Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Bösewicht wirft Schatten über die Zauberwelt
Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen Als der finstere Magier sein neues Quartier in Paris bezieht, werden die Mieter gleich im Sarg herausgetragen. Johnny Depp verwandelt sich mit blondem Haar und bleichem Teint
Sechs Jahre mussten die Fans nach dem Ende des letzten „Harry Potter“-films warten, bis sie im Kino erneut in die magische Welt J. K. Rowlings eintauchen konnten. Zahllose Fantasy-filme hatten versucht, die Phantomschmerzen zu lindern, aber an den epischen Erfolg des Zauberlehrlings konnte keiner der Nachahmungstäter anknüpfen. Erst 2016 wurde Gnade gewährt: Mit „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“kam ein Spinoff ins Kino, dessen Handlung als Vorgeschichte lose mit dem Potteruniversum verbunden ist. Zwar gab es diesmal keine Romanvorlage, aber immerhin hatte Rowling selbst das Drehbuch verfasst und konnte einige ihrer Hintergrund- und Nebengeschichten ausbauen, die in sieben Potter-bänden und acht Filmen keinen Platz gefunden hatten.
Das Warten hatte sich gelohnt, denn „Phantastische Tierwesen“er- öffnete eine ungeheuer fantasievolle Welt, die kreativ auf eigenen Füßen stand und dennoch genug Vertrautheit herstellte, um die ausgehungerte Fanbasis an sich zu binden. Auch der zweite Teil „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“bleibt dem pulsierenden 1920erjahre-setting treu, verlagert das Geschehen jedoch von New York nach London und wenig später nach Paris. Hier schlägt Bösewicht Gellert Grindelwald (Johnny Depp) seine Zelte auf. Er will die friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Magiern aufkündigen und strebt nach Weltherrschaft. Mit wasserstoffblondem Haar, bleichem Teint und einer hellen Iris sieht Depps Schurke aus wie eine arische Albtraumfigur, die keineswegs zufällig die Überlegenheit der eigenen Rasse propagiert.
Den Mächten des Bösen stellt sich erneut als veritabler Antiheld Newt Scamander (Eddie Redmayne) ent- gegen. Eigentlich hat der linkische Zauberer genug mit den magischen Tieren zu tun, die er in seinem Koffer beherbergt. Mit Scamander hat Rowling einen sympathischen Außenseiter zur Zentralfigur ernannt. Der Magizoologe hat eine tiefe Kenntnis und Wertschätzung gegenüber der Diversität des phantastischen Tierreichs, was auch seine Haltung gegenüber Menschen und Magiern bestimmt. Als die Ordnungsbehörden des Zaubereiministeriums ihn anwerben wollen, lehnt er dankend ab, weil er sich dem Freund-feind-denken verweigert. Erst sein Lehrer Dumbledore, der hier im Körper von Jude Law seinen ersten Auftritt hat, kann ihn dazu bewegen, nach Frankreich zu gehen.
Mit viel Detailfreude verwandelt Regisseur David Yates, der auch schon für die letzten vier Potter-filme verantwortlich zeichnete, das digitale Paris der 20er-jahre in einen magischen Ort, an dem geheime Portale in immer neue Zauberwelten führen. Aber auch das geliebte Hogwarts wird als Location wiederentdeckt. Eine Handvoll neuer Figuren wird eingeführt, die verwickelte verwandtschaftliche Beziehungen zum Potter-universum pflegen. War der erste Teil eine recht putzige Angelegenheit, weil hier der Schwerpunkt auf der Vorstellung der illustren Tierwelt lag, geht es in „Grindelwalds Verbrechen“deutlich düsterer zu. Wenn der Bösewicht sein neues Quartier in einer Pariser Wohnung bezieht, werden die ehemaligen Mieter gleich im Sarg herausgetragen. Das Finale wird auf dem Friedhof Père Lachaise ausgefochten. Hier kommt es auch zu einigen überraschenden Enthüllungen, die sichtbar eine Handlungsbrücke zu den Folgewerken bilden sollen. Drei weitere Filme sind angekündigt, und die unermüdliche J. K. Rowling sitzt schon am nächsten Drehbuch.