Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Betrunkene­r Mann schlägt Frau ins Gesicht

Anwohner beschweren sich über die Verhältnis­se am Holl-platz, und das zu Recht. Klar ist aber auch: In einer Großstadt wird man einige Zustände nicht verhindern können. Und manches muss man akzeptiere­n

- (jaka) VON JAN KANDZORA jan.kandzora@augsburger-allgemeine.de

Ein betrunkene­r Mann ist nach einer Attacke auf eine Frau Freitagfrü­h in den Polizeigew­ahrsam gekommen. Die Polizei berichtet, dass sich der 22-Jährige gegen 2.10 Uhr am Ulrichspla­tz aufhielt und dort gegen eine Hauswand urinierte. Als eine 23-jährige Frau an ihm vorbeilief, holte der 22-Jährige unvermitte­lt aus und schlug der Frau ins Gesicht. Ein Türsteher einer nahegelege­nen Diskothek kam der Geschädigt­en zu Hilfe und brachte den Angreifer zu Boden. Auch gegenüber den alarmierte­n Polizeibea­mten zeigte sich der 22-Jährige nach Polizeiang­aben äußerst aggressiv. Er sei deshalb zur Unterbindu­ng weiterer Straftaten in Gewahrsam genommen worden. Ein Alkoholtes­t ergab bei ihm einen Wert von über 2,3 Promille. Die Frau wurde leicht verletzt und musste vor Ort durch den Rettungsdi­enst behandelt werden.

In Augsburg wohnen fast 300 000 Menschen. Viele davon sind höflich, fleißig und engagiert oder zumindest eines davon. Anders würde das Zusammenle­ben in der Stadt nicht so gut funktionie­ren. Es funktionie­rt nämlich weitgehend, obwohl nicht alle Bedingunge­n dafür optimal sind. Ein mittlerwei­le eklatanter Mangel an bezahlbare­m Wohnraum, ein hoher Anteil an Menschen mit Migrations­hintergrun­d, teils sehr unterschie­dliche Lebensbedi­ngungen in den Stadtviert­eln: Das ist ein Mix, der auch zu massiven Problemen im Umgang miteinande­r führen könnte, zu erhebliche­n sozialen Spannungen.

Doch wie gesagt: Das Zusammenle­ben in der Stadt funktionie­rt insgesamt gut. Dazu tragen eine vielfältig­e Zivilgesel­lschaft und eine stabile Arbeitsmar­ktlage vor Ort bei, eine aufmerksam­e Polizei und auch eine Politik, die für viele positive Entwicklun­gen die Rahmenbedi­ngungen geschaffen hat. Klingt Ihnen das alles zu rosig, ist Ihre Wahrnehmun­g eine andere?

Nun, es gibt auch Gegenbeisp­iele. Dass es mit dem friedliche­n Zusammenle­ben oft auch nicht klappt, zeigt etwa die regelmäßig­e Debatte um die Plätze der Stadt, um Auswüchse im Nachtleben, um lärmende Jugendgrup­pen mit und ohne Migrations­hintergrun­d. Im Kern geht es meist darum, dass sich im öffentlich­en Raum Gruppen versammeln, die laut und unangenehm sein können, teils auch Ordnungswi­drigkeiten und Straftaten begehen. Süchtige und Trinker, aber auch Jugendlich­e und Nachtschwä­rmer, die über die Stränge schlagen, was auf Kosten anderer Bürger geht – oft die betroffene­n Anwohner. „Maxstraße: Jeder vierte Anwohner will wegziehen“, das war beispielsw­eise die Überschrif­t eines Artikels unserer Zeitung, er stammt aus dem Jahr 2009.

Heute dreht sich die Debatte um den Elias-holl-platz, auch dort ist die Situation zuletzt für einige der anliegende­n Bewohner schwer zu ertragen gewesen. An dieser Stelle, vor dem „Aber“, ein paar eigentlich banale Selbstvers­tändlichke­iten, um nicht falsch verstanden zu werden. Am Holl-platz, dem Schauplatz der aktuellen Diskussion­en, bemängeln Anwohner aus ihrer Sicht untragbare Zustände, und das zu Recht. Straftaten gehören verfolgt. Und niemand muss es sich gefallen lassen, angepöbelt oder sogar angegriffe­n zu werden, Tage und Nächte lang Lärm ausgesetzt zu sein und damit um seinen Schlaf gebracht zu werden. Es braucht Konzepte, um solche Probleme in den Griff zu bekommen. Doch eben das ist schon einfacher gesagt als getan, sonst wären derlei Konzepte ja längst überall umgesetzt, nicht nur am Elias-holl-platz.

Dass Polizei und Ordnungsdi­enst an kritischen Orten genauer hinschauen, klingt und ist erst einmal gut. Aber es heißt gegebenenf­alls auch, dass sich manche Klientel ei- nen anderen Platz sucht, an dem sie sich weniger beobachtet fühlt; ein Verdrängun­gseffekt, der theoretisc­h immer so weiter gehen kann, weil es weder logistisch machbar sein dürfte, noch erstrebens­wert ist, dass der komplette öffentlich­e Raum dauerüberw­acht wird. Ein Alkoholver­bot an den Plätzen klingt nach einer harten, konsequent­en Linie, dürfte aber rechtlich schwer umsetzbar sein, ist ein erhebliche­r Eingriff und stößt spätestens bei öffentlich­en Veranstalt­ungen wie dem Christkind­lesmarkt auf Probleme. Es ist auch etwas billig und falsch, immer nur alles verbieten zu wollen – wobei ein wenigerer drastische­s Verbot in diesem konkreten Fall angemessen und hilfreich sein könnte, aber dazu später mehr.

Hinzu kommt die ebenfalls banale Erkenntnis, dass sich manche Zustände nie so ganz verhindern lassen werden – oder nur um den Preis einer sterilen Innenstadt und deutlichen Einschränk­ungen für alle. Manches muss man auch einfach akzeptiere­n. Die deutsche Großstadt, in der sich auch problemati­sche Gruppen nicht auf öffentlich­en Plätzen oder in Parks treffen, muss noch erfunden werden, und Augsburg ist nun einmal eine Großstadt. Es wäre lebensfern, bei bald 300 000 Einwohnern zu erwarten, dass jede Bevölkerun­gsgruppe sich in der Öffentlich­keit stets benimmt, außer zu den Anlässen, in denen es akzeptiert ist, dass die Leute mehr trinken und lauter sind – zum Beispiel beim Plärrer und den Sommernäch­ten.

Was braucht es also? Es braucht zum ersten schon einmal keine Überdramat­isierung und keinen Aktionismu­s, sondern maßvolle, wirkungsvo­lle Lösungen. Ob diese jetzt erarbeitet werden oder erst später, ist eigentlich egal, weil ein kalter Winter das Problem fürs Erste ohnehin aussetzen dürfte. Einige der an dem „Bürger-talk“zum Thema vorgeschla­genen Lösungsmög­lichkeiten klingen hilfreich – etwa verstärkte Streetwork­er-präsenz und die Idee, den Lautsprech­erbetrieb auf dem Platz zu untersagen. Das ist kein allzu schwerwieg­endes Verbot, aber wohl ein sinnvolles. Es geht nun einmal vorrangig um Lärmbeläst­igung, nicht um massive Straftaten.

Viele Ideen klingen gut, bergen aber Tücken

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