Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gedichte aus dem Blumentopf

Hörerlebni­sse im tim bei „Mehr Musik!“

- VON TILMAN HERPICHBÖH­M

Minimal Music von „Mehr Musik!“war im Textilmuse­um angekündig­t. Das klang aber nicht mini, sondern maxi. Zum Auftakt des dritten „Coming Together“, von Ute Legner und Iris Lichtinger kuratiert, sprang Louis Andriessen­s „Workers Union“die Besucher regelrecht an. Die Kompositio­n steckt voller Raffinesse mit nur ungefähren Hoch-/ Tief-vorschläge, dafür exakten Takt-, Tempo- und Rhythmusan­gaben; schwierig zu spielen, komplex zu leiten (großartig das Dirigat von Carolin Nordmeyer), wurde das Stück meisterlic­h umgesetzt.

Erstaunlic­h, wie in sich stimmige Melodien allein durch Improvisat­ion entstehen, vor allem Vibrafon (Stanimir Andreev) und Marimbafon (Dennis Egger) ergänzten sich wunderschö­n. Moritz Schilling setzte mit seinen Trommeln präzise Akzente, Lisa Riepl an der Klarinette und Iris Lichtinger an der Blockflöte punkteten in den hohen Registern, während im Mittelfeld Tom Jahn (E-piano), Shenglong Li (Piano) und Dylan Lee (Cello) mit vielstimmi­gen Clustern die Massivität der Aufführung komplettie­rten. Das Stück fegte kurzweilig­e 15 Minuten durch den Raum und hinterließ beeindruck­te Gesichter und herunterge­klappte Kinnladen. Großartig!

Inhaltlich ausgefeilt und äußerst minimalist­isch gehalten war Rzewskis „To The Earth“, dargeboten von Iris Lichtinger, ein uraltes Gedicht rezitieren­d, und Stefan Blum an den vier Blumentöpf­en. Jawohl, auf vier tonal zueinander abgestimmt­en Blumentöpf­en trommelnd. Als angekündig­ter Höhepunkt erklang das Stück „In C“von Terry Riley. Die Kompositio­n gilt als Geburt der Minimal-music und besteht aus 53 kurzen, sich wiederhole­nden Phrasen, durch die sich die Musiker ohne bestimmte Längen einmal durchspiel­en. Durch die unterschie­dlichen Besetzunge­n und unvorherse­hbaren Kombinatio­nen der Teile klingt das Stück nie gleich. Die mit 40 Minuten eher kurze Version hatte ihren Reiz durch die Unterstütz­ung von Athanassia Theliou an der siebensait­igen Bassgambe und Sebastian Giussani am Synthesize­r. Beide streuten tiefe Klänge mit ein, die dem meditative­n Charakter des Stückes zuträglich waren. Insgesamt gelungen, hätte die Kompositio­n im Detail etwas mehr dynamische Kontraste vertragen. Trotzdem, das „Coming Together“hat seinen Platz in der Augsburger Musiklands­chaft verdient.

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