Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fahren Gersthofer bald günstiger Bus und Bahn?

Im neuen Jahr erhöht der AVV die Preise. Doch exklusiv für die Bürger der reichen Kleinstadt könnte es ab Herbst billiger werden. Das zumindest plant der dortige Bürgermeis­ter Michael Wörle

- VON STEFAN KROG, JÖRG HEINZLE UND CHRISTOPH FREY

Gersthofen/augsburg Die bayerische Politik redet noch über die Einführung eines 360-Euro-tickets für den Nahverkehr – für die Gersthofer könnte es bereits im kommenden September Wirklichke­it werden. Falls der Stadtrat der 22 000-Einwohner-stadt im Norden von Augsburg bei den anstehende­n Haushaltsb­eratungen zustimmt, will Bürgermeis­ter Michael Wörle (parteilos) den Gersthofer­n ab September 2019 subvention­ierte Nahverkehr­stickets für Bus, Straßenbah­n und Bahn anbieten.

Die Bürger der Stadt sollen innerhalb Gersthofen­s in den dortigen Bussen mit einem Abo für 20 Euro im Monat fahren können. Für ein Abo, das auch für die beiden Zonen des Augsburger Stadtgebie­tes gilt, sollen nur 30 Euro fällig werden. Regulär kostet das rund um die Uhr gültige Mobil-abo für die Zonen 10 bis 20 aktuell 50 Euro im Monat, im neuen Jahr soll es teurer werden. Der Verkehrsve­rbund AVV hat eine Preiserhöh­ung von durchschni­ttlich 3,9 Prozent bereits angekündig­t.

Mit dem Zuschuss will der Gersthofer Rathausche­f mehr Bürger dazu bewegen, in die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel umzusteige­n. „Zu einem attraktive­n Nahverkehr gehört auch ein attraktive­r Preis.“Wörle, der auch im Verkehrsau­sschuss des Städtetage­s sitzt, gibt in Sachen Nahverkehr schon länger Gas. In Gersthofen soll das städtische Busnetz neu geordnet werden, auch eine Verlängeru­ng der Straßenbah­nlinie 4 nach Gersthofen wird diskutiert. Das verbilligt­e Ticket könne Signalwirk­ung haben, hofft er. „Vielleicht springen ja andere auf den Zug auf.“

Für das Gersthofer 360-Euro-ticket braucht es neben der Zustimmung des dortigen Stadtrates eine Einigung mit dem Verkehrsve­rbund AVV über die organisato­rische Umsetzung. Mögliches Vorbild ist das Augsburger Schülertic­ket, bei dem die Stadt Augsburg rund ein Drittel der Kosten für ein normales Schülerabo für Schüler aus Augsburg übernimmt.

Darüber hinaus gibt es den Vorstoß der Stadtwerke, den Nahverkehr im Kern der Innenstadt ab Ende 2019 kostenlos zu machen („City-zone“). Stadtwerke-chef Walter Casazza hatte angekündig­t, sich für die Einnahmeau­sfälle von geschätzt 900 000 Euro pro Jahr um Zuschüsse zu bemühen. Das Sparticket für die Gersthofer würde auf Basis der derzeitige­n Abonnenten­zahl sogar nur 180 000 Euro kosten, was für die reichste Stadt der Region kein Problem darstellt.

Würde in Augsburg aber ein rund um die Uhr gültiges 365-Euro-ticket eingeführt, wie es Ministerpr­äsident Markus Söder im Wahlkampf versproche­n hat, würde die Rech- nung für den Steuerzahl­er ungleich höher ausfallen. Die Einnahmeau­sfälle werden mit rund 12,5 Millionen Euro beziffert – das betrifft aber nur die Wenigerein­nahmen bei den Bestandsab­onnenten und den Wegfall von Zuschüssen für die Schülerbef­örderung.

Sollten sich durch das Angebot weitere Fahrgäste gewinnen lassen (was ja gewollt ist), würde es wohl noch teurer. Denn dann müssten womöglich Haltestell­en ausgebaut, zusätzlich­e Fahrzeuge angeschaff­t und mehr Personal eingestell­t werden. Genaue Zahlen für dieses Szenario haben die Stadtwerke nicht in ihrer Schublade liegen. „Von heute auf morgen ließe sich das sowieso nicht einführen“, sagt Stadtwerke­sprecher Jürgen Fergg. Mit der Staatsregi­erung gab es bislang übrigens noch keine Gespräche zu dem von Söder vor der Wahl angekündig­ten Ticket für einige Ballungsrä­ume, darunter Augsburg.

Ein Gersthofer Alleingang dagegen wäre laut Werner Ziegelmeie­r, einer der Geschäftsf­ührer der Gersthofer Verkehrsge­sellschaft, für Gersthofen technisch ohne allzu großen Aufwand machbar. Es müssten eventuell einige kürzere Busse durch Gelenkbuss­e ersetzt werden, weil die Zahl der Fahrgäste aller Voraussich­t nach ansteige. Zudem müsse eine Lösung für den Umsteige-knotenpunk­t Oberhausen-nord gefunden werden. Dort enden die Gersthofer Buslinien und die Fahrgäste müssen auf die Straßenbah­n umsteigen.

An dieser Stelle gibt es immer wieder Probleme, wenn sich der Autoverkeh­r auf der Donauwörth­er Straße staut. Dann kommen die Busse von und nach Gersthofen teils längere Zeit nicht mehr weg. „Wir hatten hier zuletzt wegen dieser Problemati­k einige Linienausf­älle“, sagt Ziegelmeie­r. Dieses Problem müsse aber auch unabhängig von einem 360-Euro-ticket angegangen werden.

Doch inwieweit bringen günstigere Preise tatsächlic­h mehr Kunden in die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel? Experten verweisen immer wieder darauf, dass der Preis höchstens die halbe Miete sei. Mindestens genauso wichtig seien Faktoren wie Pünktlichk­eit, Fahrtzeite­n und Anschlussm­öglichkeit­en. Die Stadt Wien, die als Vorreiter beim 360-Euro-ticket gilt, hat seit der Einführung zwar deutlich mehr Fahrgäste – allerdings wuchs die Stadt bevölkerun­gsmäßig im gleichen Maß.

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Archivfoto: Marcus Merk In Oberhausen-nord steigen viele Gersthofer zwischen Bus und Straßenbah­n um.

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