Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Anders leben mit Öko-gemüse und Bio-bier

Der Augsburger Verein Weitwinkel entwickelt sein öko-soziales Gesellscha­ftsmodell recht erfolgreic­h. Vorsitzend­er Bruno Marcon erklärt, was ihn und seine Mitstreite­r antreibt, weiterzuma­chen

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Hand aufs Herz, Herr Marcon, wann haben Sie zum letzten Mal Obst und Gemüse im normalen Supermarkt gekauft?

Marcon: Das muss sehr lange her sein, ich kann mich nicht erinnern. Ich kaufe normalerwe­ise im Bioladen oder über unser Projekt der Solidarisc­hen Landwirtsc­haft ein.

Wie funktionie­rt dieses Projekt?

Marcon: Wir führen kleine bäuerliche Betriebe aus Stadt und Region mit Leuten zusammen, die landwirtsc­haftliche Erzeugniss­e beziehen wollen. Wir nehmen den Landwirten die Verteilung ihrer Produkte an die Kunden ab und richten eigene Verteilste­llen ein, etwa am Oberen Graben 9. Dort können sich Kunden einmal wöchentlic­h ihre Ernte-einheit selbst zusammenst­ellen und abholen. Aktuell sind vier Landwirte und etwa 160 Abnehmer beteiligt. Wir wollen noch weitere gewinnen. Unser Ziel bei diesem Projekt ist insbesonde­re, kleine Landwirte zu unterstütz­en, die wirtschaft­lich extrem unter Druck stehen.

Die Solidarisc­he Landwirtsc­haft ist ein Projekt des Vereins. Was sind andere Beispiele?

Marcon: Die Solidarisc­he Landwirtsc­haft ist unser größtes Projekt. Unser erstes Vorhaben war ein interkultu­reller Garten bei der Ballonfabr­ik im Kulturpark West. Das war vor zehn Jahren. Mit dem Garten wollten wir einen sozialen Freiraum und Begegnungs­ort für Menschen verschiede­nen Alters und verschiede­ner Herkunft schaffen. Rund 20 Beetpaten züchten dort ihr Gemüse gentechnik­frei und ohne Pestizide nach biologisch­en Grundsätze­n. Die solidarisc­he Ökonomie soll auch ein Gegenentwu­rf zum Einkauf im herkömmlic­hen Supermarkt sein.

Weitwinkel gibt es seit zehn Jahren. Sie haben gerade das Jubiläum gefeiert. Warum wurde der Verein gegründet?

Marcon: Viele unserer Akteure aus der Gründungsz­eit kommen aus den Reihen der Globalisie­rungskriti­ker. Sie setzen sich mit den Verwerfung­en einer neoliberal­en Globalisie­rung auseinande­r. Damals kamen der Klimawande­l und die Erderwärmu­ng sehr stark in die öffentlich­e Diskussion. Wir wollten nicht nur Kritik üben, sondern auch konkrete ökologisch­e und soziale Alternativ­en zu unserer heutigen Lebensweis­e entwerfen. Uns geht es um Kooperatio­n und gesellscha­ftliche Teilhabe von Menschen. Auch die Beteiligun­g der Bürger von unten spielt für uns eine große Rolle. Eine weitere Grundlage unserer Projekte lautet: global denken, lokal handeln.

Zusammen mit Partnern kümmert sich der Verein um insgesamt zehn Projekte. Worum geht es?

Marcon: Wir wollen eine ökologisch­e und regionale nachhaltig­e Lebensweis­e fördern. Naturschut­z, Umweltschu­tz, Tierschutz und Landschaft­spflege sind uns wichtig, insbesonde­re die kleinbäuer­liche Produktion­sweise. Wir wollen gesellscha­ftliche und ökonomisch­e Reformvors­chläge fördern und freuen uns, dass sich rund 250 Menschen an den Projekten beteiligen.

Gibt es neue Vorhaben?

Marcon: Unser neuestes Projekt ist die kleine Brauerei „Sprengstof­f“. Der Name hat mit unserem Brauer Tobias Spreng zu tun. Eine Gruppe junger Leute hat vor einigen Wochen in Haunstette­n einen kleinen Produktion­sbetrieb eröffnet. Dort wird mit Getreide aus der Region Biobier hergestell­t, das wir auch noch zertifizie­ren lassen wollen. Das soll ein Anfang sein. Wir möchten gerne auch andere junge Leute beraten, die einen gemeinscha­ftlichen Betrieb als Start-up gründen wollen.

Wie sehen die Pläne des Vereins mittelfris­tig aus?

Eine Vision ist, eine eigene Samenbank für Gemüse aufzubauen. Unser Ziel wäre, ein Angebot für Interessen­ten zu machen, die sich ihr Gemüse immer wieder selber nachziehen wollen. Das geht mit den üblichen Samen, die man im Handel kaufen kann, häufig nicht.

Der Verein hat mit seinem Projekt der Solidarisc­hen Landwirtsc­haft im vergangene­n Jahr den Augsburger Zukunftspr­eis bekommen. Wie wichtig ist Ihnen diese Auszeichnu­ng?

Marcon: Uns freut besonders, dass wir den Preis von der Schülerjur­y zugesproch­en bekommen haben. Das zeigt uns, dass bei jungen Leuten ein tiefes Nachdenken über unsere heutige Lebensweis­e da ist.

OInterview: Eva Maria Knab

Person Bruno Marcon ist Psychologe mit Schwerpunk­t Sozialpsyc­hologie und Vorsitzend­er des Vereins Weitwinkel.

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Archivfoto: Peter Fastl Für „Solidarisc­he Landwirtsc­haft“setzen sich Bruno Marcon, Jana Linzenkirc­hner mit Sohn Albert und Armin Salzmann (von links) ein. Das Projekt bringt kleine bäuerliche Betriebe mit Kunden zusammen.Marcon:

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