Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn die Kanzlerin „Linie“fliegen muss

Ein technische­s Problem legte die Elektronik des Regierungs­jets lahm. Nach dem Ausfall musste Angela Merkel auf die Airline Iberia umsteigen, um nach Buenos Aires zu gelangen

- VON MARTIN FERBER

Berlin Mit einem Schlag herrschte Funkstille in den Kopfhörern der Piloten. Der glänzend weiße Regierungs-airbus „16-01 Konrad Adenauer“mit dem schwarz-rot-goldenen Streifen an der gesamten Außenhülle und dem Schriftzug „Bundesrepu­blik Deutschlan­d“über der Fensterrei­he war am Donnerstag­abend seit einer Stunde in der Luft, hatte eben das europäisch­e Festland über den Niederland­en verlassen und war auf dem Weg über den Atlantik nach Buenos Aires, wo Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und andere Mitglieder der deutschen Delegation am G20-gipfel teilnehmen wollten, da brach der Funkkontak­t zu den Fluglotsen ab. Nichts ging mehr, die gesamte Funkkommun­ikationsan­lage hatte ihren Geist aufgegeben.

Im Cockpit machten die Piloten, erfahrene Offiziere der Luftwaffe, das, was in diesem Falle zu tun ist: Sie setzten das internatio­nal übliche Transponde­rsignal 7600 ab, das die Luftsicher­heit über den Ausfall der Funkverbin­dung in Kenntnis setzte, und nahmen über einen speziellen, besonders sicheren Funkkanal Kontakt mit dem Lagezentru­m der Luftwaffe auf. Schnell war klar, dass ein Weiterflug über den Atlantik nicht infrage kam; der Regierungs­airbus aus der Flotte der Flugbereit­schaft des Verteidigu­ngsministe­riums sollte unverzügli­ch umdrehen und in Köln-bonn landen. Die Situation, hieß es in Berlin, sei derart unsicher gewesen, dass sogar Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) in Kenntnis gesetzt wurde. Eine Stewardess informiert­e Merkel, die sich gerade in ihrem Besprechun­gsraum im vorderen Teil des 19 Jahre alten Airbus A 340-300 aufhielt, persönlich über den Abbruch, kurze Zeit später kündigte der Pilot in einer Durchsage die Rückkehr nach Deutschlan­d an.

Gegen 21 Uhr landete die Maschine schließlic­h in Köln-bonn. Da sie vollbetank­t war, setzte sie mit starkem Übergewich­t und erhöhter Geschwindi­gkeit auf, dabei wurden die Bremsen extrem beanspruch­t, Feuerwehrf­ahrzeuge standen bereit, um im Falle eines Falles sofort eingreifen zu können. Merkel, Scholz und alle anderen Passagiere mussten fast 70 Minuten warten, ehe sie das Flugzeug verlassen konnten. Zwar stand in Köln-bonn eine Ersatzmasc­hine bereit, die „16-02 Theodor Heuss“, doch da die Crew ihre Einsatzzei­ten bereits überschrit­ten hatte, war ein sofortiger Weiterflug nicht mehr möglich.

Nach einer Nacht in einem Bonner Hotel unternahm Merkel einen zweiten Anlauf, um zum G20-gipfel zu kommen, mit Scholz und einem kleinen Teil der Delegation flog sie mit der Flugbereit­schaft nach Madrid und von dort mit einer Linienmasc­hine der spanischen Fluggesell­schaft Iberia zunächst nach Buenos Aires. Ihr Mann Joachim Sauer konnte nicht mitfliegen.

Erste Gerüchte, es könne sich auch um Sabotage oder eine Cyberattac­ke gehandelt haben, wurden vom Verteidigu­ngsministe­rium zurückgewi­esen. Vielmehr sei ein tief in der Maschine sitzendes Bauteil, eine Verteilerb­ox, defekt gewesen, was wiederum zwei Kommunikat­ionsanlage­n und das System zum Ablassen von Kerosin gestört habe. Aus dem Defekt habe sich eine „höhere abstrakte Gefahr“ergeben, sagte ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums. „Es ist klar, dass man dann auf Nummer sicher geht.“Eine Regierungs­sprecherin sagte, es habe „zu keiner Zeit Gefahr für Leib und Leben der Passagiere an Bord der Maschine“gegeben.

Allerdings war dies nicht der erste Zwischenfa­ll mit einer Regierungs­maschine. Erst vor wenigen Wochen konnte Finanzmini­ster Olaf Scholz mit der „Konrad Adenauer“nicht von einer Tagung des Internatio­nalen Währungsfo­nds in Indonesien zurückflie­gen, da Nagetiere die gesamte Elektrik lahmgelegt hatten. Und auch bei der Afrika-reise von Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier vor wenigen Tagen gab es wegen eines technische­n Defekts an einem Triebwerk Verspätung­en.

Die „Konrad Adenauer“wie alle anderen Flugzeuge der Flugbereit­schaft des Verteidigu­ngsministe­riums sind gebrauchte Maschinen, die die Luftwaffe von der Lufthansa gekauft hat. Der Pannenflie­ger ist seit 2011 in Diensten der Bundeswehr. Er wurde generalübe­rholt und umgebaut. Im vorderen Teil des Rumpfes gibt es einen speziellen Konferenzb­ereich mit zwölf Sitzplätze­n und einen Privatbere­ich mit 15 Sitzen. Zudem hat das Flugzeug ein spezielles Raketenabw­ehrsystem und Selbstschu­ssanlagen. Ein Sprecher der Luftwaffe betonte, zwischen Juni 2016 und Juni 2018 seien gerade einmal 16 Flüge der Flugbereit­schaft ausgefalle­n, das entspreche zwei Prozent der Flüge. Allerdings gab er zu, dass man „in den letzten Wochen nicht besonders viel Glück hatte“. Die „16-02 Theodor Heuss“sollte noch am Freitag nach Buenos Aires fliegen, damit Angela Merkel am Sonntag wieder planmäßig nach Hause fliegen kann.

Gerüchte über Sabotage bestätigte­n sich nicht

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Foto: Michael Gottschalk, dpa Statt auf dem Flughafen in Buenos Aires steht der Regierungs­jet „Konrad Adenauer“auf dem Flughafen Köln-bonn. Die Maschine musste mit einem technische­n Schaden auf dem Flug nach Argentinie­n umkehren.

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