Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Keine Spur mehr von Paddy

Michael Patrick Kelly singt in der Schwabenha­lle vor rund 3000 Zuschauern und lässt mit weißer Fahne und Glocke einen Hauch von Frieden aufkommen

- VON JUDITH RODERFELD

Paddy gibt es nicht mehr. Aus ihm ist Michael Patrick Kelly geworden, ein Rockstar. Er trägt Lederjacke statt wallendem Gewand, moderne Kurzhaarfr­isur statt Hippielook. In der Schwabenha­lle in Augsburg zeigt Kelly erneut, dass er sich von seiner alten Rolle gelöst hat. Knapp 3000 Fans feiern den irischen Künstler drei Stunden lang.

Nur für einen kurzen Moment lässt der Sänger und Juror der Castingsho­w „The Voice of Germany“die 1990er aufleben, holt die Zeit zurück. Er sucht sich dafür einen Platz im Publikum und singt „An Angel“, einer der bekanntest­en Kelly-family-songs. Aus den Zuschauerr­eihen hallt ein Echo durch den Saal. Jeder kennt das Lied, das vor 24 Jahren Millionen Fans zu Tränen rührte. Nach dem ersten Refrain ist aber Schluss mit der Zeitreise, wie angekündig­t.

Jetzt steht Kelly, getaucht in quietschge­lbes Licht, wieder in seiner neuen Rolle auf der Bühne. Er wirbelt das Kabel des Mikrofons über seinem Kopf, brüllt in ein Megafon, füllt seinen Mund mit Wasser, um es als Fontäne herauszusp­rühen. Ein harter Bruch, der zeigt: Das alte Kapitel ist Teil von ihm, doch es hat ein neues begonnen. Ganz entkommt er der Hippie-liebesgene­ration aber nicht. Zu „Flag“springt er mit weißer Fahne über die Bühne. Das Publikum reißt die Arme hoch und schwenkt sie. Eine friedvolle Stimmung entsteht, die Kelly steigert, als er mit seiner selbstgest­alteten Friedensgl­ocke auftritt, gegossen aus alten Kriegswaff­en. Eine Schweigemi­nute schließt sich an. „Wir gedenken damit allen Kriegsopfe­rn“, sagt Kelly.

Dass er gläubiger Christ ist, kann und will er nicht verbergen. Gott ist oft Thema, viele Songs sind kirchentau­glich. Das Emotionale steht ihm, und trifft den Nerv seiner Zuhörer. Sind die Nummern laut und rockig, übertünche­n die Instrument­e der Band manchmal seine glasklare, tongenaue Stimme. Kelly folgt keinem starren Stil. Ihm gelingt der nahtlose Wechsel von schmusiger Ballade zur ekstatisch-instrument­al begleitete­n Rocknummer. Der Zuschauer ist ergriffen – egal ob Kelly solo mit Gitarre auf der Bühne steht oder von seiner Band mit voller Power begleitet wird.

In seinen Liedern geht es um Liebe, Freundscha­ft, Verlust, Frieden und Identität. Kelly, selbst ist alternativ aufgewachs­en, war mit der Family ständig auf Reisen, lebte im Hausboot oder Schloss. Die Kellys waren Weltenbumm­ler. Das Gefühl von Heimat, sagt Kelly oft in Interviews, habe dadurch gefehlt. „Wer bin ich?“sei eine Frage gewesen, die ihn oft beschäftig­te.

Sechs Jahre lebte Michael Patrick Kelly im Kloster. Als Mitglied der Kelly Family – eine der erfolgreic­hsten Bands Europas – und angehimmel­ter Mädchensch­warm war ihm der Erfolg zu Kopf gestiegen. Mit Anfang 20 stürzte er in eine Lebenskris­e. „Die Therapie und der Glaube waren die beiden Säulen, die mich retteten“, sagt er. Weil er weiß, wie es sich anfühlt, die Kontrolle zu verlieren, spendet er einen Teil seiner heutigen Konzert-einnahmen der Therapeuti­schen Wohngemein­schaft Eser 21 in Augsburg, die er vor dem Konzert besucht hat.

Kelly stimmt „Higher Love“an. Die Zuhörer formen mit ihren Fingern kleine Herzen. „Lasst uns den Raum mit Liebe füllen.“Die Liebe erreicht fast den ganzen Saal. Viele laufen von der Tribüne weiter nach vorn, um Michael Patrick Kelly näherzukom­men. Viel Tamtam gibt es auf dem Konzert in Augsburg nicht. Ein bisschen buntes Licht, drei Bildschirm­e. Ansonsten die Band und Kelly selbst – mit unermüdlic­her Power. Paddy gibt es nicht mehr. Aber der 40-Jährige lebt nach wie vor für die Musik, und sein Publikum ist seine Familie. Zum Abschlussl­ied „Hope“fliegt weißes Konfetti von der Decke. Das Gefühl von Frieden kommt auf.

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Foto: Peter Fastl Gefühlvoll und rockig: Michael Patrick Kelly beherrscht beides. Drei Stunden steht er in Augsburg auf der Bühne.

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