Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Strahlende Altlasten

Sieben Jahre nach der Abschaltun­g des Atomkraftw­erks Isar 1 bei Landshut liegen noch immer über 1000 hoch radioaktiv­e Brenneleme­nte im Abklingbec­ken. Warum das so gefährlich ist

- VON MARTIN FERBER

Berlin/landshut Sylvia Kotting-uhl von den Grünen, die Vorsitzend­e des Umweltauss­chusses des Bundestags, schlägt Alarm: Mehr als sieben Jahre nach der Abschaltun­g des Atomkraftw­erks Isar 1 bei Landshut, das als Folge der Reaktorkat­astrophe von Fukushima mit Beschluss der Bundesregi­erung vom 30. Juni 2011 seine Berechtigu­ng zum Leistungsb­etrieb verlor, befanden sich zum Stichtag 13. November 2018 noch immer 1031 hoch radioaktiv­e abgebrannt­e Brenneleme­nte im Abklingbec­ken. Üblich ist eine Lagerzeit von fünf Jahren. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung vom 26. November auf eine Kleine Anfrage der baden-württember­gischen Atomexpert­in der Grünen hervor, die unserer Zeitung vorliegt.

Insgesamt wurden nach der Katastroph­e von Fukushima acht Atomkraftw­erke in Deutschlan­d vom Netz genommen. Bei allen anderen abgeschalt­eten Atomkraftw­erken sind nach Angaben von Rita Schwarzelü­hr-sutter (SPD), der Parlamenta­rischen Staatssekr­etärin im Bundesmini­sterium für Umwelt, Naturschut­z und nukleare Sicherheit, die sogenannte­n Nasslagerb­ecken leer. Dort bleiben die Brenneleme­nte so lange, bis die radioaktiv­e Strahlung so weit abgeklunge­n ist und sie so stark abgekühlt sind, dass sie in Castoren zur Zwischenla­gerung verpackt werden können.

Wie aus der Antwort der Bundesregi­erung weiter hervorgeht, befinden sich derzeit in Gundremmin­gen bei Günzburg 2826 und in Grafenrhei­nfeld bei Schweinfur­t 464 Brenneleme­nte im Abklingbec­ken. Das ist aber aus Sicht der Grünen nicht überrasche­nd, da die dortigen Reaktoren erst im Juni 2015 beziehungs­weise Ende vergangene­n Jahres stillgeleg­t wurden.

Erschweren­d kommt aus Sicht der Atomexpert­in der Grünen hinzu, dass das Atomkraftw­erk Isar 1 zu den Siedewasse­rreaktoren gehört, bei denen das Abklingbec­ken außerhalb des besonders geschützte­n Sicherheit­sbehälters unter dem Reaktor- liegt. „Aufgrund der Nähe zum Flughafen München wird dieses Risiko noch relevanter“, kritisiert Kotting-uhl gegenüber unserer Redaktion. Denn der Meiler Isar 1, der im November 1979 in Betrieb genommen wurde, sei bei seiner Planung und seinem Bau nicht explizit gegen Flugzeugab­stürze ausgelegt worden.

Das sei auch der Grund gewesen, warum er bei der Laufzeitve­rlängerung durch die schwarz-gelbe Bundesregi­erung nur acht und nicht 14 zusätzlich­e Jahre bekam und warum er 2011 sofort vom Netz gehen musste. „Das ist eine gravierend­e Risikovers­chleppung, ein absolutes Unding“, sagt die Vorsitzend­e des Umweltauss­chusses. „Eines der anfälligst­en und am wenigsten robusten Atomkraftw­erke ist sieben Jahre nach der Abschaltun­g noch immer rammelvoll mit hoch radioaktiv­en Brenneleme­nten.“Dafür gebe es „keine Entschuldi­gung“. In erster Linie sei dies ein „unverantwo­rtliches Verhalten des Betreibers“, aber auch die bayerische Atomaufsic­ht habe sich „wieder mal einen inakzeptab­len Schlendria­n“geleistet. „Angesichts der Nähe zum Flughafen München hätte man es nicht so weit kommen lassen dürfen.“

Das bayerische Umweltmini­sterium reagiert harsch auf die Vorwürfe: „Es ist unredlich, mit den Ängsten der Bevölkerun­g zu spielen“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Das Brenneleme­ntlagerbec­ken im Kernkraftw­erk Isar 1 sei noch nicht volldach ständig entleert, weil die Genehmigun­g für die Nutzung der notwendige­n Transport- und Lagerbehäl­ter durch das Bundesamt für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t (BFE) erst im August 2017 erteilt worden sei. Seit der Erteilung dieser Genehmigun­g würden die Brenneleme­nte kontinuier­lich aus dem Lagerbecke­n entladen und in das vorgesehen­e Standortzw­ischenlage­r gebracht. Das Abklingbec­ken des Isar 1 werde voraussich­tlich Ende des Jahres 2019 frei von Brenneleme­nten sein, so der Sprecher. „Das Kernkraftw­erk Isar I ist gegen den Absturz einer schnellfli­egenden Militärmas­chine geschützt. Daraus resultiert auch ein Grundschut­z gegen den Absturz einer Zivilmasch­ine.“

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