Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Notunterkü­nfte für Wohnungslo­se sind belegt

In den Übergangsw­ohnheimen für Obdachlose gibt es kaum noch Kapazitäte­n. Seit einigen Monaten werden die Bewohner von Sozialpäda­gogen vor Ort betreut. Es gibt ein großes Ziel

- VON MIRIAM ZISSLER

Für Knut Bliesener und Dominik Appelt vom katholisch­en Sozialverb­and (SKM) war es nur eine Frage der Zeit. Vergangene Woche war es so weit: Das Übergangsw­ohnheim der Männer in der Johannes-röslestraß­e war überfüllt – die 86 Betten samt vier Notbetten waren alle belegt. Bei der Kälte hatten nochmals mehr Männer an der Pforte um einen Schlafplat­z gebeten. Einige Männer mussten bereits in Wohnungen der Stadt ausquartie­rt werden, damit eine entspreche­nde Anzahl an Notbetten frei bleibt.

Rund 300 Menschen sind derzeit in den städtische­n Notunterkü­nften untergebra­cht. „Die aktuellen Zahlen sind die höchsten der letzten Jahre, allerdings momentan auch nur minimal über 2014, wo wir auch schon eine relativ hohe Aufnahme von Personen zu verzeichne­n hatten“, sagt Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD). Er rechnet damit, dass es in Augsburg rund 1000 wohnungslo­se Menschen gibt, also Personen, die über keinen Mietvertra­g verfügen und mit einem Bein auf der Straße stehen. „Die leben aber natürlich nicht alle auf der Straße. Viele kommen bei Familie oder Freunden unter“, sagt Kiefer. Doch es kann schnell gehen: Wenn kein Freund mehr da ist, der einen aufnehmen will, und keine eigene Wohnung in Sicht ist, bleibt nur noch der Gang zur Notunterku­nft.

Vor drei Monaten hat der SKM die Organisati­on und Betreuung des frisch sanierten Übergangsw­ohnheims der Männer übernommen. In der Einrichtun­g hatte es im November 2016 gebrannt. Für die obdachlose­n Männer und Frauen, die zuvor gemeinsam in der Johannes-röslestraß­e untergebra­cht waren, ging es übergangsw­eise in die Spicherer Schule.

Die Männer zogen zurück in das Übergangsw­ohnheim, die Frauen erhielten nun eine eigene Notunterku­nft in der Stadtberge­r Straße in Pfersee. Sie wird vom Sozialdien­st katholisch­er Frauen (SKF) betreut. „Bei uns leben gerade 26 Frauen zwischen 19 und 78 Jahren“, berichtet Skf-geschäftsf­ührerin Martina Kobriger. Auch die Einrichtun­g ist somit voll, da in der Notunterku­nft zwei Notbetten vorgehalte­n werden müssen. „Die Frauen, die zu uns kommen, haben viele Probleme und haben viel erlebt. Jüngere Frauen haben oft zuvor schon in Einrichtun­gen gelebt und wollen nicht mehr fremdgeste­uert werden. Ältere Frauen sind teilweise sehr krank oder massive Alkoholike­r“, berichtet Kobriger. Seitdem die beiden Unterkünft­e neu bezogen wurden, erhalten die Bewohner auch sozialpäda­gogische Betreuung. Zwar ist das im Fall der Einrichtun­g für Frauen nur eine Sozialpäda­gogin, die 25 Stunden die Woche arbeitet, dennoch gibt es schon erste Fortschrit­te.

Das Ziel ist es, die Bewohner so weit zu bringen, dass sie in andere Einrichtun­gen umziehen, im besten Fall sich eine eigene Bleibe suchen können. Die Spirale soll nach oben statt nach unten gehen, sind sich die Mitarbeite­r von SKM und SKF und Sozialrefe­rent Stefan Kiefer einig. „Für zwei Bewohnerin­nen wollen wir eine Betreuerin beantragen, damit ihnen gezielt geholfen werden kann“, sagt Martina Kobriger.

Und auch bei den Männern soll das Übergangsw­ohnheim nicht zur Dauerlösun­g werden. Sozialarbe­iter Dominik Appelt führt mit den Bewohnern ein Erstgesprä­ch. Er überprüft, ob die Männer aus Augsburg kommen und über eigene Einkünfte verfügen. „Wenn das am Nachmittag aber nicht mehr geklärt werden kann, schicken wir natürlich auch niemanden weg“, sagt er. Grundsätzl­ich werden aber in Augsburger Einrichtun­gen nur Menschen untergebra­cht, die auch zuletzt in Augsburg gemeldet waren. Wer über mehr als 1000 Euro im Monat verfügt, ist dort ebenfalls fehl am Platz. „Vier von zehn Bewohnern haben eine Suchtkrank­heit. Rund die Hälfte haben psychische Probleme“, berichtet Knut Bliesener, der die Einrichtun­g leitet. Es leben dort aber auch Männer, die auf den ersten Blick gar nicht mit solch einer Notunterku­nft in Verbindung gebracht werden.

Ein Gang wird „U 27“genannt, in dem leben junge Männer um die 27 Jahre, die, wie alle im Haus, in Zweibettzi­mmern untergebra­cht sind. Sie teilen sich einen Aufenthalt­sraum, in dem sie sich bis 23 Uhr abends etwas zum Essen zubereiten und fernsehen können. Einen Gang darüber wohnen die „Arbeiter“, also diejenigen, die einer Arbeit nachgehen, aber zu wenig verdienen, um sich ein eigenes Zimmer oder eine Wohnung leisten zu können. Für das Bett im Übergangsw­ohnheim wird derzeit eine Gebühr von 180 Euro im Monat fällig. Aber auch in der Johannes-rösle-straße leben Männer, die stark pflegebedü­rftig beziehungs­weise suchtkrank sind. Daneben verfügt die Stadt über 60 Wohnungen, die vornehmlic­h an Familien in Notlagen vergeben werden. Für die Bewohner der Notunterkü­nfte soll es Schritt für Schritt in andere Einrichtun­gen und am Ende bestenfall­s wieder hinaus auf den allgemeine­n Wohnungsma­rkt gehen. Im ersten Schritt etwa ins Frauenhaus, ins Eser 21, ins Bodelschwi­ngh-haus oder zur Drogenhilf­e.

Bald wird es für die Bewohner der Notunterkü­nfte eine weitere Perspektiv­e in Augsburg geben. „In der Stettiner Straße baut das Ulrichswer­k der Diözese 60 Apartments für obdach- und wohnungslo­se Menschen“, sagt Pia Haertinger vom SKM.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Seit drei Monaten ist das Übergangsw­ohnheim der Männer in der Johannes-rösle-straße wieder bewohnt. Nach einem Brand waren die Bewohner in die Spicherer Schule ausquartie­rt worden.
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Im Übergangsw­ohnheim der Männer leben die Bewohner in Doppelzimm­ern.
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Im Aufenthalt­sraum können die Bewohner kochen und fernsehen.

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