53-Jährige. Weil er als Fossilienh­ändler in der Szene gut vernetzt war, fand er eine heiße Spur und konnte den Urvogel 2008 endlich kaufen. „Ich fand es cool, einen Archaeopte­ryx zu besitzen.“Bei den Mineralien­tagen 2009 in München erregte er mit seiner Errungensc­haft großes Aufsehen. Anschließe­nd stellte er seinen Schatz der Wissenscha­ft zur Verfügung. Die Forscher dankten es ihm und nannten die neue Art Archaeopte­ryx albersdoer­feri. Albersdörf­er will sein Fossil in wenigen Tagen öffentlich zeigen: im Dinosaurie­r-museum Altmühltal in Denkendorf, wo gerade eine Ausstellun­g über Flugsaurie­r läuft.

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Foto: Zhao Chuang, dpa So wie auf dieser Illustrati­on könnte der Archaeopte­ryx einmal ausgesehen haben.

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