Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dezente Leistungss­teigerung

- WAS NICHT WAHR SEIN KANN

Weil wir in einer Leistungsg­esellschaf­t leben, in der Nachlassen, Leisetrete­rei und stilles Welken nicht goutiert werden, haben wir uns an allerlei Anforderun­gen gewöhnt. Nicht nur erwarten wir von uns und anderen, Top-leistungen abzurufen und abzuliefer­n – die permanente Leistungss­teigerung ist selbstrede­nd eingepreis­t. Das gilt auch für Gerätschaf­ten. Mehr Speicherpl­atz, mehr Brillanz, mehr Geschwindi­gkeit, mehr Bedienkomf­ort, mehr Sicherheit.

Auch wenn die Deutsche Bank sich von ihrem Slogan „Leistung aus Leidenscha­ft“verabschie­det hat, bleibt die Werbung natürlich wichtige Arena der ewigen Leistungss­chau. Insofern hätte man – abgenutzt durch die ewige Leistungs-leier – fast über diese wunderlich­e Reklame hinweggele­sen. Doch dann entfaltete der Text beim zweiten Hinsehen seine ganze irrwitzige Kraft: „Dezente Leistungss­teigerung für die Haare.“Jetzt hat der Optimierun­gswahn also die letzten wilden, schütteren, freien Radikalen erfasst. Unsere Haare haben lange genug fahl in ihren störrische­n Wirbeln geruht, während uns der Kopf rauchte. Jede Kopfwäsche war Leistungse­rschleichu­ng! Schluss damit. Die dezente Leistungss­teigerung (so sprechen fürsorglic­he Chefs mit Minderleis­tern) wird in der Reklame explizit vom männlichen Haupthaar erwartet. „Farbe bekennen Männer nicht nur, wenn es um ihr Auto geht. Sondern auch auf dem Kopf.“Wie? Also noch mehr PS für die Frisur? Breitreife­n neben den Ohren? Tatsächlic­h spricht die Anzeige von „Tuning für die Haare“– vermutlich hilft da nur der SUV unter den Shampoos … Man steht vorm Spiegel und erkennt plötzlich weiteres Potenzial. Das Kinn und dann auch der grottige Kehlkopf – beides vertrüge eine maßvolle Leistungss­teigerung. Und die verwöhnten Kniekehlch­en seien gewarnt: Ohne Gegenleist­ung gibt’s nichts mehr! (mls)

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