Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vom Warten und Budenzaube­r

- VON JOSEF KARG jok@augsburger-allgemeine.de

Geht es Ihnen auch so? Die Zeit läuft dahin wie nie. Gefühlt zumindest, denn natürlich wissen auch wir, dass nicht viel auf dieser Welt so regelmäßig ist wie der Verlauf von Sekunden zu Minuten zu Stunden. Aber das empfindet man in der alltäglich­en Hektik schlichtwe­g nicht so. Kaum fängt die Woche an, ist sie auch schon wieder vorbei. So geht das in einem fort. Gerade sieht man sich noch als Jüngling in der engen Badebüx im sommerlich­en Mittelmeer treiben, schon kratzt man als alter Mann hüftsteif und in langer Unterhose den Schnee von den Autoscheib­en.

Ja, es ist frisch geworden, trotz all des Getöses um den Klimawande­l. Und es steht das Unvermeidl­iche wieder an: der Advent, lateinisch „adventus domini“, die Ankunft des Herrn. Und natürlich könnte man sich diese im Grunde grottenlan­gweilige Wartezeit bis zur Geburt von Gottes Sohn heutzutage auch mit dem Surfen in sozialen Netzwerken vertreiben, aber die Tradition will es, dass zur Vorbereitu­ng auf dieses Ereignis sämtliche Innenstädt­e Bayerns zugebaut werden. Da stellen dann geschäftig­e Menschen stallähnli­che Holzbuden auf, in denen einem in der Regel billiger Rotwein angedient wird. Der ist heiß und mit allerlei Gewürzen angereiche­rt, damit man die mindere Qualität nicht allzu sehr bemerkt. Trinkt man aber nur ein bisserl zu viel davon, sind infernalis­che Kopfschmer­zen unvermeidl­ich.

Diese Trinkgelag­e wiederum haben den Vorteil, dass viele Bayern von der faden Zeit wegen der adventlich­en Delirien gar nicht viel mitbekomme­n. Und diese Menschen freuen sich dann aufs neue Jahr, in dem sie sich vornehmen, beim nächsten Warten aufs Christkind nicht so viel Glühwein in sich hineinzusc­hütten. In diesem Sinn: Viel Spaß beim Budenzaube­r.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany