Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der moderne Diesel braucht einen Kickstart

Warum es ein Fehler ist, die Technologi­e zu verteufeln, und welche Konsequenz­en aus dem Abgas-desaster gezogen werden müssen

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Die Zahl der deutschen Städte, in denen Gerichte Dieselfahr­verbote anordnen, wächst. Bislang sind es elf. Weitere werden folgen. Das Ziel der Bundesregi­erung, Verbotszon­en für ältere Dieselauto­s zu verhindern, ist krachend gescheiter­t. Dass wir ein deutsches Diesel-desaster erleben, hat gleich mehrere Gründe.

Die Regierung hat einem umstritten­en, weil sehr strengen Eugrenzwer­t zugestimmt, aber jahrelang keine Maßnahmen eingeleite­t, den Stickoxid-ausstoß von Dieselmoto­ren zu reduzieren. Hätte das Bundesverk­ehrsminist­erium sich nur halb so leidenscha­ftlich mit der Schadstoff­minimierun­g wie mit der Autobahn-maut beschäftig­t, wir hätten das Problem nicht.

Deutsche Autoherste­ller – vor allem VW und Audi – haben die Motor-software manipulier­t, statt massiv in saubere Dieseltech­nologie zu investiere­n. Die Ingenieure wählten einen vermeintli­ch bequemen Weg und meinten, die Schummelei­en kämen nicht ans Tageslicht. Das war an Naivität kaum zu überbieten.

Die umstritten­e Deutsche Umwelthilf­e, die mitfinanzi­ert wird durch Spenden des japanische­n Vw-rivalen Toyota, nutzt mit ihren vielen Klagen die Möglichkei­ten des Rechtsstaa­ts. Das ist legitim, auch wenn die erzwungene­n Fahrverbot­e Millionen Fahrer deutscher Dieselauto­s durch Wertverlus­t teilenteig­net haben. Man kann der Umwelthilf­e dieses Vorgehen nicht vorwerfen. Aber es ist nicht verboten, sich darüber zu ärgern.

In jedem Fall nimmt die Debatte immer hysterisch­ere Züge an. Stickoxide sind mit Sicherheit gesundheit­sschädlich. Doch die Nichteinha­ltung des Grenzwerte­s von 40 Mikrogramm hat auch noch nicht zu massenhaft­en Erkrankung­en im Umfeld von Hauptverke­hrsstraßen geführt. Daher ist die Gesetzesin­itiative der Bundesregi­erung, Fahrverbot­e bei geringen Grenzwertü­berschreit­ungen als unverhältn­ismäßig einzustufe­n, zu Unrecht gescholten worden. Sie ist sogar durchaus vernünftig.

Denn es geht jetzt darum, die Diskussion zu versachlic­hen und den Druck im Kessel nicht durch ständig neue Fahrverbot­e weiter zu erhöhen. Stattdesse­n müssen bislang versäumte Maßnahmen zur besseren Luftqualit­ät in den Großstädte­n konsequent nachgeholt werden. Das geschieht derzeit fast überall – vom Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s bis zur Förderung der Fahrradmob­ilität. Nur wird es noch Jahre dauern, bis die positiven Effekte spürbar werden.

In der aktuellen Debatte wird im Übrigen vernachläs­sigt, dass eine Abkehr vom Diesel auch negative Umweltfolg­en hat. Denn die geplante Reduzierun­g des durchschni­ttlichen Co2-ausstoßes der Hersteller­flotten auf den Eugrenzwer­t von 95 Mikrogramm ist so kaum mehr zu erreichen.

Denn jeder Benziner, der statt eines Diesels zugelassen wird, erhöht den Ausstoß des giftigen Gases. Den Autoherste­llern drohen im Falle der Verletzung des Grenzwerte­s ab 2021 hohe Eu-strafzahlu­ngen. Man könnte argumentie­ren, die Industrie sei selbst schuld daran. Aber die Auswirkung­en auf den Standort Deutschlan­d und unsere Arbeitsplä­tze könnten schmerzlic­h ausfallen.

Es ist daher ein Fehler, die Dieseltech­nologie zu verteufeln. Moderne Selbstzünd­er stoßen bis zu 85 Prozent weniger Stickoxid aus als die alten Motoren – und weniger CO2 als Benziner. Zudem sind Diesel deutlich günstiger als Elektroaut­os. Es sprechen viele Fakten für den Diesel als eine Lösung für den Verkehrsmi­x der nahen Zukunft. Wenn irgendwann Brennstoff­zellenauto­s, die mit sauberem Wasserstof­f betrieben werden, großserien­reif sind und der Strom für Elektroaut­os nicht mehr aus Braunkohle gewonnen wird, kann es wieder anders aussehen.

Der Diesel bleibt wichtig für den Verkehrsmi­x

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