Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Fujitsu: Mitarbeiter sind entsetzt über das Aus
Der Firmenstandort Augsburg mit 1800 Beschäftigten muss bis September 2020 schließen. Betroffene wurden von der Hiobsbotschaft überrascht. Wie geht es für sie weiter?
Manche kämpfen mit den Tränen, andere sind frustriert und sauer. Und eine Mitarbeiterin von Fujitsu in Augsburg spricht am Freitagmorgen vor dem Werkstor aus, was viele Kollegen bewegt. „Mit schlechten Nachrichten hatten wir gerechnet, aber nicht mit dieser Hiobsbotschaft.“Gerade haben die rund 1800 Mitarbeiter eine schlimme Mitteilung erhalten: Das internationale It-unternehmen wird sein Augsburger Werk bis September 2020 schließen. Es ist der letzte und gleichzeitig modernste Computerproduktionsstandort in Europa.
Die Nachricht aus der Firmenzentrale in Japan trifft gegen sechs Uhr morgens in Augsburg ein. Das weltweite Unternehmen gibt im Rahmen seines jährlichen Berichts über die Strategieausrichtung bekannt, dass Forschung, Entwicklung und Produktion von Hardware in Japan zusammengefasst werden sollen. Damit ist das Aus für den Standort Augsburg besiegelt. Die Mitarbeiter erfahren gegen neun Uhr in einer Betriebsversammlung von der Werksschließung bis in zwei Jahren. Viele sind geschockt. Beschäftigte erzählen, sie hätten zwar mit weiteren Einsparungen gerechnet, die komplette Schließung des Werks habe sie aber kalt erwischt. „Morgens wird in Japan eine Entscheidung verkündet, und wir in Augsburg werden vor vollendete Tatsachen gestellt“, ärgert sich eine Beschäftigte, die zusammen mit ihrem Mann bei Fujitsu arbeitet. „Wenn so was kommt, haut es einen um“, sagt eine andere Mitarbeiterin, die seit rund 30 Jahren im Betrieb ist. Einige junge Ingenieure sehen mit der Schließung zwar nicht so viele Probleme für sich selbst, aber für andere: „Wir sind in der Lage, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, aber für ältere Kollegen dürfte es in Augsburg schwierig werden.“
Fujitsu hat eine lange Firmengeschichte in Augsburg. Das Werk an der Bürgermeister-ulrich-straße in Haunstetten gibt es seit 1987. Die Fujitsu Technology Solutions Gmbh zählt zu den größten Arbeitgebern der Stadt. Am Standort in Haunstetten arbeiten rund 1500 Mitarbeiter und 300 Leiharbeitnehmer. Nach Firmenangaben ist etwa ein Drittel der festen Belegschaft im Bereich Forschung und Entwicklung tätig, ein weiteres Drittel in der Produktion und der Rest in anderen Bereichen.
Wie geht es jetzt für die Betroffenen weiter? Wie Fujitsu-pressesprecher Michael Erhard ankündigt, soll die Werksschließung sozial verträglich gestaltet werden. Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung und der Gewerkschaft IG Metall sollen unmittelbar beginnen. „Die Mitarbeiter sollen Klarheit bekommen“, so Erhard.
Bei der Gewerkschaft IG Metall stößt die angekündigte Werksschließung auf harte Kritik. Dort kündigt man Widerstand gegen die Unternehmensentscheidung und öffentliche Proteste an. „Wir fordern den Erhalt des Augsburger Standortes“, so Angela Steinecker und Mi- chael Leppek von der Gewerkschaft. Die Schließungsankündigung sei ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Mitarbeiter und aller, die sich seit Jahren für den Standort einsetzen. Weiter fordert die IG Metall, das Unternehmen müsse betriebsbedingte Kündigungen „definitiv ausschließen“. Jürgen Wechsler, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, warnt vor den Folgen für den Wirtschaftsstandort Augsburg und ruft die Politik zum Handeln auf. Nach der angekündigten Schließung des Ledvance-werkes sei es innerhalb kurzer Zeit der zweite schwere Schlag für Augsburg und die Region. Die Staatsregierung könne die Werksschließung nicht einfach zuzulassen, sondern müsse eingreifen.
Die Augsburger Stadtspitze zeigt sich erschüttert, dass bei Fujitsu diese Entscheidung getroffen wurde. Die Stadt hatte das Joint Venture von Fujitsu mit Lenovo im vergangenen Jahr als positives Zeichen zur Neuausrichtung des Unternehmens gewertet, mit dem Ziel, die Produktion in Augsburg zu erhalten und auszubauen. Oberbürgermeister Kurt Gribl sagt am Freitag, jetzt müsse es darum gehen, für die betroffenen Mitarbeiter möglichst gute Regelungen zu treffen und Perspektiven zu eröffnen. Das sei zunächst eine Aufgabe des Unternehmens und des Betriebsrates. Die Stadt Augsburg gehe davon aus, dass die dafür vorgesehenen Instrumente wie Interessensausgleich, Sozialplan oder Transfergesellschaft verhandelt und angewendet werden. Weil die Standortschließung für das Jahr 2020 geplant ist, stehe dem Unternehmen noch ausreichend Zeit zur Verfügung, sozial verträgliche Lösungen auszuarbeiten. Auch Stadt und Region Augsburg könnten sich somit auf die Gegebenheiten besser einstellen.
Auch Wirtschaftsreferentin Eva Weber ist schockiert: „Es ist alles andere als schön, dass der Standort Augsburg geschlossen wird.“Es handele sich um Verschiebungen, die an Produktionsstandorten in einer weltweit verflochtenen Wirtschaft stattfinden. Wichtig sei es deshalb, vorhandene Firmen in Augsburg zu fördern und neue anzusiedeln. Die Stadt werde in Abstimmung mit den Kammern, der Agentur für Arbeit und Gewerkschaftsvertretern den Prozess bei Fujitsu aktiv begleiten und sich mit Handlungsmöglichkeiten auseinandersetzen. Diese „Augsburger Allianz für Arbeitsplätze“habe sich in der Vergangenheit bewährt.
Die Chefin der Arbeitsagentur, Elsa Koller-knedlik sagt, die Zahl der von Streichung bedrohten Arbeitsplätze für den Arbeitsmarkt im Raum Augsburg sei erheblich. „Fujitsu ist ein wesentlicher Arbeitgeber. Und vor allem ist es für die betroffenen Menschen und Familien eine schwierige Situation.“Solange noch nicht klar sei, wie Instrumente wie ein Sozialplan genutzt würden, sei es schwierig, konkrete Aussagen zu treffen.
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Die Angestellten sollen schnell Klarheit bekommen