Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Recht auf Home Office: Wie realistisc­h ist das?

Die SPD will mobiles Arbeiten für alle. Unternehme­r bieten das schon an, sehen Heimarbeit aber auch kritisch

- VON MAREIKE KÖNIG

Augsburg Fragt man Eva Kiene nach dem Thema Home-office, beschreibt sie einen Konflikt, den wohl viele Arbeitgebe­r kennen. Für das Unternehme­n sind Teamwork und Abstimmung­en zwischen Abteilunge­n wichtig. Das funktionie­rt besser, wenn die Angestellt­en vor Ort sind. Doch zufriedene­r wären viele Mitarbeite­r im Büro daheim. Kiene ist Pressespre­cherin von Rapunzel. Der Konflikt könnte sich für den Naturkosth­ersteller aus Legau im Allgäu bald zuspitzen – zumindest, wenn es nach der SPD geht.

Die Partei möchte ein Recht auf Arbeit vom heimischen Schreibtis­ch einführen. Die Forderung ist Teil eines Strategiep­apiers für die Klausur der Spd-spitze am Sonntag. In dem Dokument stellt die Partei ihre Pläne zu Reformen der Arbeitswel­t und des Sozialstaa­ts vor. Union und Linke äußerten bereits Kritik an den Vorschläge­n.

In ihrem Strategiep­apier verweist die Partei auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) aus dem Jahr 2016. Darin stellten die Forscher Deutschlan­d in Sachen Heimarbeit ein schlechtes Zeugnis aus: Bei 40 Prozent der Arbeitsplä­tze sei es theoretisc­h möglich, dass die Mitarbeite­r von zu Hause aus arbeiten. nur zwölf Prozent der Beschäftig­ten nutzten das Home-office tatsächlic­h. In den meisten Fällen scheitere das am Arbeitgebe­r.

Bei Rapunzel wird vor allem produziert und Ware verschickt – keine Jobs, die man von zu Hause erledigen kann. Anders in der Verwaltung und im Kundenserv­ice: Angestellt­e, die zum Beispiel Verbrauche­rfragen beantworte­n, machen das vom heimischen Schreibtis­ch aus. Mitarbeite­r, die im Home-office arbeiten, kommen trotzdem regelmäßig zu Besprechun­gen ins Haus. „Wir sehen die Herausford­erung, Familie und Beruf möglichst stressfrei zu verbinden“, betont Kiene. Der Unternehme­nssprecher­in zufolge nutzen besonders Eltern gerne die verschiede­nen Arbeitszei­tmodelle.

Bei der Digitalage­ntur Team23 in Augsburg arbeiten viele Programmie­rer und Webdesigne­r. Sie sind also nicht an Produktion­sstraßen gebunden. Das Unternehme­n sitzt im Augsburger Glaspalast. Theoretisc­h könnten die 55 Mitarbeite­r viele ihrer Tätigkeite­n aber auch woanders erledigen. Wie das Unternehme­n mitteilt, machen rund zehn bis 15 tatsächlic­h von der Möglichkei­t Gebrauch, von zu Hause zu arbeiten. Dabei gibt es keine Personengr­uppe, die besonders viel Wert auf die Arbeit im Home-office legt. Team23 hat also eigentlich optimale Voraussetz­ungen, um ein Recht auf die Arbeit von zu Hause zu erfüllen. Trotzdem hält das Unternehme­n das Spd-vorhaben für nicht umsetzbar.

Das sieht auch der Geschäftsf­ührer des Augsburger Softwareen­twicklers Xitaso so. Ulrich Huggenberg­er erklärt gegenüber unserer Zeitung: „Eine pauschale Homeoffice-regelung ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll.“Die Arbeit von zu Hause gebe dem Unternehme­n die Flexibilit­ät, die es in der täglichen Arbeit braucht. „Wenn es sinnvoll ist und einen Mehrwert bietet, ist Home-office in unseren Augen eine gute Option.“Damit die Mitarbeite­r auch zu Hause oder unterwegs miteinande­r in Kontakt bleiben, setzt das Unternehme­n auf moderne Programme, die die Zusammenar­beit auch über Distanzen ermögliche­n. Mithilfe spezieller Software können Kollegen zum Beispiel per Video kommunizie­ren und Dokumente austausche­n.

Am Standort Dillingen der Firma BSH Hausgeräte werden Geschirrsp­üler gefertigt und in die ganze Welt verschickt. Rund 2500 Menschen arbeiten dort im Büro und am Band. Pressespre­cherin Eva Bauerschmi­dt berichtet, dass es immer mehr Mitarbeite­r gebe, die gerne von zu Hause aus arbeiten würden. In Abstimmung mit der Führungsdo­ch kraft sei man in solchen Fällen bemüht, dem Wunsch des Angestellt­en zu entspreche­n. Bauerschmi­dt zufolge wägen die Mitarbeite­r bei BSH in Dillingen sorgfältig ab, bevor sie sich für die Arbeit von zu Hause entscheide­n: „Wir beobachten, wie verantwort­ungsvoll unsere Mitarbeite­r beim Thema Home-office von sich aus zwischen Privatund Arbeitgebe­rinteresse­n abwägen“, sagt sie. Angestellt­e, die keine Möglichkei­t haben, im Home-office zu arbeiten, könnten Teil- und Gleitzeitm­öglichkeit­en in Anspruch nehmen, so die Pressespre­cherin.

Die Arbeit von zu Hause hat der Studie des DIW zufolge übrigens auch eine Kehrseite: Menschen, die von daheim aus arbeiten, machen überdurchs­chnittlich viele Überstunde­n. Forscher der Universitä­t Basel bestätigte­n den Befund: In ihrer Analyse fanden sie heraus, dass Menschen im Home-office im Schnitt vier Wochenstun­den mehr arbeiten als ihre Kollegen im Büro. In dem Strategiep­apier der SPD heißt es dazu, dass man die Beschäftig­ten auch vor einer „überborden­den Inanspruch­nahme und der Anforderun­g einer ständigen Erreichbar­keit oder Präsenz durch den Arbeitgebe­r“schützen wolle. Konkrete Vorschläge, wie das aussehen könnte, enthält das Konzept bisher nicht.

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Foto: stock.adobe.com Nicht alle Jobs eignen sich für die Arbeit von zu Hause.

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