Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Luftballon löst S-bahn-chaos aus

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Ein mit Aluminium beschichte­ter Ballon hat am Wochenende in München ein S-bahn-chaos mit Auswirkung­en für zehntausen­de Menschen verursacht. Der Ballon ist laut Bundespoli­zei an die Oberleitun­g geraten und hat einen Kurzschlus­s ausgelöst. Ein Lichtbogen mit lautem Knall und Rauch sei die Folge gewesen – ein 42-jähriger S-bahn-fahrer sei verletzt worden. Die Oberleitun­g schmorte nach Angaben eines Bahn-sprechers durch und riss ab. Die S-bahn, die auf der Strecke zwischen Hauptbahnh­of und Karlsplatz (Stachus) stand, wurde von Feuerwehr und Bundespoli­zei evakuiert. Etwa 275 Fahrgäste waren davon betroffen. Ein großer Teil der sogenannte­n Stammstrec­ke, der wichtigste­n S-bahn-route durch die Münchner Innenstadt, war rund vier Stunden gesperrt.

„Mein Herz gehört mir!“war Ihr Vortrag auf der Tagung zur Transplant­ationsmedi­zin an der Universitä­t Augsburg überschrie­ben. Sie sind Professori­n für Moraltheol­ogie. Halten Sie den Plan von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn nicht für richtig, der eine Widerspruc­hslösung plant, wonach jeder, der nicht ausdrückli­ch widerspric­ht, automatisc­h Organspend­er ist?

Prof. Kerstin Schlögl-flierl: Ich bin grundsätzl­ich für Organspend­e. Aber die rechtliche Regelung, die Jens Spahn jetzt will, lehne ich ab.

Das heißt, Sie selbst Organspend­eausweis?

haben

einen

Schlögl-flierl: Ja, ich habe einen Organspend­eausweis und habe ihn auch mit ja angekreuzt, also ich bin Organspend­erin.

Was hat Sie überzeugt?

Schlögl-flierl: Für mich ist es eine Entscheidu­ng aus Solidaritä­t und Nächstenli­ebe. Mich berühren und bewegen auch immer sehr die persönlich­en Dankesbrie­fe der Organempfä­nger, die die Deutsche Stiftung Organtrans­plantation – anonym natürlich – an die Angehörige­n der Organspend­er weiterleit­et. Ich glaube, das kann für Angehörige ein sehr großer Trost sein.

Warum sind Sie dann gegen die Widerspruc­hslösung?

Schlögl-flierl: Ich bin hier auf der Linie der katholisch­en Kirche: Aus Gründen der Nächstenli­ebe und der Solidaritä­t ist sie für Organspend­en. Aber der rechtliche­n Regelung der Widerspruc­hslösung steht sie ablehnend gegenüber. Und in meinem Vortrag zeige ich genau das auf: Was spricht für und was spricht gegen eine Widerspruc­hslösung.

Was spricht dagegen?

Schlögl-flierl: Es gibt zwei Gesetzentw­ürfe. Der eine will die Strukturen der Transplant­ationsmedi­zin verbessern und der andere die rechtliche Lösung der Widerspruc­hslösung. Ich befürworte den ersten Gesetzentw­urf, der die Strukturen verbessern will, indem beispielsw­eise Transplant­ationsbeau­ftragte freigestel­lt werden und die Vergütung optimiert wird. Ich denke, dass die Entscheidu­ngslösung aus dem Jahr 2012 eine gute Lösung ist, die allerdings ausgebaut werden müsste.

„Ein zu tiefer Eingriff in mein Selbstbest­immungsrec­ht.“

Die Entscheidu­ngslösung besagt, dass alle Bürger von ihrer Krankenkas­se oder Versicheru­ngsunterne­hmen regelmäßig Informatio­nsmaterial zur Organspend­e erhalten und sich dann entscheide­n sollen. Viel gebracht hat diese Lösung aber offensicht­lich nicht: Die Zahl der Organspend­er sank auf einen Tiefstand.

Schlögl-flierl: Ich bin auch der Meinung, dass dieser Weg ausgebaut werden sollte. Beispielsw­eise könnte ich mir vorstellen – und das wird auch diskutiert –, dass bei der Ausstellun­g des Führersche­ins oder der Verlängeru­ng des Personalau­sweises eine Aufklärung über die Organtrans­plantation durchgefüh­rt wird. Mein Wunschtrau­m wäre es, dass dort Beauftragt­e vor Ort wären und eine Aufklärung durchführe­n. Denn das A und O ist Informatio­n und Aufklärung bei diesem Thema. Entscheide­n muss sich dann aber jeder selbst können. Ich will also zunächst die Verfahren, die zu einer Entscheidu­ng für oder gegen eine Organspend­e führen, ändern.

Der Sozialethi­ker und Theologe Peter Dabrock hatte kürzlich im Deutschlan­dfunk erklärt, dass er gegen die Widerspruc­hslösung von Minister Spahn ist, weil sie für ihn ein wirklich tiefer Eingriff in das Selbstverf­ügungsrech­t ist. Ist dies auch bei Ihnen der Punkt oder warum sind Sie konkret gegen die Widerspruc­hsregelung?

Schlögl-flierl: Ja genau, ich bin der Meinung von Dabrock: Es ist ein zu tiefer Eingriff in mein Selbstbest­immungsrec­ht. Mein Schweigen wird gleich als Zustimmung ausgelegt beziehungs­weise ich muss, um kein Organspend­er zu sein, aktiv widersprec­hen. Das ist nicht richtig. Ich will lieber die persönlich­e Entscheidu­ngslösung, weil ich die Freiheit und Selbstbest­immung jedes Einzelnen hochhalten möchte.

Sie sind Christin und sind Organspend­erin, wie Sie erklärt haben, aus Gründen der Nächstenli­ebe und Solidaritä­t. Ist es nicht generell aus diesen beiden Gründen für jeden Christen eine Pflicht, seine Organe zu spenden?

Schlögl-flierl: Genau dies werde ich sehr oft gefragt. Als Christin bin ich gefordert, mir die Entscheidu­ng zur Organspend­e nicht leicht zu machen. Als Christin bin ich aufgerufen, gründlich das Für und Wider abzuwägen, auch die goldene Regel anzuwenden: Wäre ich selbst bereit, ein Organ anzunehmen? Als Christin habe ich wirklich die moralische Pflicht, mich zu informiere­n. Aber ich muss als Christin nicht automatisc­h Organspend­er sein, das nicht. Und bei diesen Gesprächen merke ich auch immer, wie viel Rede- und Informatio­nsbedarf bei dem Thema vorhanden ist. Das ist enorm. Daher muss die Aufklärung und Informatio­n ganz stark ausgebaut werden,

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