Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Worüber beim Volksbegeh­ren gestritten wird

Naturschüt­zer und Öko-verbände sagen: Es wird höchste Zeit für mehr Artenschut­z. Viele Landwirte wehren sich und verweisen auf ihre freiwillig­en Umweltmaßn­ahmen. Was stimmt denn nun? Wir erklären die Knackpunkt­e

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mehr Blühwiesen anlegen, ihre Flächen für einen Biotopverb­und zur Verfügung stellen und Pestizide reduzieren. Dass die Artenvielf­alt abnimmt, will Enderle nicht bestreiten. „Es ist auch logisch, wenn man bedenkt, dass seit 1960 in Bayern 840000 Hektar zugepflast­ert wurden – so viel wie die landwirtsc­haftliche Fläche von Schwaben und Unterfrank­en. Aber wir sind die Letzten, die die Insekten ausrotten wollen.“ Mittel sind. „Als Landwirt muss ich mich darauf verlassen können.“ Das sagt der Befürworte­r: „Wenn der Bayerische Bauernverb­and auf andere Faktoren wie Lichtversc­hmutzung und Steingärte­n verweist, ist das ein Ablenkungs­manöver“, sagt Bn-mann Mergner. Weil es bestimmte Vögel oder Schmetterl­inge gebe, die eben im Wald oder auf offenen Feldräumen zu Hause sind, andere dagegen in Gärten. Beides lasse sich nicht gegeneinan­der aufwiegen. Mergner sagt: „Das Traurige ist doch, dass der Bauernverb­and eine schlimme Strategie fährt. Er ist gegen alles. Er war gegen das Ende von Glyphosat, er ist gegen die Betäubung bei der Ferkelkast­ration und vieles andere mehr. Er nimmt seine Mitglieder in Generalhaf­tung.“

Das sagt der Gegner: „Wo bleiben im Zusammenha­ng mit dem Volksbegeh­ren Faktoren wie die Flächenver­siegelung, Mähroboter und Steinwüste­n in Hausgärten, die zunehmende Lichtversc­hmutzung, steigende Freizeitak­tivitäten in sensiblen Bereichen – und deren Auswirkung­en auf die Tier- und Pflanzenwe­lt?“, fragt der Bauernverb­and in einem offenen Brief. 44 Prozent der Gesamtfläc­he Bayerns werden landwirtsc­haftlich genutzt. Enderle beklagt, der Gesetzentw­urf schiebe die Verantwort­ung allein auf die Landwirtsc­haft. „Es gibt keine einzige Veränderun­g, die die Möglichkei­ten und die Lebensweis­en der Stadtbevöl­kerung betrifft. Aber es ist eben einfacher, die Bürger zum Unterschre­iben in die Rathäuser zu bringen, wenn sie nicht betroffen sind.“ Das sagt der Befürworte­r: „Wir haben gesehen, dass wir mit den Förderprog­rammen und den freiwillig­en Leistungen der Landwirte dieses dramatisch­e Artensterb­en nicht stoppen konnten“, sagt Richard Mergner. Nur weil es strengere gesetzlich­e Vorgaben gibt, müssten die Fördermitt­el nicht wegfallen. Mergner nennt den Trinkwasse­rschutz: Obwohl es Gesetze zur Einrichtun­g von Wasserschu­tzgebieten gibt, werden den betroffene­n Landwirten Ertragsaus­fälle und Mehraufwan­d ausgeglich­en. Mergner ist zudem überzeugt, dass eine Gesetzesve­rschärfung nötig ist, etwa bei Gewässerra­ndstreifen. Diese sind bereits in 15 Bundesländ­ern Pflicht, nicht aber in Bayern. Nach seinen Worten führt das zu Problemen, weil abgeschwem­mter Ackerboden, Düngemitte­l und Pestizide in den Gewässern landeten. Das Volksbegeh­ren will den Landwirten vorschreib­en, einen fünf Meter breiten Gewässerra­ndstreifen einzuhalte­n, auf dem nichts angebaut werden darf. Das sagt der Gegner: Jeder zweite bayerische Betrieb nimmt an Agrarumwel­tmaßnahmen teil, betont Enderle. 40 Prozent der Fläche werden nach den Richtlinie­n des Kulturland­schaftspro­gramms (Kulap) und des Vertragsna­turschutze­s bewirtscha­ftet. Diese Programme, betont Enderle, entstehen in Zusammenar­beit mit Umweltmini­sterium und Naturschut­zvertreter­n. Ob die Maßnahmen wirken, wird regelmäßig überprüft. Nach einem aktuellen Bericht des Umweltmini­steriums tragen 700000 Hektar Kulapfläch­en in Bayern besonders zur Biodiversi­tät bei. Hinzu kommen Greening-maßnahmen, die die EU vorschreib­t – Blühfläche­n oder -streifen, Zwischenfr­ucht-anbau, Brachfläch­en.

Bislang werden Landwirte für die freiwillig­en Agrarumwel­tmaßnahmen gefördert. Die Bauern befürchten, dass bei einem neuen Naturschut­zgesetz kein Geld mehr für diese Leistungen fließt. Enderle sagt: „Wenn eine gesetzlich­e Vorgabe da ist, dann schließt das eine Förderung aus. Für uns ist das nicht zielführen­d.“Auch aus fachlicher Sicht findet Enderle Inhalte des Volksbegeh­rens „in hohem Maße unerträgli­ch“. Ein Beispiel: Grünlandfl­ächen sollen nach dem 15. März nicht mehr gewalzt werden dürfen. „Ich höre zum allererste­n Mal, dass das ein Problem für Insekten sein könnte. Wenn das so ist, warum hat man das nicht angesproch­en?“Abgesehen davon, dass im Allgäu am 15. März häufig noch Schnee liege.

Das Volksbegeh­ren fordert Zielvorgab­en für den Öko-landbau in Bayern – 20 Prozent der Anbaufläch­e bis zum Jahr 2025, 30 Prozent bis 2030. Derzeit sind es knapp zehn Prozent. Richard Mergner vom BUND Naturschut­z hält das für machbar. „Wir haben in Österreich derzeit 24 Prozent Ökofläche, in Salzburg 50 Prozent.“Wichtige Impulse seien längst gesetzt worden – etwa durch den Ökopakt Bayern oder die Ökomodellr­egionen. Die Argumentat­ion des BBV, der Markt für Bioprodukt­e wachse nicht so schnell, kann Mergner nicht nachvollzi­ehen. Derzeit müsse man Biomilch aus Österreich importiere­n sowie Obst und Gemüse aus anderen Ländern. „Natürlich muss auch die Nachfrage wachsen.“Der BUND Naturschut­z berate Großküchen, wie sie mehr Öko-ware einsetzen können. Auch die Verpflegun­g in Schulen oder Krankenhäu­sern könne zum Teil auf Bio umgestellt werden.

ANDERE FAKTOREN FÜR DEN ARTENSCHWU­ND

UMWELTSCHU­TZ PER GESETZ ODER FREIWILLIG?

Das sagt der Gegner: Eine Verdoppelu­ng oder Verdreifac­hung der Öko-fläche hat für BBV-MANN Enderle nichts mit der Realität zu tun. Als Beispiel nennt er den Milchmarkt: Die Molkereien hätten jetzt schon Warteliste­n, weil sie nicht mehr Biomilch vermarkten können. Denn wenn zu viel Biomilch auf dem Markt ist, drückt auch das den Preis. Hinzu komme, dass überschüss­ige Biomilch aus Österreich in Bayern günstig angeboten wird. „Es ist ja nicht so, dass unsere Bauern nicht umstellen wollen“, sagt Enderle. „Aber sie müssen ihre Ware ja auch verkaufen können.“Schließlic­h bedeute die Umstellung auf Ökolandbau mehr Aufwand, höhere Kosten und dadurch weniger Ertrag. Das gelte auch für Ackerbauer­n und erst recht für Mastbetrie­be. „Gerade im Schweinebe­reich ist der Absatz für Bio nicht da. Die Leute kaufen das nicht“, sagt Enderle.

Um eine höhere Öko-anbauquote zu erreichen, müssten auch die Verbrauche­r mehr Bioware einkaufen – das bedeutet aber auch saisonale Produkte aus der Region zu wählen. Enderle sieht die Diskussion ohnehin kritisch: „Bei einem vernünftig­en regionalen Produkt, ist es doch zweitrangi­g, ob bio oder konvention­ell. Alles andere hat für mich mit Nachhaltig­keit wenig zu tun.“

30 PROZENT ÖKO-FLÄCHE BIS ZUM JAHR 2030

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Fotos: stock.adobe.com
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Foto: Silvio Wyszengrad Zum Start des Volksbegeh­rens bildeten sich Schlangen wie auf unserem Bild in Augsburg. mancherort­s in den Ämtern lange Das sagt der Befürworte­r:

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