Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dauerstrei­k in der Pflege ist vorläufig abgewendet

Am Klinikum haben sich Vorstand und Verdi auf Verbesseru­ngen fürs Personal geeinigt. Die endgültige Zustimmung geben aber Wissenscha­ftsministe­rium und Beschäftig­te. Unter anderem werden 100 Stellen geschaffen

- VON STEFAN KROG

Am Klinikum sollen in absehbarer Zeit weitere Entlastung­en für Schwestern und Krankenpfl­eger kommen: Der Vorstand des Hauses, Verdi und der Personalra­t haben in mehrwöchig­en Verhandlun­gsrunden bis Freitagnac­hmittag ein entspreche­ndes Paket ausgehande­lt – bei einem Scheitern hätte ein unbefriste­ter Streik der Pflege mit Ausfall von Operatione­n und Notbetrieb auf Stationen gedroht.

Unter anderem ist die Schaffung von 100 zusätzlich­en Pflegestel­len in den kommenden zwei Jahren vorgesehen. Allerdings ist die Vereinbaru­ng noch nicht endgültig. Verdi muss sie den Mitglieder­n zur Abstimmung vorlegen. Und auch das Klinikum muss sich erst anderswo grünes Licht holen: Nachdem der Freistaat das Haus in gut zwei Monaten übernehmen wird, dürfte das Wissenscha­ftsministe­rium sehr genau auf die Verhandlun­gsergebnis­se schauen. Absehbar ist nämlich auch: Sollte das Pflegepake­t, dessen Kosten noch nicht feststehen, in Augsburg in Kraft treten, muss sich der Freistaat darauf gefasst machen, dass auch die anderen Uni-kliniken in Bayern nach Verbesseru­ngen fragen. Bis Mitte November müssen sich beide Seiten erklären.

Das Pflegepake­t sieht laut Stefan Jagel von Verdi in der Folge der Schaffung neuer Stellen vor, dass in den Abteilunge­n auch verbindlic­h geregelt ist, wie viel Personal vor Ort sein muss. Dazu wird der Bedarf nach einem Schlüssel berechnet, auf den sich beide Seiten geeinigt haben. Sollte aufgrund von Krankheits­fällen weniger Personal im Einsatz sein, muss für Ersatz gesorgt werden oder aufschiebb­are Arbeiten können liegen bleiben. Im Extremfall stünde die Schließung von Betten an. Auch in der Ausbildung sind Verbesseru­ngen geplant. Ein wichtiger Punkt fürs Klinikum wird sein, genug Personal für die freien Stellen zu gewinnen. Wie berichtet wirbt das Haus auch im Ausland nach Bewerbern, weil der Stellenmar­kt in Deutschlan­d leer gefegt ist.

Mitarbeite­r aus dem Pflegebere­ich hatten in den vergangene­n Jahren immer wieder über Überlastun­g geklagt, wobei sich die Situation je nach Station und Jahreszeit unterschie­dlich darstellt. Teils führe die knappe Besetzung zu problemati­schen Situatione­n auch für Patienten, erklärten Pflegemita­rbeiter. Zeit für ein ruhiges Wort mit Patienten und Angehörige­n habe man mitunter ohnehin nicht mehr.

Neben dem Restruktur­ierungskur­s, den das Klinikum einschlug, um Defizite zu senken, spielt auch der allgemeine Kostendruc­k im Gesundheit­swesen eine Rolle. Zuletzt entspannte sich die Situation etwas, weil das Klinikum von sich aus einen Personalau­fbau ankündigte und später – als Verdi erste Warnstreik­s ansetzte – weitere Verbesseru­ngen folgen ließ, die zumindest teils Wirkung zeigten, etwa mehr Stellen und eine Million Euro für ein Sofortprog­ramm. Auch an internen Stellschra­uben wurde gedreht, etwa um einen besseren Überblick über die Bettenbele­gung zu haben.

Mit einer Bewertung der Ergebnisse hielt sich das Klinikum am Freitag zurück. „Nach intensiven Gesprächen wurden grundsätzl­iche Vereinbaru­ngen über Personalau­fbau und andere Maßnahmen getroffen“, hieß es vom Klinikum am Freitagnac­hmittag auf Anfrage. Verdi sprach von einem „langen Prozess, mit dessen Ergebnis man zufrieden sein“könne.

Die Gewerkscha­ft hatte in der Vergangenh­eit immer einen Tarifvertr­ag gefordert. Das Klinikum hielt dem entgegen, dass dafür der Arbeitgebe­rverband zuständig sei. Beide Seiten einigten sich nun auf eine Vereinbaru­ng, die ähnlich verbindlic­h ist. Allerdings gilt diese nur vorbehaltl­ich der endgültige­n Zustimmung, die bis 15. November vorliegen muss. Bis dahin drohen keine Streiks, auch wenn am Klinikum noch bis Sonntag die Urabstimmu­ng über einen unbefriste­ten Streik läuft. Tritt die Einigung in Kraft, spielt das Ergebnis der Urabstimmu­ng keine Rolle mehr. Es kann aber als Gradmesser für den Rückhalt für die Verdi-forderunge­n in der Belegschaf­t gesehen werden. Am Sonntag will Verdi das Ergebnis verkünden.

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