Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der moderne Diesel braucht einen Kickstart
Warum es ein Fehler ist, die Technologie zu verteufeln, und welche Konsequenzen aus dem Abgas-desaster gezogen werden müssen
Die Zahl der deutschen Städte, in denen Gerichte Dieselfahrverbote anordnen, wächst. Bislang sind es elf. Weitere werden folgen. Das Ziel der Bundesregierung, Verbotszonen für ältere Dieselautos zu verhindern, ist krachend gescheitert. Dass wir ein deutsches Diesel-desaster erleben, hat gleich mehrere Gründe.
Die Regierung hat einem umstrittenen, weil sehr strengen Eugrenzwert zugestimmt, aber jahrelang keine Maßnahmen eingeleitet, den Stickoxid-ausstoß von Dieselmotoren zu reduzieren. Hätte das Bundesverkehrsministerium sich nur halb so leidenschaftlich mit der Schadstoffminimierung wie mit der Autobahn-maut beschäftigt, wir hätten das Problem nicht.
Deutsche Autohersteller – vor allem VW und Audi – haben die Motor-software manipuliert, statt massiv in saubere Dieseltechnologie zu investieren. Die Ingenieure wählten einen vermeintlich bequemen Weg und meinten, die Schummeleien kämen nicht ans Tageslicht. Das war an Naivität kaum zu überbieten.
Die umstrittene Deutsche Umwelthilfe, die mitfinanziert wird durch Spenden des japanischen Vw-rivalen Toyota, nutzt mit ihren vielen Klagen die Möglichkeiten des Rechtsstaats. Das ist legitim, auch wenn die erzwungenen Fahrverbote Millionen Fahrer deutscher Dieselautos durch Wertverlust teilenteignet haben. Man kann der Umwelthilfe dieses Vorgehen nicht vorwerfen. Aber es ist nicht verboten, sich darüber zu ärgern.
In jedem Fall nimmt die Debatte immer hysterischere Züge an. Stickoxide sind mit Sicherheit gesundheitsschädlich. Doch die Nichteinhaltung des Grenzwertes von 40 Mikrogramm hat auch noch nicht zu massenhaften Erkrankungen im Umfeld von Hauptverkehrsstraßen geführt. Daher ist die Gesetzesinitiative der Bundesregierung, Fahrverbote bei geringen Grenzwertüberschreitungen als unverhältnismäßig einzustufen, zu Unrecht gescholten worden. Sie ist sogar durchaus vernünftig.
Denn es geht jetzt darum, die Diskussion zu versachlichen und den Druck im Kessel nicht durch ständig neue Fahrverbote weiter zu erhöhen. Stattdessen müssen bislang versäumte Maßnahmen zur besseren Luftqualität in den Großstädten konsequent nachgeholt werden. Das geschieht derzeit fast überall – vom Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bis zur Förderung der Fahrradmobilität. Nur wird es noch Jahre dauern, bis die positiven Effekte spürbar werden.
In der aktuellen Debatte wird im Übrigen vernachlässigt, dass eine Abkehr vom Diesel auch negative Umweltfolgen hat. Denn die geplante Reduzierung des durchschnittlichen Co2-ausstoßes der Herstellerflotten auf den Eugrenzwert von 95 Mikrogramm ist so kaum mehr zu erreichen.
Denn jeder Benziner, der statt eines Diesels zugelassen wird, erhöht den Ausstoß des giftigen Gases. Den Autoherstellern drohen im Falle der Verletzung des Grenzwertes ab 2021 hohe Eu-strafzahlungen. Man könnte argumentieren, die Industrie sei selbst schuld daran. Aber die Auswirkungen auf den Standort Deutschland und unsere Arbeitsplätze könnten schmerzlich ausfallen.
Es ist daher ein Fehler, die Dieseltechnologie zu verteufeln. Moderne Selbstzünder stoßen bis zu 85 Prozent weniger Stickoxid aus als die alten Motoren – und weniger CO2 als Benziner. Zudem sind Diesel deutlich günstiger als Elektroautos. Es sprechen viele Fakten für den Diesel als eine Lösung für den Verkehrsmix der nahen Zukunft. Wenn irgendwann Brennstoffzellenautos, die mit sauberem Wasserstoff betrieben werden, großserienreif sind und der Strom für Elektroautos nicht mehr aus Braunkohle gewonnen wird, kann es wieder anders aussehen.
Der Diesel bleibt wichtig für den Verkehrsmix