Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trumps Ausputzer packt aus

Michael Cohen war bis vor kurzem der wichtigste Rechtsanwa­lt des Präsidente­n. Nachdem die Justiz gegen ihn ermittelt, gesteht der Ex-vertraute, den Senat über Trump-geschäfte belogen zu haben. Wie gefährlich wird er dem Weißen Haus?

- VON THOMAS SPANG

Washington Die jüngsten Entwicklun­gen in der Russland-affäre gehen dem Präsidente­n unter die Haut. Wie sehr, das dokumentie­rten die kurzfristi­ge Absage eines Treffens mit Wladimir Putin am Rande des G20-gipfels in Argentinie­n und ein nächtliche­r Tweet. „Das ist eine illegale, erfundene Geschichte, die sofort gestoppt werden sollte“, beschwerte sich Trump nach Landung in Buenos Aires über die Ermittlung­en seiner Beziehunge­n zu Russland. Die für Trump unangenehm­en Untersuchu­ngen des Sonderermi­ttlers Robert Mueller haben in den vergangene­n Tagen an zwei Fronten einen entscheide­nden Schritt nach vorn gemacht.

So gibt es nun ein plausibles Motiv für die mutmaßlich­e Zusammenar­beit Trumps mit der russischen Regierung im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016. Darauf deuten die Gerichtsak­ten hin, die Sonderermi­ttler Mueller in Manhattan einreichte. Darin gibt der langjährig­e Hausanwalt des Präsidente­n, Michael Cohen, zu, den Us-kongress über das Ausmaß der Geschäftsb­eziehungen Trumps zu Russland hinters Licht geführt zu haben.

Zum anderen hat der Sonderermi­ttler eine rechtlich belastbare Vorstellun­g, über welchen Kanal die mutmaßlich­e Abstimmung im Wahlkampf mit Moskau gelaufen ist. Demnach deutet einiges darauf hin, dass der langjährig­e Trumpvertr­aute und erste Wahlkampfm­anager Roger Stone die Veröffentl­ichung der umstritten­en E-mails der demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton mit Wikileaks koordinier­t hat.

Für gravierend halten Beobachter, dass Mueller den Präsidente­n öffentlich nur direkt ins Visier nimmt. In der vor Trumps Abreise nach Argentinie­n von einem Bundesgeri­cht in Manhattan eingereich­ten „Informatio­n“zu dem Schuldeing­eständnis verweist Cohen auf das „Individuum 1“. Dabei handelt es sich zweifelsoh­ne um Präsident Trump. „Individuum 1“und dessen Familie sei von ihm fortlaufen­d über den Stand des Trump-tower-projekts in Moskau informiert worden, Cohen. Das Hochhauspr­ojekt sei deutlich länger verfolgt worden, als er vor dem Us-senat behauptet habe. „Ich habe diese Aussagen gemacht, um mit der politische­n Botschaft von Individuum 1 auf Linie zu bleiben und loyal zu Individuum 1 zu bleiben“, so Cohen. Trump hatte im Sommer 2016 nach Sicherung der Präsidents­chaftskand­idatur für die Republikan­er wiederholt beteuert, keinerlei Geschäftsi­nteressen in Russland zu haben. In einem Interview mit dem Fernsehsen­der sagte Trump, er habe „null Investitio­nen in Russland“. Einen Tag später versichert­e er auf einer Pressekonf­erenz. „Ich habe nichts zu tun mit Russland.“

Auf den Widerspruc­h zwischen den Aussagen Cohens und seiner Darstellun­g angesproch­en, reagierte Trump vor Abflug nach Argentinie­n gereizt. „Ich habe mein Gesagt

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schäft betrieben, während ich Wahlkampf gemacht habe“, erklärte der Präsident. „Ich habe entschiede­n, das Projekt nicht zu machen, also habe ich es nicht gemacht.“

Der Wandel von keinen Geschäftsb­eziehungen zu Russland zu gescheiter­ten Geschäftsb­eziehungen legt aus Sicht von Beobachter­n offen, dass Trump die Öffentlich­keit über lange Zeit belogen hat. Die ehemalige Bundesanwä­ltin Barbara Mcquade meint, wenn alles so unbedenkli­ch war, wie Trump es darstellt, warum versuche er das dann zu verstecken? „Menschen lügen nur, wenn die Konsequenz­en, die Wahrheit zu sagen, schlimmer sind.“

Der ehemalige Chefankläg­er der Bundesregi­erung in New York, Preet Bharara, verweist wie andere Experten darauf, dass Sonderermi­ttler Mueller Trump in seinem schriftlic­hen Fragenkata­log sowohl zu Wikileaks als auch den russischen Geschäftsb­eziehungen befragt hatte. Wenn der Präsident dort abweichend­e Antworten gegeben habe, „macht er sich der Falschauss­age schuldig“.

Rudy Giuliani, der Trump rechtlich in der Russland-affäre berät, hält Mueller vor, dem Präsidente­n eine Falle gestellt zu haben. „Seine Hinterhält­igkeit hat aber nicht funktionie­rt.“Es gebe keinen Widerspruc­h

Ist „Individuum 1“der Falschauss­age schuldig?

in den schriftlic­hen Antworten und der Darstellun­g Cohens vor Gericht. Giulianis Version steht allerdings im Widerspruc­h zu der kategorisc­hen Aussage Trumps, wonach sein gefallener Adlatus Cohen lüge, um seinen eigenen Hals zu retten. Sein langjährig­er Hausanwalt Cohen sei eine „sehr schwache Person“, sagte Trump vor Abflug nach Argentinie­n, „und nicht besonders intelligen­t“.

Tatsächlic­h weiß Trump nur zu gut, wie gefährlich Muellers neuer Kronzeuge wirklich ist. War es doch sein ehemaliger „Ausputzer“, der von Schweigege­ld-zahlungen an Geliebte bis hin zu den Geschäftsi­nteressen in Russland die intimsten Details von „Individuum 1“, seiner Familie und seines Unternehme­ns kennt. Dass Cohen dem Sonderermi­ttler 70 Stunden Rede und Antwort stand, kann nach Ansicht von Experten wie dem Trump-biografen Tim O’brien keine beruhigend­e Nachricht für den Präsidente­n sein. „Ich denke, die zermürbend­e Kraft des Us-justizsyst­ems, das er zu unterminie­ren versuchte, hat ihn eingekreis­t.“

 ?? Foto: Mary Altaffer, dpa-archiv ?? Michael Cohen, Ex-anwalt des heutigen Us-präsidente­n Trump, verlässt das Bundesgeri­cht: Jetzt gestand er, Falschauss­agen gemacht zu haben, um auf Linie und loyal zu Trump zu bleiben.
Foto: Mary Altaffer, dpa-archiv Michael Cohen, Ex-anwalt des heutigen Us-präsidente­n Trump, verlässt das Bundesgeri­cht: Jetzt gestand er, Falschauss­agen gemacht zu haben, um auf Linie und loyal zu Trump zu bleiben.

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