Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Müll: Warum Bürger in Augsburg mehr bezahlen
Stadt und die angrenzenden Landkreise haben sich für unterschiedliche Berechnungsmodelle entschieden. Je nach Wohnort kostet darum die Abfallentsorgung mal mehr und mal weniger. Das sorgt für Unverständnis
Region Augsburg Herr und Frau Müller wohnen mit ihren Kindern auf der Westseite der Meringer Straße – gleich gegenüber der ebenfalls vierköpfige Familie Mayer, die auf der Ostseite lebt. Man kennt sich, man grüßt sich, man spricht miteinander. Zum Beispiel über den Müllgebührenbescheid, der bei beiden im Briefkasten lag und trotz gleicher Personenzahl im Haushalt ganz unterschiedlich ausfiel. Denn Familie Müller ist im Stadtgebiet Augsburg zu Hause und muss dort fast 150 Euro im Jahr bezahlen. Das Haus der Familie Mayer hingegen steht im Landkreis Aichach–friedberg, wo nicht einmal 100 Euro fällig werden. Wie kommt denn das?
Eigentlich macht die Region in Sachen Müllentsorgung gemeinsame Sache. Zum Bau der Abfallverwertungsanlage (AVA) in Lechhausen gründeten 1980 die Landkreise Augsburg und Aichach-friedberg gemeinsam mit der Stadt Augsburg einen Zweckverband. Der AZV ist heute alleiniger Gesellschafter der AVA, die Mitte 2018 in ein Kommunalunternehmen umgewandelt wurde. Doch trotz aller Gemeinsamkeiten – bei den Müllgebühren gehen alle drei Partner getrennte Wege. Jeder hat ein anderes Modell entwickelt, wie er seinen Bürgern die Abfallentsorgung in Rechnung stellt.
Der Landkreis Aichach-friedberg gilt seit den heftigen Debatten um die Sondermülldeponie Gallenbach, um die Müllverbrennungsanlage, die in Hauptwindrichtung direkt an der Augsburger Stadtgrenze liegt, und um die Standortsuche für eine zugehörige Schlackendeponie als besonders sensibilisiert. Mit seinem System der Wertstoffhöfe war das Wittelsbacher Land lange Zeit Vorreiter in Sachen Abfallvermeidung und -wiederverwertung.
Das belegt auch der sogenannte ungedeckte Finanzbedarf. Dieser statistische Wert zeigt auf, wie viel Geld Landkreise und kreisfreie Städte von jedem Bürger jährlich kassieren müssen, um die Kosten der Müllentsorgung zu erwirtschaften. So wird ein direkter Vergleich zwischen den Gebietskörperschaften möglich. Die letzte Auflistung für ganz Bayern stammt noch aus dem Jahr 2015 und reicht von 45 bis 155 Euro. Aichach-friedberg liegt derzeit bei 64,72 Euro und damit im oberen Drittel, was die Wirtschaftlichkeit anbelangt.
Das zahlt sich für seine Bewohner aus. Durch konsequente Trennung konnte die Mindestmenge an Restmüll inzwischen auf fünf Liter pro Person und Woche gesenkt werden. Für einen Vier-personen-haushalt ist bei 14-tägiger Leerung nur noch eine 60-Liter-tonne nötig – mit entsprechenden Folgen für die Gebühren. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren mussten die Landkreis-bürger noch umgerechnet über 200 Euro für die damals kleinste Tonne, ein 70-Liter-gefäß, bezahlen. Mit rund 120 Liter Restmüll pro Person und Jahr liegt der Landkreis deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 145 Liter.
Zum Jahreswechsel 2019 vollzieht der Landkreis außerdem noch einen Systemwechsel bei den Leichtverpackungen. Sie mussten bisher zu Hause sortiert und am Wertstoffhof abgeliefert werden. Wie in der Stadt Augsburg gibt es künftig eine Gelbe Tonne, in der Becher, Hohlkörper, Getränkekartons, Folien, Restkunststoffe, aber auch Verpackungen aus Alu-weißblech und Styropor gesammelt und in vierwöchigem Turnus abgeholt werden. Sie ist – ebenso wie die Biound Papiertonne, die auf Wunsch erhältlich sind – in den neuen Müllgebühren bereits enthalten. Damit soll die Erfassungsquote verbessert werden, die bislang niedriger war als in der Stadt und im Landkreis Augsburg.
Im Augsburger Land wurden seit 1996 die Müllgebühren fünfmal in Folge um durchschnittlich 16 Prozent gesenkt. Am 1. Juli stiegen die Preise erstmals wieder, sie gelten nun drei Jahre lang. Am häufigsten wird im Landkreis Augsburg die 80-Liter-tonne mit 14-tägiger Leerung genutzt, die auch das kleinste Restmüllgefäß ist. Für ein Einfamilienhaus mit 80-Liter-tonne fallen im Jahr 2019 insgesamt 101,88 Euro an. In dieser Gebühr ist auch die Abholung einer Altpapiertonne und einer Biotonne von je 240 Liter Volumen inbegriffen, ebenso der Anspruch auf eine Sperrmüllabholung im Jahr, die Nutzung der Wertstoffhöfe und die halbjährliche Problemmüllsammlung.
Die Abholung der Verpackungsabfälle über den Gelben Sack bezahlen die Bürger bereits beim Einkauf des Produkts. Bei einem sehr geringen Müllaufkommen können sich die Bürger die Tonne mit einem unmittelbar benachbarten oder gegenüberliegenden Nachbarn teilen und die Gebühren somit halbieren. Im Durchschnitt produzierte jeder Landkreisbürger im Jahr 2017 152,54 Kilogramm Hausmüll.
Etwas anders als in den beiden Landkreisen läuft die Müllabfuhr in der Stadt Augsburg, denn hier wird grundsätzlich nach Personenzahl abgerechnet. Erwachsene zahlen 49,80 Euro pro Jahr, Minderjährige 24,90 Euro. Dafür gibt es 30 Liter Restmüll pro Person bei 14-tägiger Leerung plus Gelbe Tonne, Biotonne und Papiertonne. Familien müssen nur für die ersten beiden Kinder bezahlen.
Für Wohnanlagen und für Grundstücke, auf denen es nicht nur Wohnnutzung gibt, rechnet auch die Stadt nach der Abfallmenge ab. Hier liegen die Kosten zwischen 199,20 Euro für die 120-Liter-tonne und 1826 Euro für einen Container mit 1100 Litern Fassungsvermögen. Insgesamt ist aber auch in Augsburg die Müllgebühr in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, immerhin um 34 Prozent seit 2013.