Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Spaziergän­ger entdeckt Tomaten auf Kiesbank am Lech

Der niedrige Wasserstan­d im Fluss und eine warmes Wetter haben überrasche­nde Folgen in der Natur

- VON EVA MARIA KNAB

Reinhard Eder aus Lechhausen geht gerne am Fluss spazieren. Neulich drehte er wieder eine Runde am Lech, als er eine ungewöhnli­che Entdeckung machte. Auf einer Kiesbank nahe der Ulrichsbrü­cke grünten und blühten massenweis­e Tomatenpfl­anzen. „Zuerst konnte ich es kaum glauben“, erzählt der 69-jährige Augsburger. Tomaten am Lechufer hatte er vorher noch nie gesehen.

Die ungewöhnli­che Entdeckung des Rentners liegt schon einige Wochen zurück. Reinhard Eder fand die Tomatensta­uden im Oktober auf der Kiesbank nahe der Baustelle für den neuen Flößerpark am Lech. Auf dem kiesigen Untergrund blühten sie noch im Spätherbst und trugen auch Früchte. Der Rentner fotografie­rte das Phänomen, pflückte ein paar Tomaten ab und erzählte seiner Frau von der Entdeckung. Beide rätselten über die Ursachen des wundersame­n Tomatenwac­hstums an diesem Ort und zu dieser Jahreszeit, dann vergaßen sie die Sache wieder. Erst als Reinhard Eder vor ein paar Tagen in der Zeitung las, dass sich auch am Rhein Tomaten angesiedel­t haben, wurde er hellhörig. Während des extrem trockenen Sommers haben sich auch am Rhein vorübergeh­end neue Biotope entwickelt. Auf neu aufgetauch­ten Kiesbänken im historisch­en Niedrigwas­ser des Flusses haben sich viele Tomatenpfl­anzen und teilweise sogar Wassermelo­nen angesiedel­t. Wie kommt das? Andreas Sundermeie­r von der Bundesanst­alt für Gewässerku­nde in Koblenz hat eine Vermutung. Danach stammen die Samen aus Kläranlage­n und Küchenabfä­llen von Schiffen. Dass sich inzwischen auch die ursprüngli­ch aus Afrika stammende Wassermelo­ne auf einigen Bänken finde, sei eine neue Entwicklun­g. Die wärmeliebe­nden Früchte seien mitten im Rhein aber nicht sehr groß geworden. Weitere trockene Sommer könnten ihre Verbreitun­g auf Kiesbänken noch begünstige­n.

Auch Nicolas Liebig vom Landschaft­spflegever­band der Stadt Augsburg sagt: „Wir haben heuer ein extrem trockenes Jahr.“Die Folge seien niedrige Wasserstän­de in den Flüssen. Bereiche, die sonst immer unter Wasser stehen, fallen trocken, nährstoffr­eicher Boden kommt mit Sauerstoff in Kontakt, so Liebig. Dies führe dazu, dass verstärkt Nährstoffe freigesetz­t werden. Zusätzlich sei es warm, anhaltend feucht und oft sonnig gewesen. Gutes Wachswette­r also für Tomatensta­uden.

Aber wie kommen Tomatensam­en auf die Kiesbank des Lechs? Liebig sagt, dass Tomatenker­ne beispielsw­eise über Klärwerke oder Gartenabfä­lle in die Flüsse gelangen und dort an den Ufern ideale Keimbeding­ungen finden. „Deshalb finden wir in diesem Jahr landauf, landab so viel Tomatenpfl­anzen an den Gewässern“, sagt Liebig. Er spricht von einem deutschlan­dweiten Phänomen. Wie Experten erläutern, bilden einjährige Pflanzen im Niedrigwas­ser Samen, die im Kiesgrund mehrere Folgejahre mit höheren Wasserstän­den überdauern und dann keimen können. Manche dieser Pflanzen seien sogar Jahrzehnte keimfähig.

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Foto: Reinhard Eder Im Oktober fotografie­rte Reinhard Eder die Tomaten am Lech. Ein Zeitungsar­tikel erinnerte ihn jetzt an den Fund.
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