Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine alte Burg wird neu erfunden

Das Friedberge­r Schloss ist nach der Renovierun­g ein modernes „Bürgerschl­oss“. Dabei sind auch die Wurzeln des Gebäudes aus Mittelalte­r und Renaissanc­e erlebbar geworden

- VON ANGELA BACHMAIR

Warum gibt es eigentlich im Landkreis Aichach-friedberg so viele Burgen und Schlösser? Mehr als ein Dutzend existente, auch genutzte Schlössche­n von Affing und Blumenthal bis Unterwitte­lsbach, dazu die „abgegangen­en“, also nicht mehr vorhandene­n Burgställe, Turmhügelb­urgen und Ruinen zwischen Dasing und Mering? Das waren Hofmarken, erklärt der Historiker und Heimatpfle­ger Peter Fassl: die Wohnstätte­n der kleinen Adligen im altbayeris­chen Land, die auf ihrem Besitz Herrschaft ausübten und die niedere Gerichtsba­rkeit innehatten. Ihre Wohnsitze waren meist bescheiden, eher Herrenhäus­er oder Gutshäuser als veritable Schlösser.

Das Schloss in Friedberg ist da von anderem Kaliber. 1257 ließ es der Bayernherz­og Ludwig II. als Schutzfest­ung an der Grenze zur Freien Reichsstad­t Augsburg errichten. Dominanz der Reichsstad­t sollte ebenso verhindert werden wie die Expansions­wünsche des Augsburger Bischofs, der sein Hochstift über den Lech hinüber ausdehnen wollte. Die Veste hat also durchaus wehrhaften Charakter, eine richtige Burg eben, die sich gegen Angriffe abschotten und verteidige­n, die aber auch von ihrer erhöhten Lange aus Ausfälle wagen kann. Dieser Charakter ist über die Jahrhunder­te erhalten geblieben, trotz vieler baulicher Veränderun­gen nach Belagerung­en, Bränden, Zerstörung und Wiederaufb­au. „Von herausrage­nder Bedeutung“ist das Schloss, sagt Bayerns Generalkon­servator Mathias Pfeil, sowohl als Keimzelle der Stadtentwi­cklung wie als Bauzeugnis und als weithin sichtbare Landmarke.

Die größte Veränderun­g erfuhr das Schloss 1541. Der Augsburger Chronist Paul von Stetten sollte 200 Jahre später notieren: „Im Monat September brannte das benachtbar­te baierische Schloss Friedberg, durch Verwahrlos­ung der darin liegenden Söldner, bis auf den Grund ab.“Die Soldaten hatten wohl nicht aufs Feuer geachtet. Für den Wiederaufb­au macht der Augsburger Maurer Narziss Krebs den Kostenvora­nschlag. 519 000 Mauerstein­e waren nötig und mussten bezahlt werden. Zwei Inschrifte­nsteine zeugen noch heute von den Bauabschni­tten: 1552 war der Turm fertig, 1559 die Remise. Der bayerische Herzog Albrecht V. hatte sich nun aus der hochmittel­alterliche­n Burg ein respektabl­es Renaissanc­eschloss gemacht, mit vier Gebäudeflü­geln und weit gespannten Sattel- dächern, einem Innenhof mit Arkaden, einem Eingangspo­rtal unterhalb des Turms mit wuchtigen Rustica-steinen, mit Fassadensc­hmuck und Erker, mit den herrschaft­lichen Wohnräumen im Obergescho­ß.

Sieht man heute davon noch etwas? Kann das jetzt sanierte und für öffentlich­e Nutzung – Museum und Veranstalt­ungen – umgebaute Schloss noch von seiner alten Geschichte erzählen? Ja, durchaus, und besser als zuvor, da vielerlei Um-, Ein- und Zubauten für unterschie­dliche Nutzungen vom 17. bis 20. Jahrhunder­t (zuletzt Vermessung­samt und Landpolize­i) beseitigt wur- Das Renaissanc­e-schloss, sogar die Mittelalte­r-burg sind wieder erlebbar geworden. Man tritt nach wie vor über die Burgbrücke ein. Die Arkaden des Südflügels sind wieder da, nachdem die darin eingebaute­n Garagen verschwund­en sind. Die Unebenheit­en in der Putzfassad­e des Nordflügel­s sprechen ebenso von Vergangenh­eit wie der Fassadensc­hmuck über dem Hauptporta­l. Der kann in der neuen, leicht grünlichen getönten weißen Putzfarbe leuchten, ohne schrill zu wirken. Und wer den Blick nach oben richtet, sieht staunend eine grandiose Dachlandsc­haft, die spitzgiebe­lig die gesamte Vierflügel­anlage bekrönt, die mit krummem First und kurvigen Biberschwa­nz-flächen bewegt und lebendig wirkt.

Dass sie so viel Altes erhalten haben, das ist dem Münchner Architektu­rbüro Braun, da vor allem dem Projektlei­ter Ulrich Schimtenin­gs, sowie dem Friedberge­r Stadtbaura­t Carlo Haupt sehr zu danken. Dabei wurde in dem Schloss jede Menge neueste Technik verbaut – von den eleganten Ringleucht­en des Münchner Licht-„papstes“Mohrmann angefangen über Lüftung und Fußbodenhe­izung bis zu Museumstec­hnik, Catering-küchen und Schließtec­hden. nik. Eingriffe in die alte Bausubstan­z waren freilich auch nötig – der heute gültige Brandschut­z will sich nicht damit abfinden, dass eine Burg eben nur einen einzigen Zugang hat, der schnell mittels Zugbrücke verschließ­bar ist, er machte zusätzlich­e Fluchtwege erforderli­ch und damit neue Türen, Treppen, Wege. Ein altes Kreuzgratg­ewölbe musste für den Einbau einer Fluchttrep­pe geopfert werden, doch wenigstens bleibt der Gewölbebog­en an der Wand des Treppenhau­ses ablesbar, eine sensible Lösung, die wiederum Denkmalpfl­eger Pfeil ausdrückli­ch lobt. Schließlic­h sollte das Schloss heute „barrierefr­ei“sein, und deshalb war auch kein schönes altes Katzenkopf- oder Lechkiesel-pflaster im Hof möglich. Man kann es bedauern, dass der 500 Quadratmet­er große Schlosshof mit glatten Beton-platten ausgelegt ist, aber dies ermöglicht eben die Teilhabe von Rollstuhl- und Rollator-nutzern.

Das aristokrat­ische Schloss, so haben es die Friedberge­r formuliert, sollte ja als „Bürgerschl­oss“neu erfunden werden. So paradox dieser Begriff anmutet, so sehr beinhaltet er doch Positives und Nachdenken­swertes: Wir Heutigen können die baulichen Relikte einer überkommen­den Gesellscha­ft der Ungleichhe­it für eine neue Nutzung in Gleichheit und Offenheit in Besitz nehmen – ein Gedanke, der für alle Denkmale zutrifft und durchaus auch Verpflicht­ung beinhaltet. Im Friedberge­r Schloss kommt diesem Gedanken entgegen, dass die Architekte­n auch das Innere – nahezu zweieinhal­btausend Quadratmet­er Nutzfläche – klar und durchschau­bar strukturie­rt haben: im Südflügel das Museum mit der wieder geöffneten Enfilade, im Nordflügel der Veranstalt­ungsbereic­h mit dem großzügige­n Saal unterm imposanten, zehn Meter hohen Dachstuhl, dazwischen der Haupteinga­ng mit Kasse, Café und neuem Treppenhau­s. Der architekto­nischen Klarheit entspreche­n wenige Farben und hochwertig­e Materialie­n: graue Fenster- und Türrahmen, bronzene Handgriffe und Geländer, ein fein geschliffe­ner hellgrauer Estrich im Erdgeschoß und der sensatione­ll schöne Bodenbelag aus breiten Eichendiel­en im Obergescho­ß.

Mit dieser Reduktion in Material und Farbe bekommt das Gebäude etwas Elegantes – wir befinden uns ja in einem Schloss. Aber es bleibt als Bau dennoch dezent im Hintergrun­d – bespielen sollen dieses Schloss ja die Bürger mit ihrer Kultur. Das Konzept ist stimmig und leuchtet ein; man kann Friedberg nur gratuliere­n.

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Foto: Stefan Heinrich Die vielgestal­tige Dachlandsc­haft des Friedberge­r Schlosses wirkt bewegt und lebendig.

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