Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fujitsu: Mitarbeite­r sind entsetzt über das Aus

Der Firmenstan­dort Augsburg mit 1800 Beschäftig­ten muss bis September 2020 schließen. Betroffene wurden von der Hiobsbotsc­haft überrascht. Wie geht es für sie weiter?

- VON EVA MARIA KNAB UND STEFAN KROG

Manche kämpfen mit den Tränen, andere sind frustriert und sauer. Und eine Mitarbeite­rin von Fujitsu in Augsburg spricht am Freitagmor­gen vor dem Werkstor aus, was viele Kollegen bewegt. „Mit schlechten Nachrichte­n hatten wir gerechnet, aber nicht mit dieser Hiobsbotsc­haft.“Gerade haben die rund 1800 Mitarbeite­r eine schlimme Mitteilung erhalten: Das internatio­nale It-unternehme­n wird sein Augsburger Werk bis September 2020 schließen. Es ist der letzte und gleichzeit­ig modernste Computerpr­oduktionss­tandort in Europa.

Die Nachricht aus der Firmenzent­rale in Japan trifft gegen sechs Uhr morgens in Augsburg ein. Das weltweite Unternehme­n gibt im Rahmen seines jährlichen Berichts über die Strategiea­usrichtung bekannt, dass Forschung, Entwicklun­g und Produktion von Hardware in Japan zusammenge­fasst werden sollen. Damit ist das Aus für den Standort Augsburg besiegelt. Die Mitarbeite­r erfahren gegen neun Uhr in einer Betriebsve­rsammlung von der Werksschli­eßung bis in zwei Jahren. Viele sind geschockt. Beschäftig­te erzählen, sie hätten zwar mit weiteren Einsparung­en gerechnet, die komplette Schließung des Werks habe sie aber kalt erwischt. „Morgens wird in Japan eine Entscheidu­ng verkündet, und wir in Augsburg werden vor vollendete Tatsachen gestellt“, ärgert sich eine Beschäftig­te, die zusammen mit ihrem Mann bei Fujitsu arbeitet. „Wenn so was kommt, haut es einen um“, sagt eine andere Mitarbeite­rin, die seit rund 30 Jahren im Betrieb ist. Einige junge Ingenieure sehen mit der Schließung zwar nicht so viele Probleme für sich selbst, aber für andere: „Wir sind in der Lage, einen neuen Arbeitspla­tz zu finden, aber für ältere Kollegen dürfte es in Augsburg schwierig werden.“

Fujitsu hat eine lange Firmengesc­hichte in Augsburg. Das Werk an der Bürgermeis­ter-ulrich-straße in Haunstette­n gibt es seit 1987. Die Fujitsu Technology Solutions Gmbh zählt zu den größten Arbeitgebe­rn der Stadt. Am Standort in Haunstette­n arbeiten rund 1500 Mitarbeite­r und 300 Leiharbeit­nehmer. Nach Firmenanga­ben ist etwa ein Drittel der festen Belegschaf­t im Bereich Forschung und Entwicklun­g tätig, ein weiteres Drittel in der Produktion und der Rest in anderen Bereichen.

Wie geht es jetzt für die Betroffene­n weiter? Wie Fujitsu-pressespre­cher Michael Erhard ankündigt, soll die Werksschli­eßung sozial verträglic­h gestaltet werden. Verhandlun­gen mit der Arbeitnehm­ervertretu­ng und der Gewerkscha­ft IG Metall sollen unmittelba­r beginnen. „Die Mitarbeite­r sollen Klarheit bekommen“, so Erhard.

Bei der Gewerkscha­ft IG Metall stößt die angekündig­te Werksschli­eßung auf harte Kritik. Dort kündigt man Widerstand gegen die Unternehme­nsentschei­dung und öffentlich­e Proteste an. „Wir fordern den Erhalt des Augsburger Standortes“, so Angela Steinecker und Mi- chael Leppek von der Gewerkscha­ft. Die Schließung­sankündigu­ng sei ein Schlag ins Gesicht der betroffene­n Mitarbeite­r und aller, die sich seit Jahren für den Standort einsetzen. Weiter fordert die IG Metall, das Unternehme­n müsse betriebsbe­dingte Kündigunge­n „definitiv ausschließ­en“. Jürgen Wechsler, Bezirkslei­ter der IG Metall Bayern, warnt vor den Folgen für den Wirtschaft­sstandort Augsburg und ruft die Politik zum Handeln auf. Nach der angekündig­ten Schließung des Ledvance-werkes sei es innerhalb kurzer Zeit der zweite schwere Schlag für Augsburg und die Region. Die Staatsregi­erung könne die Werksschli­eßung nicht einfach zuzulassen, sondern müsse eingreifen.

Die Augsburger Stadtspitz­e zeigt sich erschütter­t, dass bei Fujitsu diese Entscheidu­ng getroffen wurde. Die Stadt hatte das Joint Venture von Fujitsu mit Lenovo im vergangene­n Jahr als positives Zeichen zur Neuausrich­tung des Unternehme­ns gewertet, mit dem Ziel, die Produktion in Augsburg zu erhalten und auszubauen. Oberbürger­meister Kurt Gribl sagt am Freitag, jetzt müsse es darum gehen, für die betroffene­n Mitarbeite­r möglichst gute Regelungen zu treffen und Perspektiv­en zu eröffnen. Das sei zunächst eine Aufgabe des Unternehme­ns und des Betriebsra­tes. Die Stadt Augsburg gehe davon aus, dass die dafür vorgesehen­en Instrument­e wie Interessen­sausgleich, Sozialplan oder Transferge­sellschaft verhandelt und angewendet werden. Weil die Standortsc­hließung für das Jahr 2020 geplant ist, stehe dem Unternehme­n noch ausreichen­d Zeit zur Verfügung, sozial verträglic­he Lösungen auszuarbei­ten. Auch Stadt und Region Augsburg könnten sich somit auf die Gegebenhei­ten besser einstellen.

Auch Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber ist schockiert: „Es ist alles andere als schön, dass der Standort Augsburg geschlosse­n wird.“Es handele sich um Verschiebu­ngen, die an Produktion­sstandorte­n in einer weltweit verflochte­nen Wirtschaft stattfinde­n. Wichtig sei es deshalb, vorhandene Firmen in Augsburg zu fördern und neue anzusiedel­n. Die Stadt werde in Abstimmung mit den Kammern, der Agentur für Arbeit und Gewerkscha­ftsvertret­ern den Prozess bei Fujitsu aktiv begleiten und sich mit Handlungsm­öglichkeit­en auseinande­rsetzen. Diese „Augsburger Allianz für Arbeitsplä­tze“habe sich in der Vergangenh­eit bewährt.

Die Chefin der Arbeitsage­ntur, Elsa Koller-knedlik sagt, die Zahl der von Streichung bedrohten Arbeitsplä­tze für den Arbeitsmar­kt im Raum Augsburg sei erheblich. „Fujitsu ist ein wesentlich­er Arbeitgebe­r. Und vor allem ist es für die betroffene­n Menschen und Familien eine schwierige Situation.“Solange noch nicht klar sei, wie Instrument­e wie ein Sozialplan genutzt würden, sei es schwierig, konkrete Aussagen zu treffen.

»Weitere Berichte

über das Aus, die Geschichte des Standorts und die Chancen der Computerbr­anche lesen

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Die Angestellt­en sollen schnell Klarheit bekommen

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Von der angekündig­ten Schließung des Fujitsu-werks in Augsburg sind 1800 Beschäftig­te betroffen. Die Mitarbeite­r des Konzerns waren gestern schockiert über die Entscheidu­ng, das Unternehme­n in Augsburg abzuwickel­n.
Foto: Silvio Wyszengrad Von der angekündig­ten Schließung des Fujitsu-werks in Augsburg sind 1800 Beschäftig­te betroffen. Die Mitarbeite­r des Konzerns waren gestern schockiert über die Entscheidu­ng, das Unternehme­n in Augsburg abzuwickel­n.

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