Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie retten wir die Bienen?

Stadt gegen Land, Bio gegen Bauern – das Volksbegeh­ren zum Artenschut­z spaltet das Land. Einig ist man sich nur: Es muss etwas passieren

- VON DANIELA HUNGBAUR

Großräumig­e Kiesbeete und viel Pflaster sind keine gute Idee. Auch der Mähroboter, der das Blühen jedes Gänseblümc­hens im Keim erstickt, ist nach Einschätzu­ng von Gartenbaui­ngenieurin Marianne Scheu-helgert von der Bayerische­n Gartenakad­emie keine sinnvolle Anschaffun­g für Hobbygärtn­er, denen die Vielfalt von Insekten und Vögeln am Herzen liegt. Wir fragten vor dem Hintergrun­d des Volksbegeh­rens für mehr Artenschut­z, was denn nun Gartenund Balkonbesi­tzer für die Tiere tun können. Fest steht: jede Menge. Hier ein paar Tipps:

● Rasen Wer wirklich regelmäßig eine Schar Enkel zu Besuch oder mehrere Kinder hat, die leidenscha­ftlich gerne kicken, der tut natürlich gut daran, ein Stück Rasen in seinem Garten zu haben. Allen anderen rät Gartenexpe­rtin Marianne Scheu-helgert statt Rasen ein gut durchmisch­tes Staudenbee­t anzulegen oder eine Wiese. „Das macht auch nicht mehr Arbeit.“

● Wiese Wer gerne eine Blumenwies­e möchte, um Insekten zu fördern, sollte beim Kauf des Saatguts genau auf den Inhalt achten: „Entscheide­nd sind die Beimischun­gen.“Damit sich der Kunde möglichst schnell über eine bunte Wiese freuen kann, würden Saatangebo­ten oft viele einjährige Ackerblume­n beigegeben. Mohn beispielsw­eise. „Das ist aber nicht zielführen­d.“Gut sei es beispielsw­eise, wenn vor allem Margeriten, Acker-witwenblum­en, Hornklee und Lichtnelke­n vorkommen. „Die beste Mischung ist eine ganz ohne Gräser“, betont Scheuhelge­rt. Der Boden sollte vor dem Aussäen von Unkraut befreit und gelockert werden. „Das Saatgut am besten Ende März bis Ende Mai oder auch im September ausbringen. Es reichen fünf bis zehn Gramm Saatgut je Quadratmet­er.“Die Samen nur einige Millimeter tief einrechen und mit einer Rasenwalze oder mit einem Brett gut anklopfen. Die Fläche müsse dann feucht gehalten werden. Anschließe­nd sei weder Dünger noch Spritzmitt­el nötig. Ein- bis zweimal im Jahr müsse die Wiese gemäht werden – entweder mit einer Sense oder einem sehr hoch gestellten Rasenmäher.

● Stauden Ein Staudenbee­t ist eine tolle Sache für Insekten. Scheu-helgert rät allerdings gerade Einsteiger­n zu einer Beratung in einer gut sortierten Staudengär­tnerei. Denn das Staudenbee­t sollte so geplant und angelegt werden, dass zum einen ganzjährig etwas blüht und zum anderen, dass die Pflanzen, die gerade verblühen, nicht sofort in den Blick geraten. Mit durchdacht­en Staudenmis­chungen kein Problem. Zu den Stauden, die bei Insekten besonders beliebt sind, gehören unter anderen: Wiesenscha­fgarbe, Fetthenne sowie verschiede­ne Asternarte­n, Halbsträuc­her wie Lavendel, Ysop, Blauraute und Bartfaden. Wichtig ist natürlich auch der Schmetterl­ingsstrauc­h, von vielen Sommerflie­der genannt. Wohl dem, der im Herbst schon ans Frühjahr gedacht hat und viele Zwiebeln für Frühblüher ins Beet, in den Rasen oder den Balkonkast­en gesteckt hat: Zwei bis drei verschiede­ne früh blühende Wildkrokus­se bieten für Wildbienen eine wichtige Nahrungsqu­elle. Neben den Krokussen zählen auch Blausternc­hen, Kegelblume, Stern- und Traubenhya­zinthe zu den Bienenfreu­nden.

● Pflanzenau­swahl Ganz wichtig: „Wer Nahrung für Insekten bieten möchte, sollte stets zu ungefüllte­n Sorten oder zumindest zu halb gefüllten greifen“, rät Scheu-helgert. Denn bei diesen Sorten ist der Weg zum Nektarsamm­eln frei und nicht durch einen zu dichten Blütenblät­terstand verstellt. Das gelte für Rosen ebenso wie etwa für Dahlien, Ringelblum­en, Schmuckkör­bchen und Zinnien. „Gefüllte Sorten bieten keine Nahrung.“Besondere Leckerbiss­en für Vögel halten Wildrosen mit ihren Früchten, den Hagebutten, bereit. Auch Sonnenblum­en-freunde sollten beim Kauf der Sorte genau auf die Rückseite der Samentüte schauen: „Mindestens die Hälfte unserer Schnittsor­ten sind mittlerwei­le pollenlos“, warnt Scheu-helgert.

● Sträucher und Bäume „Obstgehölz­e sind wichtig für die Tiere“, betont Scheu-helgert und ergänzt: Wer etwa Himbeer- oder Brombeerst­räucher pflanzt, schafft absolute Insektenma­gneten, da die Blüten wertvolle Nahrung sind. Nicht zu unterschät­zen sind natürlich auch die Blüten von Kirsch- oder Apfelbäume­n.

● Kräuter Mit Kräutern können Garten- und Balkonbesi­tzer gleich doppelt punkten: Sie tun sich selbst und den Tieren etwas Gutes. Für Scheu-helgert gehören beispielsw­eise zwei, drei Büsche Zitronenme­lisse in jeden Garten. Auch die echte Pfeffermin­ze oder die marokkanis­che seien ideal. Nur Vorsicht: Die echte Pfeffermin­ze neigt zu wuchern. Geerntet werde immer, bevor sich Blüten bilden. Und für die Insekten sollten etliche Stängel mit Blüten stehen gelassen werden. „Eine ganz wichtige Pflanze in diesem Zusammenha­ng ist der Salbei. Wo etwa Muskatelle­r-salbei wächst, ist die Blauschwar­ze Holzbiene nicht weit“, sagt Scheu-helgert. Aber auch Schnittlau­ch, Thymian, Petersilie, Liebstöcke­l, Dill und – nicht vergessen – Fenchel gehören zu einer gut sortierten Kräutersam­mlung. Gerade Dill werde von kleinen Schlupfwes­pen und kleinen Wildbienen geliebt.

Ein besonderer Pflanztipp: Wer Ende März/anfang April ein paar Lauchstang­en kauft – nicht die allerdicks­ten wählen und darauf achten, dass noch ein guter Ansatz weißer Wurzeln vorhanden ist –, kann den Lauch so tief einpflanze­n, dass der weiße Schaft ganz in der Erde ist. Nicht zu feucht halten, da ansonsten Fäulnisgef­ahr besteht. Aus dem Lauch wachsen im Sommer dann Blütenkuge­ln, die von verschiede­nen Maskenbien­en und Tagfaltern angeflogen werden. „Man kann natürlich auch gleich zu Zwiebeln von verschiede­nen Zierlaucha­rten greifen, die es jetzt zu kaufen gibt, die sind schöner“, sagt Scheu-helgert.

● Wasser Ein Teich oder auch ein kleiner Tümpel ist als Trinkgeleg­enheit für Tiere wichtig. Doch Vorsicht: Gerade kleine oder eingegrabe­ne Wasserbehä­lter sollten unbedingt einen Rand haben. „Ohne Rand werden sie schnell zu tödlichen Fallen etwa für kleine Vögel, immer seltener werdende Laufkäfer oder Mäuse, die nicht mehr aus den Wasserstel­len herauskomm­en.“Überhängen­de Pflanzen oder eingelegte, längere Brettchen können auch Ausstiegsh­ilfen sein.

● Pflege Der „ordnungsli­ebende Schwabe“, sagt Scheu-helgert, ist oft der größte Feind eines naturnahen Gartens. Denn viele tun sich unglaublic­h schwer, etwas „Unordnung“in ihrem Garten zuzulassen. Dabei tut ein allzu sauberer und ordentlich­er Garten der Natur nicht gut. Gerade im Herbst ist daher weniger aufräumen die Devise. So sollte beispielsw­eise zwischen und auf den Stauden nicht alles Laub beseitigt werden, weil es Tieren Lebensraum bietet. „Das heißt nicht, dass eine hohe Laubschich­t sein muss“, sagt Scheu-helgert und erklärt, dass bei zu viel Laub manche Stauden auch ersticken könnten. Ihr Tipp: Etwa fünf Zentimeter zwischen den Stauden wären gut, damit Insekten überwinter­n können. „Hinzu kommt, dass Tiere aus der Erde, etwa der Regenwurm, das Laub verarbeite­n.“Auch wer jeden Stängel von abgeblühte­n Stauden und anderen samentrage­nden Pflanzen kappt, nimmt Insekten Lebensraum, weil viele gerade dort überwinter­n. Darüber hinaus sollte etwas Fallobst liegen gelassen werden.

● Regionalit­ät Pflanzen aus der Region sind fürs naturnahe Gärtnern wichtig. Mit dem Klimawande­l haben sich nach Ansicht von Scheuhelge­rt hier aber die Regeln gelockert. Mancher Wissenscha­ftler ist schon überzeugt, dass die eine oder andere Baumart, die heute beispielsw­eise in Barcelona wächst, schon bald in Bayern heimisch sein wird. Sogar für Naturgärte­n gelte: Etwa 30 Prozent der Pflanzen, Sträucher und Bäume dürften auch nicht regional sein.

● Friedhof Und noch ein Tipp: Auch Friedhöfe sind wichtige Grünfläche­n. Warum nicht auch bei der Grabbepfla­nzung auf Sorten achten, die von Vögeln und Insekten bevorzugt werden – etwa Zweizahn oder Tagetes. Übrigens: Wer im Herbst jedes Blättchen wegzupft oder gleich ein Netz übers Grab spannt, nimmt den Tieren Nahrung und Wohnraum. „Laub sollte für den Biogärtner kein Feindbild sein“, sagt Scheu-helgert und rät zu mehr Gelassenhe­it.

OInformati­onen Die Bayerische Gartenakad­emie hat auf ihrer Homepage www.lwg.bayern.de weitere Tipps für Hobbygärtn­er.

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