Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Frage der Woche Ist Halloween der Horror?
Dieses Fest ist der Horror. An keinem Tag des Jahres essen die Menschen derart Unappetitliches, sehen derart grauenhaft aus und benehmen sich so, als seien sie beste Freunde von Chucky, der Mörderpuppe! Oder waren Sie noch nie bei einer Halloween-party?
Falls ja, also nein, hier meine Erlebnisse: Bei Freundin A. gab es Skelette an der Wand, ein paar Spinnweben aus Zuckerguss und halbe Würstchen im Brötchen. Die Würstchen sahen aus wie abgehackte Finger. Das ist lange her. Heutzutage gibt man sich mit abgehackten Fingern nicht mehr ab. Bei Freund K. war die gesamte Badewanne gefüllt mit Blut. Also natürlich kein richtiges Blut. Richtiges Blut riecht besser. Dieses Blutbad hatte einen sehr aufdringlichen Rosenduft. Man konnte sich reinlegen! Freundin B. tat es und wurde nie mehr ganz die alte. Bei Freund S. aß ich Wackelpudding. Im Wackelpudding war leider noch etwas. Den Augapfel habe ich erst entdeckt, als es zu spät war. Ich musste ihn wieder ausspucken, er war aus Plastik. Es war schlimm. Wurde noch schlimmer, als mich jemand mit einer Maske aus Leder und einer großen Axt anrempelte, und mir ins Ohr flüsterte: „Um Mitternacht bist du tot.“Das war mein Freund L., aber ich erkannte ihn nicht. Wie ich ohnehin fast niemand erkannte. Auch nicht meine an sich sehr nette Freundin L, die als Krankenschwester ging, im Kopf eine Schere, das Gesicht blutüberströmt. Sie verfolgte die Gäste mit einer Riesenspritze. Ich hätte mich gerne mit ihr unterhalten, wenn ich nur etwas früher gewusst hätte, dass sie es ist …
Deswegen: Halloween ist das Grauen. Eine überflüssige Schocktherapie. Es gibt kein Entkommen. Die Partys werden gefeiert. Warum ich dennoch hingehe? Alleine zu Hause fürchte ich mich!
Man muss sich an dieser Stelle eigentlich gar nicht mehr die Mühe machen, darauf hinzuweisen, dass der vermeintliche amerikanische Firlefanz seine kulturellen Wurzeln in Europa hat. Und auch gar nicht mehr darauf pochen, dass auch hier heimische (die AFD würde wohl sagen: autochtone) und mitunter hochheilige Feste sich einiges an internationalem und heidnischem Brimborium einverleibt haben.
Es sollte zur Verteidigung von Halloween der zarte Hinweis genügen, dass es wirklich etwas sehr Schönes sein kann, mit Kindern an Kürbissen rumzuschnitzen und die Köpfe dann nachts allüberall flackernd rumgeistern zu sehen. Das „Rübengeistern“übrigens ist ohnehin ein alter hiesiger Herbstbrauch… Und man muss die Kleinen ja auch nicht mit Naschereien überschütten, wenn die – „Süßes! Oder (es gibt) Saures!“– plötzlich vor der Haustür stehen. Aber knuffig finden darf man sie in ihren mitunter aufs Niedlichste gruseligen Horrorkostümchen dann schon noch, oder? Zu den verbreiteten Halloween-verkleidungs-partys muss keiner gehen – aber sie können eben halt auch einfach ein Anlass sein, mit netten Leuten einen lustigen Abend zu haben. Und dass das manchmal ausartet … – mit diesem Argument könnte man auch die ganze Rumböllerund Zuprosterei an Silvester am abschaffen wollen. Echt jetzt?
Und um doch noch die große Runde zu nehmen: Gruseln gehört zum Menschensein, wie das Auftauchen und Beschwören düsterer Gestalten zum Übergang in den Winter und die dunkle Zeit gehören (samt Vertreibung zum Frühling). Es ist bei aller Show und allem Schabernack also etwas Tieferes, Sinnhaftes darin aufgehoben. Wer also bloßen Blödsinn darin sieht, ist halt Opfer seinen eigenen stumpfen Blicks. Die Welt – ein Spiegel.