Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Mann, den sie nicht erwischten

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Joß Fritz war mal wieder auf der Flucht. Die Baseler Obrigkeit war hinter ihm her und Fritz entkam nur knapp der Verhaftung. 1513 war ein Schicksals­jahr seiner Bundschuh-bewegung. Mehrere seiner Freunde wurden hingericht­et. Ihn selber hätte es um ein Haar erwischt. Doch es gab auch ein Stück Glück: Else Schmid, seine Frau, wurde aus dem Gefängnis entlassen, aus dem er selber kurz zuvor entflohen war. Die beiden, der Flüchtling und die Freigelass­ene, trafen sich heimlich und führten ein Eheleben im Untergrund, dessen Spur sich dann im Dunkel der Geschichte verlor.

Der Bundschuh, das bäuerliche Gegenstück zum städtische­ren Schnallens­chuh, war im 16. Jahrhunder­t im südwestdeu­tschen Raum bis hinein in die Schweiz das Symbol aufständis­cher Bauern geworden. Joß Fritz, Stoffel von Freiburg und Kilian Mayer traten als Initiatore­n der Bundschuhb­ewegung gegen die Unterdrück­ung der Bauern an. Stoffel scheint – wie Fritz – seinen Verfolgern entkommen zu sein. Er hinterließ den Historiker­n keine gegenteili­gen Spuren. Anders Kilian Mayer. Er wurde in Basel erwischt, wie üblich gefoltert und hingericht­et. Dabei wurde ihm eine bescheiden­e Gnade zuteil: Er wurde auf eigenen Wunsch nicht mit der Axt, sondern mit dem Schwert geköpft.

Die Leute vom Bundschuh, Bauern und Bettler, folgten dem Zeitgeist, der im Süden des

Reichs die Bauernkrie­ge hervorbrac­hte. Die Bauern, auch die vom Bundschuh, wollten die Privilegie­n der weltlichen und geistliche­n Obrigkeit ankratzen. Joß Fritz und seine Mitverschw­örer zogen durch die Lande, organisier­ten Versammlun­gen und stellten revolution­äre Thesen auf: gegen willkürlic­he Gerichtsba­rkeit, gegen überhöhte Steuern und Zinsen und für mehr Jagd- und Fischrecht­e. Das waren kühne Forderunge­n in einer Zeit bäuerliche­r Leibeigens­chaft und fürstliche­r Willkür. Joß Fritz war selber Sohn leibeigene­r Eltern, die bei Bruchsal ein karges Dasein fristeten. Er zog ein Leben als umherreise­nder Landsknech­t vor. Und da auch soldatisch­es Reisen bildet, betrachtet­e Joß Fritz bald mit neuen Augen die ungerechte Verteilung des Lebensglüc­ks. Seine aufständis­che Bewegung sollte das ändern. Doch sein Versuch einer frühen deutschen Revolution wurde blutig niedergesc­hlagen. Was blieb von Joß Fritz? Er wurde der Mann, den sie nicht erwischten.

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