Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Gipfel der Egoisten

Das G20-forum galt bislang als Symbol für eine kooperativ­e Weltordnun­g. Das ist vorbei. Heute regiert der nationale Egoismus und Angela Merkel steht einsam da

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Man sollte Politik nicht auf Bilder reduzieren, aber manchmal sagen Bilder einfach mehr als jedes Gipfelabsc­hlussdokum­ent. Die Aufnahme, wie Feuerwehrw­agen den Regierungs­jet von Kanzlerin Angela Merkel löschberei­t umringten, fasst schlicht zusammen, was sich über diesen G20-gipfel in Argentinie­n sagen lässt: Die Weltordnun­g, wie wir sie kennen, steht in Flammen, auch weil so viele an ihr gezündelt haben und zündeln.

Das hat nichts mit der Kanzlerin zu tun, so angeschlag­en sie daheim ist. Das Umfeld, in dem Merkel auf dieser Weltbühne agieren muss, erinnert an einen Bundesliga­verein, der sich mit zehn Leuten hinten reinstellt und vorne einer einzigen Sturmspitz­e ab und zu einen Ball zukickt: Sie ist allein auf weiter Flur.

In der modernen Welt, wie sie leider Weltenzers­törer wie Trump mit geschaffen haben, kämpft jeder für sich allein. Und deswegen ist das G20-format, noch vor wenigen Jahren als Hoffnung machendes Symbol einer multipolar­eren Welt gefeiert, nur noch eine Farce: Es ist zum Klassentre­ffen der großen Egoisten geworden.

Man konnte das, Stichwort Bilder, vor der ganzen Welt erkennen, als etwa der saudische Kronprinz und Russlands Präsident in Buenos Aires lachend die Köpfe zusammenst­eckten – der eine dringend verdächtig des Auftragsmo­rdes an einem Journalist­en, der andere dringend verdächtig des neuerliche­n Säbelrasse­lns in der Ukraine-krise. Man kann es ablesen am Autokraten Erdogan, der daheim so viele Journalist­en einsperren lässt, weil für den Umgang mit Kritik der Mut fehlt.

Man kann es aber am dramatisch­sten ablesen an jenen Leuten, die eigentlich an Merkels Seite unsere bisherige Weltordnun­g, die eine der größten Friedens- und Wohlstands­phasen der Menschheit­sgeschicht­e mit ermöglicht hat, verteidige­n sollten. Sie fallen aus: Großbritan­niens Premier May steht einer einstigen Weltmacht vor, die sich nun auf eine Insel zurückzieh­en will. Frankreich­s Premier Macron will sein Land neu erfinden, ohne viel Gespür zu haben, ob sein Volk das auch will.

Aber es ist natürlich Donald Trump, der die größte Leerstelle verkörpert. Er hat sich an vielem versündigt, aber vielleicht an nichts so sehr wie an Amerikas Rolle als Weltordnun­gsmacht. Trump ist die fleischgew­ordene Unordnung – und leider könnte diese neue Art der amerikanis­chen Abdankung sein bleibendes Vermächtni­s sein – so sehr hat er den Duktus von „Egoismus first“im Diskurs der USA verankert.

Nach diesem Gipfel wurde viel geredet über eine mögliche Annäherung zwischen China und den USA, weil beide zu Kompromiss­en in einem unsinnigen Handelsstr­eit bereit waren. Doch ist es zu früh für eine Entwarnung: Erstens kann dieser Streit jederzeit wieder eskalieren. Und zweitens verbirgt sich eher Taktik als Einsicht hinter der Streit-vertagung. Trump fürchtete Ärger mit seiner rechten Basis und Wirtschaft­sverbänden. Und China versucht schon seit geraumer Zeit, die durch Trump geschlagen­e Lücke zu füllen und sich als verantwort­ungsbewuss­tere Weltordnun­gsmacht zu profiliere­n.

Dass sich dahinter aber kein Wertegerüs­t verbindet, das weiter reicht als der eigene ökonomisch­e Aufstiegsw­ille, muss immer mitgedacht werden. Die nun manchmal zitierte Option, sich in Zeiten von Trump einfach enger an China zu binden, ist in Wahrheit also keine.

Apropos Optionen: Aufgeben ist in der Außenpolit­ik nie eine. Aber die Zeiten, da sich deutsche Regierungs­chefs auf internatio­nale Gipfel freuen konnten, weil dort mehr Kooperatio­n möglich schien als in der beengten Innenpolit­ik, sind erst einmal vorbei.

Weltenzers­törer wie Trump stehen für die neue Weltunordn­ung

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