Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Fahren Gersthofer bald günstiger Bus und Bahn?
Im neuen Jahr erhöht der AVV die Preise. Doch exklusiv für die Bürger der reichen Kleinstadt könnte es ab Herbst billiger werden. Das zumindest plant der dortige Bürgermeister Michael Wörle
Gersthofen/augsburg Die bayerische Politik redet noch über die Einführung eines 360-Euro-tickets für den Nahverkehr – für die Gersthofer könnte es bereits im kommenden September Wirklichkeit werden. Falls der Stadtrat der 22 000-Einwohner-stadt im Norden von Augsburg bei den anstehenden Haushaltsberatungen zustimmt, will Bürgermeister Michael Wörle (parteilos) den Gersthofern ab September 2019 subventionierte Nahverkehrstickets für Bus, Straßenbahn und Bahn anbieten.
Die Bürger der Stadt sollen innerhalb Gersthofens in den dortigen Bussen mit einem Abo für 20 Euro im Monat fahren können. Für ein Abo, das auch für die beiden Zonen des Augsburger Stadtgebietes gilt, sollen nur 30 Euro fällig werden. Regulär kostet das rund um die Uhr gültige Mobil-abo für die Zonen 10 bis 20 aktuell 50 Euro im Monat, im neuen Jahr soll es teurer werden. Der Verkehrsverbund AVV hat eine Preiserhöhung von durchschnittlich 3,9 Prozent bereits angekündigt.
Mit dem Zuschuss will der Gersthofer Rathauschef mehr Bürger dazu bewegen, in die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. „Zu einem attraktiven Nahverkehr gehört auch ein attraktiver Preis.“Wörle, der auch im Verkehrsausschuss des Städtetages sitzt, gibt in Sachen Nahverkehr schon länger Gas. In Gersthofen soll das städtische Busnetz neu geordnet werden, auch eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 4 nach Gersthofen wird diskutiert. Das verbilligte Ticket könne Signalwirkung haben, hofft er. „Vielleicht springen ja andere auf den Zug auf.“
Für das Gersthofer 360-Euro-ticket braucht es neben der Zustimmung des dortigen Stadtrates eine Einigung mit dem Verkehrsverbund AVV über die organisatorische Umsetzung. Mögliches Vorbild ist das Augsburger Schülerticket, bei dem die Stadt Augsburg rund ein Drittel der Kosten für ein normales Schülerabo für Schüler aus Augsburg übernimmt.
Darüber hinaus gibt es den Vorstoß der Stadtwerke, den Nahverkehr im Kern der Innenstadt ab Ende 2019 kostenlos zu machen („City-zone“). Stadtwerke-chef Walter Casazza hatte angekündigt, sich für die Einnahmeausfälle von geschätzt 900 000 Euro pro Jahr um Zuschüsse zu bemühen. Das Sparticket für die Gersthofer würde auf Basis der derzeitigen Abonnentenzahl sogar nur 180 000 Euro kosten, was für die reichste Stadt der Region kein Problem darstellt.
Würde in Augsburg aber ein rund um die Uhr gültiges 365-Euro-ticket eingeführt, wie es Ministerpräsident Markus Söder im Wahlkampf versprochen hat, würde die Rech- nung für den Steuerzahler ungleich höher ausfallen. Die Einnahmeausfälle werden mit rund 12,5 Millionen Euro beziffert – das betrifft aber nur die Wenigereinnahmen bei den Bestandsabonnenten und den Wegfall von Zuschüssen für die Schülerbeförderung.
Sollten sich durch das Angebot weitere Fahrgäste gewinnen lassen (was ja gewollt ist), würde es wohl noch teurer. Denn dann müssten womöglich Haltestellen ausgebaut, zusätzliche Fahrzeuge angeschafft und mehr Personal eingestellt werden. Genaue Zahlen für dieses Szenario haben die Stadtwerke nicht in ihrer Schublade liegen. „Von heute auf morgen ließe sich das sowieso nicht einführen“, sagt Stadtwerkesprecher Jürgen Fergg. Mit der Staatsregierung gab es bislang übrigens noch keine Gespräche zu dem von Söder vor der Wahl angekündigten Ticket für einige Ballungsräume, darunter Augsburg.
Ein Gersthofer Alleingang dagegen wäre laut Werner Ziegelmeier, einer der Geschäftsführer der Gersthofer Verkehrsgesellschaft, für Gersthofen technisch ohne allzu großen Aufwand machbar. Es müssten eventuell einige kürzere Busse durch Gelenkbusse ersetzt werden, weil die Zahl der Fahrgäste aller Voraussicht nach ansteige. Zudem müsse eine Lösung für den Umsteige-knotenpunkt Oberhausen-nord gefunden werden. Dort enden die Gersthofer Buslinien und die Fahrgäste müssen auf die Straßenbahn umsteigen.
An dieser Stelle gibt es immer wieder Probleme, wenn sich der Autoverkehr auf der Donauwörther Straße staut. Dann kommen die Busse von und nach Gersthofen teils längere Zeit nicht mehr weg. „Wir hatten hier zuletzt wegen dieser Problematik einige Linienausfälle“, sagt Ziegelmeier. Dieses Problem müsse aber auch unabhängig von einem 360-Euro-ticket angegangen werden.
Doch inwieweit bringen günstigere Preise tatsächlich mehr Kunden in die öffentlichen Verkehrsmittel? Experten verweisen immer wieder darauf, dass der Preis höchstens die halbe Miete sei. Mindestens genauso wichtig seien Faktoren wie Pünktlichkeit, Fahrtzeiten und Anschlussmöglichkeiten. Die Stadt Wien, die als Vorreiter beim 360-Euro-ticket gilt, hat seit der Einführung zwar deutlich mehr Fahrgäste – allerdings wuchs die Stadt bevölkerungsmäßig im gleichen Maß.